Cold Meat Industry Folklore - Special 2007

Von Maria Nicoli

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Rome

Confessions d'un voleur d'Ames

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(CMI 2007) CD 12 Tracks

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Stormfagel

Ett Berg Af fasa

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(CMI 2007) 10 Tracks

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All My Faith Lost

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The Hours

(CMI 2007) 11 Tracks

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Sturmast

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(CMI 2007) 7 Tracks

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:Golgatha:

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Tales of Transgression & Sacrifice

(CMI 2007) 13 Tracks DVD-Digipak

Nachdem das schwedische Label Cold Meat Industry zu Beginn der 1990er Jahre vor allem für einen extrem düsteren Ambinet- und Industrialsound bekannt geworden war, zeichnete sich mit dem Erfolg der Band Ordo Equilibirio ein Kurswechsel des Labels ab. Zwar gibt es noch immer die Klassiker des selbstgeprägten genres vom Beginn (Deutsch Nepal, Brighter Death Now, Raison d'Etre, MZ.412 usw.), doch Chef Roger Karmanik setzt in den letzten zwei Jahren vermehrt auf die Veröffentlichung von Apokalpytischer Folklore und martialischer Neoklassik. was sich auf der Compilation "All My Dead Friends" abzeichnete, wird nun in einigen durchaus bemerkenswerten Alben eingelöst.

Bereits nach dem ersten Album "Nera" erfreute sich das Luxemburger Projekt Rome größter Beliebtheit, denn der von elektronischen Melodien unterstützte Akustik-Gitarren-Sound der Band schließt mit eingängigen Harmonien und düsterem Sprechgesang deutlich an die mittlere Phase von Death in June an. Auf dem neuen Album "Confessions" wurde dieser Gothic-Folk-Stil noch einmal perfektioniert, wobei die Rätselhaftigkeit der mehrsprachigen Texte und Titel ("Der Wolfsmantel", "Querkraft", "Wilde Lager", "The Torture Detachment") zum freien Assoziiren inspiriert. Rome hält sich so ungeachtet des markigen Namens denkbar fern von den ideologischen Fallen, die Bands wie HERR oder Harvest Rain so bedenklich macht. "Confessions" hat sich längst und zu Recht als moderner Genre-Klassiker etabliert und zeigt einen interessanten Weg für diese musikalische Spielart auf. Wer hier auch an Leonard Cohen denkt, liegt nicht allzu fern...

Stormfagel, ein schwedisches Pärchenprojekte mit starken osteuropäischen Einflüssen, stellte bereits auf dem etwas sperrigen Debüt traditionelle Elemente ins Zentrum der vor allem elektronisch aufbereiteten martialischen Musik. Auf "Ett Berg af fasa" nun dominiert der leidenschaftlich-leidende Frauengesang, untermalt von pulsierenden Trommelschlägen und melancholischen Keyboard- und Streicher-Melodien. Dazu gesellt sich gelegentlich ein stoisches Männerrezitativ. Zusammen mit der nostalgischen Covergestaltung ergänzt sich dieser Stil zu dem imaginären Soundtrack eines Balkan-Kriegsfilms. Perfektioniert und fast hymnisch erscheint das auf dem mehrstimmig-pathetischen Track 4 "Kis kece lanyom". Ein morbide und nicht einfache Veröffentlichung, die mehrere Hördurchgänge benötigt, dann jedoch eine deutlich Entwicklung gegenüber dem etwas schwächeren Debüt aufweist. Interessant ist Stormfagel vor allem für jene HörerInnen, die nach dem Exzentrischen und Herausfordernden suchen und in Track 5 sogar auf spannende Weise mit deutschsprachigen Samples arbeitet (hier wird auch der durchaus antitotalitäre Charakter dieser Band deutlich).

Ganz dem Gothic-Folk verschrieben hat sich das italienische Paar-Projekt All MyFaith Lost, dessen neues Album "The Hours" u.a. Dostojevski, Virginia Woolf, Anais Nin, Samuel Beckett und Pier Paolo Pasolini als Inspiration nennt. Es dominieren äußerst melancholische, vor allem akustisch dargebotene Lieder, die Viola Roccaglis Stimme auf verführerische Weise veredelt. Hier wurde sicher das Rad nicht neu erfunden, doch "The Hours" kann auf faszinierende Weise dem Genre Gothic-Folk eine markante Kontur verleihen, was eine Qualität für sich darstellt. Das Bookelt reproduziert die Tete auf Englisch und illustriert diese mit schönen und teilweise dezent erotischen Fotos des Duos. Eine verträumtes, das Erinnerungen an This Mortal Coil, Cocteau Twins und Skin wach werden lässt.

Aus dem Umfeld der Neofolk-Band Cawatana kommt die ungarische Formation Sturmast, deren Debütalbum "Ibis redibis nunquam in bello peribis" zwar mit minimalistischen Coverartwork und nur 7 Tracks (35 Min. Spielzeit) aufwartet, also eher ein EP darstellt, klanglich dafür aber umso bombastischer auftrumpft. "Folk-beeinflusste martialische Industrialmusik" nennt das das Label - keine schlechte Beschreibung, wenn man auch eine sehr differenzierten Stilwillen erkennen kann, der vor allem die Stücke 3 ("Kraft") und 4 ("The Big Play") zu heroischen und mitreißenden Folksongs gestaltet. Wie bei Rome kann man hier sehr kreativen Sample-Einsatz feststellen, wobei bei der Verzerrung der männlichen Vocals manchmal etwas dick aufgetragen wurde. Insgesamt ist Sturmast ein interessantes Debüt gelungen, das sich auf zukünftigen Veröffentlichen hoffentlich gelegentlich auch kleine Ruhepausen gönnt, denn die Klangdichte hier ist durchaus beklemmend.Auf jeden Fall sollte man die Band, die gelegentlich an Svarrogh erinnert, in Blick behalten.

Am 23. September soll das neue Album von :Golgatha: erscheinen, das sich in seinen "Tales of Transgression and Sacrifice" an der Philosophie Georges Batailles orientiert und mit einem 32-seitigen Booklet der Fotokünstlerin Birthe Klementowski aufwartet. Die vorab in anderen Versionen veröffentlichen Songs "Flesh of the Orchid", "Rite of Spring" und "Garden of Love" kündigen eine Mischung aus rituell-perkussiven und melodiös-folkigen Klängen an, wie man sie auch auf dem Liveauftritt in leipzig (WGT 2007) zu hören bekam. Nach zwei Alben auf Athanor ist dies das CMI-Debüt der Band, und der enrome Aufwand, mit dem dieses Album präsentiert wird, lässt darauf schließen, dass sich das Label für :Golgatha: eine optimistische Zukunft ausrechnet. Was bislang bekannt ist, würde dem nicht im Wege stehen...

Maria Nicoli