Woyzeck

4 / 5 Sterne

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Anbieter: Kinowelt / Arthaus 2004
D 1979
Regie: Werner Herzog.
Bild: 1,66:1
Ton: Deutsch (Mono)
Bonus: Kurzfilm LA SUFFRIÈRE, Audiokommentar von Herzog und Laurens Straub, Biografien, Trailer

Unmittelbar im Anschluss an die äußerst aufwändigen Dreharbeiten des Gothic-Horrorfilms NOSFERATU drehte Werner Herzog erneut mit Klaus Kinski eine werkgetreue Verfilmung des Bühnenstückes "Woyzeck" von Georg Büchner. Dieses nur in Fragm,enten erhaltene Werk erzählt vom traurigen Schicksal des Infantristen Franz Woyzeck, der in einer kleinen Garnisonsstadt Mitte des 19. Jahrhunderts zum Opfer seiner Vorgesetzten wird, die ihn ausnutzen, sowie seiner Braut Marie (Eva Mattes), die ihn mit einem Tambourmajor betrügt. Um Maries uneheliches Kind zu ernähren, verdingt er sich an einen dubiosen Militärarzt, der eigenwillige Ernährungsexperimente an ihm testet.

Kinski spielt Woyzeck als eine sichtlich gequälte Kreatur, aufgerieben zwischen emotionaler Neigung, physischer Erschöpfung und ohnmächtiger Wut. Gedemütigt und betrogen, entwickelt sein Woyzeck schon bald neurotische Züge, die folgerichtig in den Mord an Marie münden. Gerade Kinski-Fans werden in den langen, oft unmontierten Einstellungen des Films viele Intensitäten des manischen Schauspielers entdecken können.

In seinem Kommentar erklärt Herzog, dass er die oft stehenden Einstellungen vor allem wählte, um den Schauspielern viel Raum zur Entfaltung ihrer Interpretationen zu geben. Die visuelle Gestaltung konzentriert sich auf die komplexe Lichtgestaltung, die den filmischen Raum oft in mehrere Zonen aufspaltet, die eine 'innere Montage' innerhalb des Bildkaders ermöglichen. Zugleich verleugnet der Film dabei nie seine Herkunft vom theatralen Schauspiel. Raffung und Dehnung von Zeit wird allerdings ausgibig eingesetzt: In der Exposition sehen wir Woyzeck in Zeitraffer exerzieren, während die zentrale Mordszene in wenigen, sehr langen Zeitlupeneinstellungen gedreht wurde und so äußerstz belastend wirkt. Erstmals stammt die begleitende Musik nicht von Ambientelektroniker Florian Fricke (Popol Vuh), sondern vom folkloristischen Fiedelquartett Telc und Vivaldi.

Herzog hat sich diesmal dazu entschieden, den Film nicht begleitend zu kommentieren, um die Dialoge nicht zu beeinträchtigen. Statt dessen wird er etwa 60 Minuten auf einer reinen Tonspur (zum Menübild) von Laurens Straub interviewt. Der Kommentar verdeutlicht einige der künstlerischen Entscheidungen, die originelle Besetzungsgeschichte und ermöglicht einen neuen Blick auf den Film, der in seiner radikalen Theatralik etwas nüchtern wirkt - vor allem im Vergleich mit den anderen Herzog-Kinski-Kooperationen.

Von großem Interesse ist der legendäre kurze Bonusfilm LA SUFFRIÈRE, in dem das Herzog-Team auf den scheinbar bevorstehenden Ausbruch des gleichnamigen Vulkans wartet, während sogar die Reptilien die Insel verlassen. Begleitet von Herzogs unnachahmlichem fatalistischem Kommentar verdeutlicht dieser Film mehr als viele andere die Idee einer "Eroberung des Nutzlosen". Der Vulkan schweigt, und zu faszinierenden Naturbildern hören wir Wagners Schicksalsthemen...

Mit dieser hervorragenden DVD-Präsentation, die deutlich spürbar unter dem Einfluss des Filmemachers entstand, setzt Kinowelt die Herzog-Kollektion fort. Bleibt zu hoffen, dass der hohe Standard bei den anstehenden Werken COBRA VERDE, STROSZEK, KASPAR HAUSER, AUCH ZWERGE HABEN KLEIN ANGEFANGEN, WO DIE GRÜNEN AMEISEN TRÄUMEN usw. beigehalten wird.

Marcus Stiglegger