INFERNO UNTER HEISSER SONNE Digipak limitiert auf 2000 Stück Mit dem Erfolg von Dario Argentos und Mario Bavas modernen Thrillern, die außerhalb Italiens als 'Giallo'-Thriller bekannt wurden - benannt nach einer bekannten italienische Krimi-Reihe - stellt sich die mediterrane Filmproduktion auf die serielle Herstellung von oft effektorientierten Genrefilmen ein. In Italien drehte man nach den Italowestern, Italian Gothic Horrorfilmen in den 1970er Jahren Polizeifilme, Mafiathriller, Erotikfilme, Mondo-Dokumentationen, Naziexploitation, Nonnenexploitation usw. Um sich zu unterscheiden, differenzierte man diese Störumungen weiter auf oder hybridisierte sie. Ein solcher Hybrid ist INFERNO UNTER HEISSER SONNE, 1972 gedreht von Edoardo Mulargia und Giampaolo Lomi. Anders als die meisten italienischen Giallo geht es hier nicht um einen Fremden in Italien, sondern um Italiener in der Fremde - genauer um ein Pärchen, dass in eine undurchschaubare Intrige verwickelt wird: Auf Haiti hat der renommierte Wissenschaftler Dr. Williams ein geheimnisvolles Serum entwickelt, dessen Wirkung etliche halbseidene Interessenten auf den Plan ruft. Zuerst versucht man es mit Geld und guten Worten, doch als sich der Doktor verweigert, müssen überzeugendere Argumente herhalten: Eine mysteriöse Mordserie erschüttert das Inselparadies. Die Polizei tappt im Dunkeln, und dann erscheint auch noch ein alter Bekannter von Williams auf der Bildfläche, der mit seiner Ehefrau ein paar Urlaubstage in der Karibik verbringen will. Bald treiben alle Beteiligten in einem Strudel aus Voodoo, Mord und nackter Haut auf eine tödliche Konfrontation zu, die wie ein Hurrikan durch die Palmen fegt. Um dieses überkonstruierte narrative Konstrukt ansprechend aufzubereiten, mischen die Regisseure Softerotik, Mondo-Dokumentation (in den Voodoo-Ritualen), Gangsterfilm und sporadische Horrormotive. Besetzt ist der Film mit Genreveteranen wie Anthony Steffen, Anita Strindberg und Gabriele Tinti. Nackte Haut und gewaltsame Körperauflösung ist somit garantiert. Dass am Ende nicht alles passt, liegt nicht - wird man gewahr - an den in der deutschen Fassung ursprünglich gekürzten Dialogszenen. Vielmehr funktioniert der Film eher auf dem performativen Level eines Exploitationfilms. Dass der Film heute Aufmerksamkeit verdient, liegt vor allem an den cinephilen Bemühungen des einzigartigen Labels Camera Obscura, das den Film in liebevoller Restauration anbietet, ergänzt durch ein Booklet von Christian Kessler, ein Interview mit Regisseur Giampaolo Lomi und dem italienischen Filmhistoriker Bruschini, der einen ganzen Audiokommentar in Windeseile ersetzt, indem er die wesentlichen Fakten zum Film rekapituliert. Interessant ist dabei die enorme Diskrepanz zwischen den Erinnerungen von Lomi, der sich als eigentlichen Regisseur darstellt, und Bruschini, der Lomi nur für die Mondoszenen verantwortlich macht. Lomis Aussagen über Haitis Diktator Papa Doc sowie seine Rolle bei den Dreharbeiten von ADDIO ZIO TOM von Jacopetti und Prosperi sind ebenso interessant wie streitbar. was bleibt, ist ein faszinierender Einblick in die schillernde Hochphase des italienischen Genrefilms... Marcus Stiglegger |
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