Graveyard of Honor - Yakuza Box Vol. 1

4 / 5 Sterne

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Anbieter: Rapid Eye Movies
Japan 1975 / 2001
Regie: Kinji Fukasaku / Takashi Miike
Laufzeit: ca. 130 / 125 Minuten
Bild: 1:2,35 (anamorph) / 16:9 (anamorph)
Ton: japanisch / japanisch und deutsch
Untertitel: deutsch (optimierte Untertitel für 4:3 / 16:9)
Bonus: Trailer, Interview mit Takashi Miike, Biografien, Filmografien
FSK: ab 16 / ab 18

Nach jahrzehntelanger Verzögerung hat es der japanische Gangster- bzw. Yakuza-Film doch noch bis in die deutschen Wohnzimmer geschafft: Die Filme der Siebzigerjahre waren lange nur eine schwer zugängliche filmhistorische Legende, lediglich vereinzelte Filme von Seijun Suzuki wurden vom Fernsehen hierzulande gezeigt. Und es mag vor allem den neueren Regisseuren wie Takeshi Kitano und Takashi Miike zu verdanken sein, dass nun auch das Interesse an ihren Vorbildern erwacht ist.

Rapid Eye Movies, die deutschen Asienspezialisten, nehmen sich nun einiges vor, indem sie die Doppeledition der beiden GRAVEYARD OF HONOR-Filme als Yakuza-Box 1 betiteln. Es ist also noch einiges an filmgeschichtlicher Aufarbeitung zu erwarten.

Dass die Wahl ausgerechnet auf Kinji Fukasakus Klassiker fiel, ist natürlich dem Remake zu verdanken, diese Wahl ist jedoch durchweg glücklich zu nennen: Der Film von 1975 vereint alle Finessen von Fukasakus zugleich verspieltem und semi-dokumentarischem Stil, bietet rasantes und extrem brutales Actionkino, das noch heute ziemlich aufwühlen dürfte. Der breitwandformatige Film beginnt in der Nachkiregszeit und bedient sich ausgibig eines Reportagestils: Schriftinserts, sepiafarbene Passagen, Stadbilder mit Erläuterungen, objektive Offstimme. Die einzelnen Episoden steuern jeweils auf kleine Höhepunkte hin, woraus sich eine welleförmige, aber gleichmäßige Dramaturgie ergibt, die den Spannungskonventionen des westlichen Gangsterfilms etwas zuwiderläuft. Erzählt wird die Geschichte eines rücksichtslosen Außenseiter-Yakuzas, der die Wirren der Nachkriegszeit nutzt, um sich ganz an die Spitze zu schießen. Dieser Aufstieg und Fall entspricht etwas den moralischen amerikanischen Gangsterfabeln, geht aber wesentlich rabiater zu Werke: Hier spitzen Fontänen von Blut... Die moralische Verworfenheit des Antihelden geht einen unangenehmen Schritt weiter als erwartet.

Takashi Miike hat sich 2000 mit seinem virtuosen Psychothriller AUDITION sowie mit dem Actionfurioso DEAD OR ALIVE durchsetzen können, danach allerdings die in ihn gesetzten Erwartungen durchweg enttäuscht. Seine zahlreichen - oft auch auf Digitalvideo gedrehten - Arbeiten erschöpfen sich meist in selbstzweckhaften Tabubrüchen, bieten albernen Slapstick und sexualisierte Splatter-Gewalt (bis auf wenige Ausnahmen). Ein massiver Manga-Einfluss ist kaum zu verleugnen. Anders dagegen fiel sein durchaus aufwändig inszeniertes Remake von GRAVEYARD OF HONOR aus. Dieser Film weicht zwar stark vom Original ab und verlegt die Handlung aus dem historischen Kontaxt nach dem Zweiten Weltkrieg in die Krise der 1980er Jahre, was einige erstaunliche Parallelen zur Krise der Nachkriegszeit aufweist. Miikes autorentypische Obessionen kommen hier durchweg zum Zug, doch bleibt der Film auf einem ernsthaften Level. Der Erzählduktus ist dem Original entlehnt und bewahrt den epischen Atem.

Die bei REM erscheinende Doppelbox mit beiden Filmen fällt durch eine stilvolle Digipak-Verpackung auf. Fukasakus Film liegt hier nur in einer deutsch untertitelten Version vor, dafür wurde Miikes Film synchronisiert (allerdings in mittelmäßiger Qualität) und liefert noch ein interessantes Video-Interview mit Miike sowie eine On-Location-Docu über die Dreharbeiten, die für Fans des Filmemachers sehr interessant ist. Für Spezialisten des klassischen und modernen asiatischen Genrekinos ist diese Box äußerst empfehlenswert, der durchschnittliche Actionfans wird vermutlich vor den exzentrischen Extravaganzen beider Filme eher zurückschrecken.

Marcus Stiglegger