Neither Rome nor Berlin
Ein Gespräch mit Jerome von der Band ROME
Mit stetiger Kreativität hat Jerome von ROME
offensichtlich keine Probleme. Kaum staunt man noch über das Album
„Nera“, schon steht mit „Confessions d'un Voleur d'Ames“
das Nachfolgewerk in den Läden. Jerome scheint sich bewusst zu sein,
dass er die Gunst der Stunde nutzen muss: Vom Geheimtipp zu einer der
populärsten Szeneformationen – das schaffen nicht viele. Auch
wenn „Confessions d'un Voleur d'Ames“ sehr stark an „Nera“
erinnert: Ein Qualitätsabfall ist nicht zu bemängeln. Höchstens
ein spürbarer Mangel an wirklich frischen Ideen, doch das soll vorernst
nicht stören: ROME steht noch am Anfang, vieles kann noch geschehen.
Doch zunächst widmet sich dieses Interview der Vergangenheit.
1. Wie kam es zu der Gründung von ROME? Gab es eine
Zielsetzung?
Ich habe ROME Ende 2005 gegründet. Meine damalige Band
fing zu dem Zeitpunkt aus verschiedenen Gründen an enorm an Produktivität
und Effizienz zu verlieren, sodass ich viel Zeit hatte mir Gedanken über
ein neues Projekt zu machen. Die Zielsetzung war lediglich die, dass ich
eine einzelne, uneinnehmbare Instanz schaffen wollte, welche alle meine
musikalischen wie andersweitigen Interessen vereinen würde. Ich habe
mehr als zehn Jahre in den unterschiedlichsten Bands gespielt und so einige
Stilrichtungen durchgenommen. Es war an der Zeit etwas Eigenständiges
auf die Beine zu stellen; eine neue, unabhängige Plattform für
meine Songs.
2. Wieso hast du dein Projekt ROME genannt? Wieso steht die "Ewige
Stadt" Pate für deine Musik? Hat Fellini etwas damit zu tun?
Fellini mag ich sehr, aber er hatte keinen Einfluss auf
die Namensgebung. Ernüchternd aber wahr: ROME ist von Jerome abgeleitet.
Das ist auch schon fast alles. Es steckt irgendwo natürlich mehr
dahinter als eine reine Namenskürzung. ROME steht für sich,
nicht für mich. Mit „ROME“ kann man Allesmögliche
verbinden. Jeder kann irgendwie was damit anfangen. Das hat mir daran
gefallen. Ausserdem denke ich, dass der Name auch ganz gut zu dieser Art
von Musik passt. Er ist zudem verblüffend einfach und man kann ihn
sich leicht merken.
3. Direkt mit der Debüt-EP bei Cold Meat zu landen
ist ungewöhnlich. Wie kam es dazu und wie kam der Kontakt zu Cold
Meat zu Stande?
Das war auch verblüffend einfach, haha. Ich hatte mir
eigentlich nicht grossartig was dabei gedacht als ich Roger Karmanik das
Demo geschickt hab’. Nur so halt. Ich habe mir da nicht allzu große
Hoffnungen gemacht, aber er war gleich begeistert und hat mir einen Deal
angeboten. So kann’s gehen. Ich hatte einfach Glück.
3. Das Debüt hieß "Berlin". Welche
Verbindungen siehst du zwischen Rom und Berlin? Ich nehme an du spielst
in dem Titel auf das Berlin der Zwanziger Jahre an, mit einem nostalgischen
Blick auf die damalige Kulturmetropole Europas. Was fasziniert dich besonders
an dieser Zeit, was sind die Elemente, die du in deiner Musik verarbeiten
willst? Glaubst du Berlin kann wieder so eine pulsierende Metropole werden
oder glaubst du diese Form einer kulturellen Metropole ist in der heutigen
Zeit nicht mehr möglich in Europa?
Im heutigen Europa sind solche Metropolen nur schwer vorstellbar.
Man denke auch an das was Paris mal war, vor und zwischen den Weltkriegen.
Sowas ist in der derzeitigen Kulturlandschaft eher unmöglich. Die
weltweite Hackordnung hat sich bekannterweise auch verschoben. Man muss
bedenken, dass die europäischen Grossstädte ihren Höhepunkt
hatten, als die entsprechenden Länder zum Teil noch Kolonialmächte
waren. Die Zeiten sind längst vorbei. Aber ich denke es ist nicht
ausgeschlossen, dass es da zu einer Renaissance kommt. (Was die Metropolen
angeht, nicht die Kolonoien, haha) Der Zweite Weltkrieg hat unseren Metropolen
vorerst ein Ende gesetzt. Um ein solches Lebensgefühl wie damals
zu finden muss man heute anderswo hinreisen. Welche Bedeutung haben denn
diese früheren Metropolen heute eigentlich noch? Ausser für
uns Alt-Europäer. „Berlin“ kann als ein Stückchen
Erinnerung gesehen werden. Wenn auch konstruiert. „Berlin“
waren 6 Songs, welche ich als Demo aufgenommen hatte. Roger wollte diese
gleich als EP veröffentlichen. Ich hatte nicht mal einen Namen dafür.
4. Wie sind die beiden Stellen "Bewegung entsteht durch
Haltung" und "Dies ist keine Richtung, nur reine Bewegung"
zu verstehen? Ideologie sorgt für Veränderung?
Beide Slogans habe ich aus einzelnen Zitaten aus dem Briefwechsel
zwischen Alfred Döblin und F.T. Marinetti zusammengebastelt. Keiner
von beiden hat es je so gesagt, aber so habe ich es verstanden. Es passte
zudem auch zu meiner Konzeption von Berlin. Wie jetzt diese Slogans im
Einzelnen zu verstehen sind würde hier den Rahmen sprengen. Ausserdem
seziere ich mein eigenes Schaffen nur sehr ungern. Die Arbeit geschieht
eher impulsiv und meistens verstehe ich selbst erst viel später was
ich mir da zusammen gebrutzelt habe. Das soll mich jetzt natürlich
nicht von jeglicher Verantwortung freisprechen, und ich will auch nicht
vorgeben, dass es bei ROME keine Überlegungen im Vorfeld gibt, aber
bis zu einem gewissen Grad regiert bei ROME der Elan, der Schwung des
Augenblicks. Beide Slogans zeugen von einem gewissen Vitalismus, welcher
in den Gründungsmonaten von ROME sehr wichtig war. Energie. Haltung.
Kraft. Wenn man nicht weiss wo es hingeht neigt man dazu zu sagen, dass
der Sinn in der Bewegung selbst liegt. Zuerst kommt die Tat, anschliessend
sucht man dann rückwirkend nach Begründungen. Bewegung –
das Gegenteil von Stillstand. Stehen ist bekanntlich Zurückgehen.
Also dann mal vorwärts!
Ideologie sorgt sicherlich für Veränderung, aber ROME versucht
von jeglicher Ideologie frei zu sein, und zugleich von allen Ideologien
geprägt.
5. Als Luxemburger hast du sicher einen anderen Blick auf
Europa: Du bist mit drei Sprachen aufgewachsen. Ist für dich Kultur
und nationale Identität verbunden mit Sprache? Wenn ja, wie kann
eine Identitätsfindung stattfinden, die nicht über die Sprache
läuft? Wie sieht deine Vision von Europa aus, bist du Pro oder Contra
ein vereintes Europa und welche Vor/Nachteile siehst du in diesem Europa?
Ich glaube ich sehe das alles ein bisschen anders als die
meisten. Europa ist Teil der Lösung und nicht des Problems. Ich denke
schon, dass ich als Luxemburger meine eigene Sicht der Dinge entwickelt
habe. Das gilt natürlich jetzt für mich und meine Lebensumstände
und nicht für alle Luxemburger. Ich schätze mich glücklich
als Luxemburger geboren zu sein. Heimatliebe empfindet man ja erst wenn
man von zuhause weg ist. Jaja, Luxemburg... Zwischen allen Fronten. Zwischen
allen Stühlen. Und keiner weiss wo’s auf der Landkarte ist,
haha. Ist das neben Lichtenstein? Ist es Lichtenstein?
In Luxemburg haben wir drei Amtsprachen, und ein jeder von uns beherrscht
diese folglich mehr oder weniger flüssig. Ich bin seit frühester
Kindheit regelmässiger Gast in vielen Ländern Europas gewesen,
nicht zuletzt weil mein Vater uns als Kinder wegen seines Theaterengagements
kreuz und quer über den Kontinent gejagt hat. Ich bin ihm dafür
sehr dankbar, und es hat sicherlich meine Sicht auf Europa entscheidend
beeinflusst. Damals war Europa noch was anderes. Wir hatten auch plötzlich
viele neue Gäste, weil im Osten die Grenzen fielen. Es kam dann zu
vielen Treffen, bei denen ich dabei sein durfte. Ich habe das alles nicht
verstanden, war noch zu jung. Aber man versteht doch immer irgendwo mehr
als man glaubt. Als Luxemburger wird man dann wegen der sprachlichen Mitgift
sehr schnell zum Dolmetscher. Selbst als Kind. Und so entwickelt man auch
leichter ein Gefühl für die jeweilige nationale Identität.
Kultur und nationale Identität sind auf jeden Fall verbunden mit
Sprache. Sprache ist natürlich auch eine Expansionswerkzeug. Man
denke an die Vormachtstellung des Englischen (auch bei ROME, haha). Eine
Identitätsfindung die nicht über die Sprache läuft? Hmm.
Das ist wohl das Problem das wir haben. Wir Europäer wissen zuwenig
voneinander. Dazu kommt, dass alte Rivalitäten zum Teil noch in der
Sprache verankert sind. Viele Konflikte wurden nie richtig beendet. Siehe
Spanien, aber da gibt es noch andere Beispiele. Wir wissen alle irgendwie
nicht so richtig wohin mit unserem Europa. Es kommt uns zum Teil sehr
fremd vor. Für viele ist es gar eine Entmündigung. Was soll
man von einem solchen Zusammenschluss –welcher scheinbar nur auf
wirtschaftliche Entschlüsse zurückgeht- halten? Der Kapitalismus
hat bekanntlich nicht gesiegt, er ist nur übrig geblieben. Identitätsfindung
in Bezug auf Europa? Über Sprache? Es würde schwer fallen sich
auf eine Sprache zu einigen, die nicht Englisch ist.
Als Luxemburger lernt man mit offenen Grenzen zu leben.
Von meinem Heimatort waren es 5 Kilometer bis zur Belgischen, 10 bis zur
Französischen und 40 bis zur Deutschen Grenze. Man kriegt da ein
anderes Gefühl für das was man „Nation“ nennt. Meine
Generation hat keinen Krieg miterlebt. Meine Generation hat keinen bewussten
Bezug zu dem Wort Nation. Wie soll man sich da als Europäer fühlen,
wenn man selbst nicht weiss wer man ist. Man sollte nicht Teil von Etwas
werden, um sich selbst zu finden. Man sollte sich erst selbst erkennen
und lieben lernen und lernen auf eigenen Beinen zu stehen, bevor man sich
mit anderen zusammenschliesst. Als Luxemburger ist man eh für Zusammenhalt,
weil wir nicht mal unsere eigenen Grenzen schützen könnten,
haha. Trotzdem wollen natürlich auch wir unsere eigene Identität
pflegen und wahren. Ich merke, dass wo immer man in Europa ist, keiner
weiss wo Europa ist. Oder was Europa ist. Und schon gar nicht wer Europa
ist. Brüssel? Strasburg? Gar DenHaag? Wobei ich denke, dass wir alle
wollen, nur nicht finden können. Wo ist Europa? An der Grenze? Wo
sind die Grenzen? Heute kommt die Antwort vielleicht aus der Musik: Europa
ist da wo um es gerungen wird. Europa brennt dunkel in verwegenen Hirnen.
Ich kann hier nur für mich selbst sprechen und da bleibt mir einfach
zu sagen, dass ich mich zuerst als Europäer fühle, dann erst
als Luxemburger.
6. In deinen Samples tauchen ebenfalls drei Sprachen auf:
Deutsch, Englisch, Französisch. Wieso hast du dich dazu entschieden
Englisch zu singen und nicht etwa deutsch, französisch oder gar luxemburgisch?
Ist das eine Option für die Zukunft?
Ich bemühe mich auch noch andere Sprachen in meiner
Musik zu integrieren, aber meistens bleibt es halt bei Deutsch, Französisch
und Englisch (manchmal auch ein bisschen Italienisch und Spanisch). Das
sind halt die Sprachen die ich verstehe. Aber Englisch verstehen am meisten
Leute. Ich singe ja nicht nur für die Deutschen oder für die
Franzosen. Luxemburgisch würde fast keiner verstehen. Das macht für
mich dann keinen Sinn. Wenn man was zu sagen hat soll man es so formulieren,
dass die Menschen wenigstens ansatzweise die Chance haben etwas zu verstehen.
Einige Textpassagen werde ich weiterhin in verschiedenen Sprache einsingen/sprechen,
aber ROMEs „Amtsprache“ ist und bleibt Englisch. Nicht zuletzt
weil ich die Sprache sehr mag.
7. In den Samples finden sich dann meist französische
und deutsche Sprachschnipsel wieder. Hast du ein Archiv mit Samples oder
wie sammelst du diese? Aus welchen Quellen schöpfst du?
Das ist ganz unterschiedlich. Ich habe mir mittlerweile
ein kleines Archiv angelegt, vieles ergibt sich aber weiterhin spontan.
Die Quellen sind so verschieden, dass es hier wenig Sinn machen würde
sie aufzuzählen. Samples nehm’ ich von überall, oder lass
sie von Freunden einsprechen.
8. Einige Samples stützen die Texte, andere werden
kontrastierend eingesetzt: So heißt in dem Stück "Reversion":
"There is nothing here but fear", während im Hintergrund
das Sample "Niemand zwingt mich in die Knie" abläuft ...
wie verbindest du die Text mit den Samples, entsteht beides gleichzeitig
oder sind die Samples Teile der Musik, zu der dann
die Texte geschrieben werden?
Da gibt es eigentlich keinen patentierten Werdegang. Ein
ROME-Song besteht normalerweise aus drei Komponenten: Der Text, die Musik
und die Samples. Die Hackordnung ist von Song zu Song unterschiedlich.
Manchmal hör’ ich halt irgendwo was raus, irgendein Sample,
und das inspiriert mich zu ’nem Song. Aus einem Film, einem Gespräch,
oder sonst was. Manchmal habe ich dann eben eine konkrete Idee für
die Musik. Der Text wird dann dem Sample entsprechend angelegt. Oft fange
ich aber mit der Musik an. Da gibt es dann eine Melodie zu der ich dann
einen Text schreib und anschliessend interessante Samples suche. Es passiert
allerdings auch oft, dass ich wochenlang die Musik hab’ und auch
schon ganz konkrete Samples ausgesucht habe, aber irgendwie keine Ahnung
hab’ was ich dazu singen soll...diese Texte (und das waren beim
neuesten Album so einige) entstehen dann halt im Studio. Unter Druck geht’s
dann immer plötzlich besser.
9. Einige Samples werden auch ironisch eingesetzt, so wie in einigen Kreuzweg
Ost-Stücken. Ich denke da an "Jetzt muss ich wohl ein wenig
autoritär werden ..." ... ist Ironie auch eine Teil von ROME?
Ja. Das denke ich schon. Bei dem von dir angesprochenem
Sample ist das wohl recht deutlich. Es gibt auch andere Beispiele, bei
denen es wohl ein bisschen subtiler abläuft. Man soll nicht immer
alles zu ernst nehmen.
10. Was bedeutet "Nera"? Einfach nur "schwarz"
oder hat es noch eine weitere Bedeutung?
„Schwarz“ hat wohl nicht nur eine Bedeutung.
Das kann ja recht viel sein, und sich auf Gott-weiss-was beziehen. Da
kann ich dir leider nicht weiterhelfen. Für mich war es klar, dass
es der richtige Titel für dieses Werk war. Es klang einfach sehr
„Nera“.
11. Wie kam es zu dem visuellen Konzept hinter "Nera"?
Wieso hast du dich für dieses Covermotiv entschieden?
Naja, von einem wirklichen Konzept kann man da nicht reden.
Ich mag es gern’ schlicht. Das Artwork ist bei mir immer so ’ne
Sache. Ich bin da selbst nicht so begabt wie ich es gern sein würde,
aber ich arbeite dran. Ich konzentriere mich vorrangig auf die Musik und
denke erst viel zu spät an das Optische. Ich habe das Foto auf einer
meiner Reisen gemacht, und das Motiv passte ganz gut zur Platte. Irgendwie
blieb da bisher immer recht wenig Zeit sich darüber Gedanken zu machen
und dieses Motiv schien mir subtil und zugleich atmosphärisch genug
für Nera.
12. Military ist ein Bereich, der immer größer,
aber auch sehr
umstritten ist, da einige Künstler eher affirmativ sind. Wie stehst
du zu dieser Szene, was sind wichtige Formationen für dich? Deine
Musik klingt weniger affirmativ, mehr apokalyptisch. Siehst du wie Jünger
den Krieg als metaphysisches Prinzip? Oder ist auch das militärisch
ohne den Topoi Krieg denkbar, also als reiner Ästhetizimus?
Das ist natürlich die ewige Frage: Kann man Politik
und Aesthetik trennen? Ich denke es gibt einige Beispiele bei denen es
gelungen ist. Ich denke zudem nicht, dass die Frage sich für ROME
wirklich stellt, weil ich es vorziehe mein eigenes Bierchen zu brauen.
Ich spiele nicht derart mit gewissen Formen von Aesthetik, weil der Schuh’
mittlerweile recht durchgelatscht und abgelutscht ist. Es lenkt auch ab
und liefert immer wieder Ausreden für Inhaltslosigkeit. Provoziert
habe ich früher gern. Ich bin aber mittlerweile zu faul um auf jedes
Missverständnis mit Erklärungen und Besserwissereien zu reagieren.
Ausserdem habe ich früher viel Zeit mit solchen Diskussionen vergeudet,
bei denen es letztlich nur um Macht und das pflichtgemässe Bekennen
zu einem einzigen, unbedingten Wert, einem einzig richtigen Bestreben
geht. Bei derartigen Hahnenkämpfen findet weder Kommunikation, noch
ein Austausch von Ideen statt. Es bringt uns nicht weiter, sondern verhärtet
nur unnötige Fronten. Bei ROME geht es um ein bestimmtes Lebensgefühl,
das Interesse an Geschichte, an unserem gemeinsamen Schicksal. Es geht
um unsere Kultur, unsere Werte, unsere Ängste. Der Krieg ist hier
zum Teil lediglich das setting. Nur weil es bei uns jetzt 60 Jahre ruhig
war, und wir glauben hier passiert eh nix, verliert Krieg an sich doch
nicht an Bedeutung. Nothing is safe. Das Martialische Element bei ROME
muss man nicht immer explizit auf eine bestimmte Kriegssituation (und
auch nicht auf einen bestimmten Krieg) beziehen. Es geht allgemeiner um
die condition humaine, es geht um uns. Was macht der Krieg mit uns? Aus
uns? Lösungen liefert ROME auch nicht. Von daher würde ich dir
recht geben wenn du sagst, ROME ist eher apokalyptisch als affirmativ.
Da ich aber gerne die verschiedensten Blickwinkel einander gegenüberstelle,
ist es nicht zu leugnen, dass man in meiner Musik auch zum Teil eine eher
affirmative Haltung entdecken kann. Aber ich denke nicht, dass diese überwiegt.
Im Gegenteil. Was deine Frage zu den Bands angeht, so sind das, was dieses
Genre angeht, die üblichen Verdächtigen, ohne die es ROME wohl
in dieser Form auch nicht gäbe. Ich denke die hört man eh raus.
13. Ich würde behaupten, dass alle Bands auf CMI den
sogenannten "CMI-Touch" haben ... würdest du das auch für
ROME behaupten?
CMI-Bands haben in der Tat einen eignen touch. Das macht
ein gutes Label auch aus. Es ehrt mich auch sehr ein Teil davon geworden
zu sein. Es gibt den CMI-Sound. Das merkt man insbesondere auf deren Festivals.
Wobei es mittlerweile da auch ein paar Ausnahmen gibt. Ich denke ROME
liegt wie immer (da fühl ich mich eh am wohlsten) irgendwo dazwischen.
ROME-Songs zeugen, so denke ich zumindest, doch oft von einer inneren
Haltung, welche anderen CMI-acts nicht ganz fremd ist. Ich habe eine andere
Herangehensweise, aber im Kern bin ich nicht so weit von meinen Schwedischen
Kollegen entfernt. Ich motz’ das nur mit multilingualem Gehabe auf,
haha.
14. Gibt es bestimmte Einflüsse, literarische oder
filmische, die
prägend für ROME waren? ROME wirkt auf mich dekadent, sind die
Poets Maudits für dich wichtig?
Wichtig in dem Sinne nicht unbedingt, aber sicherlich eine
weitere Inspirationsquelle. Prägende Einflüsse gab es aus allen
Bereichen der Kunst: die Malerei der avantgardistischen Moderne, die Musik
der Futuristen, die Romane der decadence, die chansons der Belle-Epoque,
die Songs von Tom Waits, Leonard Cohen oder Nick Cave, die Klanglandschaften
von Bands wie Joy Division, die Märsche der Gründerzeit, die
Lautmalereien der Dadaisten, etc. Ich schätze das Medium Film auch
sehr. Manche Bands schaffen es einen Song wie einen Film wirken zu lassen.
Das möchte ich mit ROME auch schaffen. Deshalb benutze ich gerne
Samples, um den Inhalt der Songs zu erweitern oder auf mehrere Ebenen
zu verlagern.
15. "The Blade Unmasked": Bei dem Titel muss ich
an Mishima denken (Masken & Klingen). Ein Einfluss? Wovon handelt
das Stück?
Ich mag Mishima. Jedenfalls das Bisschen was ich von ihm
bisher gelesen habe. Bei dem Stück geht es um das Lossagen von den
sogenannten „corporate Gods“ welche unser Alltagsleben beherrschen.
Vom Inhalt her wohl nicht ganz Mishima, aber der Titel lässt solche
Verbindungen gerne zu.
16. Ein gewisser Anteil an Gothic ist zudem in deiner Musik
zu finden, mehr noch als auf "Berlin". Wie kam es zu diesem
stärkeren Gothic-Bezug und wie wird es weiter gehen mit ROME?
Ich habe das bisher nicht so sehr als Gothic gesehen. Ich
denke da kommt wohl wieder mein faible für Singer-Songwriter-Zeugs
zum Vorschein. Ich mag die verschiedensten Musikrichtungen. Was die Zukunft
angeht, so habe ich vor kurzem die Aufnahmen für das zweite Album
„Confessions d’un voleur d’âmes“ abgeschlossen.
Es ist etwas besonnener und ruhiger geworden. Konzerte sind auch geplant,
sowie einige Kollaborationen mit anderen Musikern. ROME hat noch nicht
alles gesagt, was es zu sagen hat.
17. Du hast bereits Konzerte angekündigt. Soll es auf
der Bühne ein bestimmtes Konzept geben, eine visuelle Unterstützung?
Ich habe vor kurzem jemanden gefunden der mir eine
visuelle Unterstützung für die Bühne liefern kann. Den
Rest muss ich mir noch aus den Fingern saugen. Ich hatte eigentlich nicht
damit gerechnet, dass gleich Leute für Konzerte anfragen. Aber ich
reise gern. Daran soll es nicht liegen.
Das Gespräch führte Martin Kreischer
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