HARA-KIRI

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Originaltitel: Ichimei
Japan 2011
Laufzeit: 124 Min.
FSK: ab 16
Ebizô Ichikawa
Eita Nagayama
Kôji Yakusho
Regie: Takashi Miike
Anbieter: Ascot Elite Home Entertainment
Sprachen: Deutsch dts 5.1, Deutsch DD 5.1, Japanisch DD 5.1
Tonformat: Dolby Digital 5.1/dts
Untertitel: Deutsch
Bildformat: 1:2,35/16:9
Extras: Trailer

Wer die Karriere des japanischen Mavericks Takashi Miike seit 1999 verfolgt hat, wird wissen, wie wechselhaft dessen zahlreicher Output an Regiearbeiten ist. Das reicht von harmlosen kleinen B-Produktionen bis hin zu Prestigefilmen (GRAVEYARD OF HONOUR) und modernen Klassikern (AUDITION). Während Miike vor allem seine ersten Fans aus dem Expolitation- und Trashpublikum gewann und diese mit bizarren und oft grenzwertigen Ideen begeisterte, bewies er in regelmäßigen Abständen, dass er auch zu konzentrierten und extrem dichten Inszenierungen fähig ist. So gelang ihm bereits mit dem Chambarafilm 13 ASSASSINS, dem Remake eines japanischen Samurai-Klassikers, ein erstaunlicher Erfolg, an den er mit dem neuen Werk HARA-KIRI nun anknüpft.

Während 13 ASSASSINS allerdings an die Tradition des reinen Schwertkampffilms anschließt mit seiner abenteuerlich kombinierten Gruppe von Ronins (herrenlosen Samurai) und langen Actionseqeunzen, kann HARA-KIRI eher als meditative Hinterfragung des Ehrencodes der Samurai beziechnet werden. Statt blutige Kämpfe konzentriert sich Miikes Inszenierung hier auf ausführliche Rückblenden, Backstory und lange Dialoge. Die sorgfältige Farbdramaturgie und liebevolle historische Ausstattung gerät ihm dabei zu einem Spiel dieser Themen und Emotionen, so dass der Film im hellen Sonnenschein beginnt und gegen Ende hin zusehens einschneit.

Der deutsche Verleihtitel HARA-KIRI leitet sich von einer bestimmten Form des Seppuku ab, einer ritualisierten Form des Suizids, die ab dem 12. Jahrhundert von Bedeutung war, bis sie im Jahre 1868 offiziell verboten wurde. Im Laufe der Jahrhunderte entstanden zuvor die unterschiedlichsten Ausführungen des Seppuku, die vom einfachen Schnitt in der Magengegend (hara) bis hin zum kreuzförmigen Doppelschnitt reichten, bei dem abschließend der Kopf von einem Sekundanten abgeschlagen wurde. Noch heute wird im Iaido-Training diese spezielle Technik der Enthauptung gelehrt, bei der der Kopf idealerweise nicht ganz abgetrennt wird, sondern an einem Hautlappen am Hals hängen bleibt. Es ist daher verständlich, dass der Delinquent sich seinen Sekundanten - wie in diesem Film - selbst aussuchen kann.

Basierend auf diesem Phänomen entstand 1962 die Vorlage HARA-KIRI von Masaki Kobayashi als streng stilisierter Schwarzweißfilm, der hierfür in Cannes den besonderen Preis der Jury erhielt. Genau eine halbe Dekade später reichte Miike seine neue Version in Cannes ein, wobei er nicht nur auf Farbe, sondern auch auf 3D-Technik zurückgriff. Dieses Stilmittel kommt vor allem am Ende in den Szenen mit Schneefall zur vollen Wirkung, während die langen Dialogpassagen eher darauf verzichten könnten. Es daher nicht ganz verständlich, warum Miike ausgerechnet in diesem Film damit arbeitete.

Erzählt wird in verschachtelter Dramaturgie von einem tragischen Ereignis Mitte der 17. Jahrhunderts. Als der verarmte Ronin Motome im Adelshaus Ii darum bittet, den Hof für seinen rituellen Selbstmord zu nutzen, hat er weniger den Seppuku im Sinn, er hofft vielmehr, mit ein paar Münzen wieder weggeschickt zu werden. Verwalter Kageyu ist es jedoch leid, dass ständig verarmte Samurai vor seinem Hof stehen und betteln, weswegen er Motome beim Wort nimmt. Obwohl dieser nur eine Schwert kopiek aus Bambus besitzt, zwingt er ihn, den grauenvollen Ritus zu vollziehen. Wenig später steht wieder ein Samurai vor seiner Tür. Auch Hanshiro möchte den Hof nutzen, doch Kageyu erzählt diesem erst einmal die Geschichte von Motome, mit dessen Leben Hanshiro insgeheim dicht verflochten ist. Nach und nach entfaltet sich das Drama in seiner ganzen Dimension und mündet in einen aussichtlosen Kampf.

Miike ist bekannt für seine mitunter sadistisch angelegten Gewalt- und Folterszenen, und selbst wenn HARA-KIRI davon nur eine besitzt, ist es fast unansehbar, wie sich der junge Samurai verzweifelt das stumpfe Bamubsschwert in den Bauch stößt, bis es schließlich abbricht. Gerade in dieser Schlüsselszene wird die Absurdität des bedingungslosen Ehrsystems deutlich.

Insgesamt ist HARA-KIRI ein Film von großer Schönheit und Intensität und sei allen empfohlen, die sich ernsthaft für japanische Kultur interessieren. Auch sollte man dringend zu der 2-Disc-Edition greifen, die zusätzlich den in Deutschland bislang unveröffentlichten Originalfilm von Kobayashi enthält.

Marcus Stiglegger