Medienethik des Films III

Der schmale Grat zwischen Mondo- und Essayfilm

Killing of America von Sheldon Renan und Leonard Schrader

Von Nils Ehring


Während der Achtziger Jahre in den USA war der Traum vom großen Geld für viele zum Greifen nah. Diese Wunschvorstellung zerplatzte allerdings an der wirtschaftlichen Lage. Es war „ein Jahrzehnt in dem der Yuppie-Wahn und die unzähligen Aufstiegsträume in der Rezession zerkrachten. Man fühlte sich sozial und wirtschaftlich höchst verunsichert.“(1)

Der Autor Bret Easton Ellis beschreibt die Lage der Nation anhand eines Individuums in seinem Roman American Psycho. Die Hauptfigur des Buches mit dem Namen Patrick Bateman ist Bestandteil der in diesem Jahrzehnt aufkommenden Yuppie-Kultur. Niemand erkennt, dass sich hinter dieser wirtschaftlich erfolgreichen Person ein Serienmörder verbirgt. Der Protagonist mit zutiefst antagonistischen Zügen beschreibt sich selbst folgendermaßen: „Mein Ich ist künstlich, eine Anomalie. Ich bin ein unkontingentes menschliches Wesen. Meine Persönlichkeit ist rudimentär und ungeformt, meine Herzlosigkeit geht tief und ist gefestigt[…] Niemand ist sicher, nichts ist gesühnt.“(2) Diese Erkenntnis spiegelt die gewinnorientierte und gefühlskalte Mentalität der amerikanischen Gesellschaft in jener Zeit wider. Gleichzeitig beschreibt sie die heillose Suche der Amerikaner nach Sicherheit. Bateman verkörpert den amerikanischen Drang nach Freiheit und Erfolg, er geht dafür sogar über Leichen.

Wie stark dieses Verlangen verbunden ist mit dem plötzlichen Ausbruch von Gewalt, weist der Film Killing of America auf. Er präsentiert uns die dunklen Seiten des American way of life, indem er aufzeigt, dass der amerikanische Traum und dessen Ikonen durch Gewaltakte zerstört werden. Bereits der Titel des Films impliziert diese thematische Herangehensweise. Killing of America ist natürlich ein Produkt seiner Zeit, geschaffen für einen Videomarkt, der immer neue reißerische Dokumentationen über Gewalt hervorbrachte. Der Film gelangte über Umwege nach England und in andere Länder Europas. Ursprünglich war er nur für den japanischen Markt als kommerzielles Sensationsprodukt vorgesehen. In den USA ist er gänzlich unbekannt. Was ihn besonders von anderen exploitativen Mondo-Filmen unterscheidet ist seine reaktionäre, ideologische und humanistische Botschaft. Doch auch die Ästhetik des Films und sein Umgang mit unterschiedlichem Archivmaterial differenzieren ihn von diesem Genre. Er ist zwar Bestandteil dieser Filmgattung, da er für diesen sensationsgierigen Markt geschaffen wurde, verwendet unter ästhetischen Gesichtspunkten allerdings essayistische Techniken. Killing of America vollzieht somit eine Grätsche zwischen exploitativem Mondo-Film und dem Essayfilm. Das Aufzeigen dieser Gratwanderung zwischen den beiden Filmgattungen soll Thema dieser Arbeit sein.
Zunächst werde ich einen kurzen Einblick in die Welt der Mondo-Filme gewähren. Dabei soll der Begriff genauer erklärt werden und ästhetische Vorgehensweisen dieses Genres dargelegt werden. Dies erscheint mir wichtig, da Killing of America ein Produkt darstellt, das für den Mondo-Markt produziert wurde.

Im darauf folgenden Kapitel werde ich mich besonders mit dem Essayfilm auseinandersetzen und genauer erläutern, was ihn gerade unter ästhetischen Gesichtspunkten vom Dokumentarfilm unterscheidet. Der zweite größere Teil der Arbeit befasst sich dann explizit mit Killing of America. Hierbei geht es besonders um die angewandten Techniken der vorher behandelten verschiedenen Filmgattungen. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei der Darstellung von Gewalt innerhalb des Films und dem essayistischen Umgang mit Archivmaterial. Außerdem sollen in diesem Abschnitt der Arbeit die einzelnen narrativen Ebenen von Killing of America genauer erläutert werden.

Das Mondo Genre

„Es ist die Lust eines dumpfen, animalischen Überlegenheitsgefühls, daß wir da auf dem Film den Dingen endlich in die Augen sehen können, vor denen wir immer die Augen schließen, wenn sie in Wirklichkeit erscheinen.“(3)

Der Filmtheoretiker Bela Balazs wies bereits im Jahre 1924 auf die Lust des Kinopublikums nach sensationellen und schockierenden Bildern hin. Die Zuschauer konnten auf der Leinwand endlich das sehen, was sie in der Realität nicht sehen wollten. Bereits in den frühen Zeiten des Films gab es Aufnahmen von erschreckenden Ereignissen, gerade die vor den Hauptattraktionen gezeigten Newsreel Serien beinhalteten gewaltvolle Bilder. Die Wurzeln des Mondo-Films liegen bereits in der frühen Blütezeit des Kinos:

„The mondo film has roots throughout the history of cinema. Almost as soon as the medium of moving pictures was established. Thomas Edison was filming An Execution by Hanging and individuals unknown were producing the first hardcore sex reel towards the end of the 1890s.”(4)

Das Mondo Genre hat seinen Ursprung in Italien. Erster Film und Namensgeber dieser Filmgattung war Mondo Cane, was übersetzt so viel wie Hundewelt bedeutet, aus dem Jahre 1962. Das Werk von Gualtiero Jacopetti und Franco Prosperi betrachtet auf pseudo-dokumentarische Art und Weise die angeblichen Unterschiede zwischen Urvölkern und dem zivilisierten Menschen. Dabei kristallisiert sich im Verlauf von Mondo Cane heraus, dass der moderne Mensch trotz seines technischen Fortschritts in seinem Verhalten ein instinktgesteuertes Tier geblieben ist. Diese misanthrope Ansicht gipfelt im Text auf dem Cover der deutschen Videokassette: „Das grausamste Tier: Der Mensch.“(5) Der zynische Kommentar des Films unterstreicht diese These. Die Rituale und Verhaltensweisen der unterschiedlichen Stämme wirken dokumentarisch und suggerieren ein bizarres, aber dennoch idyllisches Leben. Die Betrachtungen des zivilisierten Menschen, die der Film präsentiert, wirken hingegen extrem artifiziell und inszeniert. Mondo Cane war so ausgelegt, dass die präsentierten Aufnahmen das Publikum erschütterten. Bald begann man, die exploitativen Filme des Genres als Shockumentaries zu bezeichnen. Es handelt sich also um Werke, die aufgemacht sind wie seriöse Dokumentarfilme, allerdings hauptsächlich die Zuschauer schockieren wollen. Die Szenen des ersten Mondo-Films sind im Vergleich zu späteren Produktionen noch sehr milde und nicht besonders auf die explizite Darstellung von Gewalt und Tod ausgerichtet. Dennoch war Mondo Cane ein Wegbereiter für dieses Genre:

„Dieser bizarre Film beinhaltet im Gegensatz zu späteren Mondo Filmen noch keinerlei menschliche Todes- respektive Ermordungsszenen, stieß aber durch seine pseudo-dokumentarische Art auch diesen Darstellungen, welche den Ansatz des Films lediglich weiterführten, die Tür auf.“(6)

Der Film offenbarte bereits, was typisch für spätere Mondo-Werke werden sollte. Die manipulativen Elemente überwiegen, es gibt kaum Informationen für den Zuschauer. Häufig waren die Filme so aufgebaut, dass sie ein ethnologisches Interesse suggerierten. Produktionen wie Africa Ama oder Brutes and Savages gaukelten ein kulturelles Interesse vor, um schockierende Bilder von Ritualen unterschiedlicher Stämme zu präsentieren.

Die Mondo-Filme waren ausgelegt für ein Publikum, welches gierig war nach neuen schockierenden Sensationen: „Wenn Du geschockt werden willst, dann können wir das für dich tun – so lautete das Credo der Produzenten von Mondo-Filmen.“(7) Es schien die Zuschauer nicht zu stören, dass ein Großteil der Szenen, wie zum Beispiel bei der Reihe Gesichter des Todes, von Special Effects Teams inszeniert wurden. Für viele waren die auf Zelluloid gebannten Ereignisse wahr. Eine wackelige Kamera und subjektive Perspektiven täuschten Authentizität vor. Häufig wurden die gezeigten Geschehnisse von polemischen und zum Teil extrem zynischen Kommentaren begleitet.

Gegen Ende der Siebziger Jahre fand ein Wechsel innerhalb des Genres statt. Das Publikum hatte über die Jahre hinweg einen geschulteren Blick im Bereich der Special Effects entwickelt. Die Zuschauer erkannten leichter, was echt und was inszeniert war. Also griffen die Mondo-Filme immer mehr auf authentisches Archivmaterial zurück. Aufnahmen von Obduktionen, Autounfällen, Massakern, Hinrichtungen und Tierschlachtungen bildeten den Nukleus dieser Filmgattung. In diese neue Art der Mondo-Filme reiht sich auch Killing of America ein. Im Gegensatz zu vielen anderen Werken dieser Zeit, wie zum Beispiel True Gore oder Video Violence, offerierte er allerdings keine bloße Aneinanderreihung von Ermordungen und Todesopfern. Die modernen Mondo-Werke und das Material, auf welches sie zurückgreifen, beschreibt Mikita Brottman in einem Aufsatz über dieses Genre wie folgt: „The mondo films of the past two decades […] are composed of unedited police and news camera footage too graphic to be shown on television.“(8)

Der Mondo-Film ist in seiner spezifischen Ästhetik abgegrenzt zum gängigen Horrorfilm oder Splatterfilm zu betrachten. Dennoch steht er in gewisser Weise im Bezug zum Horrorfilm, er stellt eine Tabuzone dieses Genres dar: „In its focus solely on the moment of real human death, the mondo movie is the hidden version of the mainstream horror film.“(9) Diese tabubrechenden Filme stellen somit eine konsequente Fortführung des Horrorgenres in Richtung Authentizität dar.

Heute ist der Mondo-Markt hauptsächlich nur noch im Untergrund zu Hause, abgesehen von einigen Veröffentlichungen auf DVD, die auf Filmsammlerbörsen unter den Tischen gehandelt werden. Das Internet bietet völlig neue Zugangsmöglichkeiten zu Bildern des Todes. Die für alle Nutzer zugängigen Exekutionen ausländischer Journalisten im Irak und Afghanistan stellen nur einen Bruchteil der Fülle an Videos dar, die im Internet verfügbar sind.

Der Essayfilm

Schlägt man den Begriff essay in einem englischen Wörterbuch nach, findet sich dort folgende Erläuterung: „essay: try (something); attempt; essay a task.“(10) Diese Beschreibung erläutert den Terminus vor allem bezogen auf den literarischen Essay. Es handelt sich dabei also um den Versuch eines Autors, sich einem bestimmten Themenkomplex auf verschiedene Weisen zu nähern. Die unterschiedlichen Gattungen der Literatur werden dabei vermischt und auch wissenschaftliche Textformen werden angewandt.

Moderne Beispiele für diese essayistische Literatur stellen die beiden Bücher Ausweitung der Kampfzone und Elementarteilchen von Michel Houellebecq dar. In beiden Werken verschmelzen die fiktiven Formen des Romans mit wissenschaftlichen Auseinandersetzungen aus der Soziologie, Biologie und der Physik. Der Autor bezieht diese methodischen Ansätze auf Situationen des Alltags und offeriert dem Leser somit neue und andere Betrachtungsmöglichkeiten der Ereignisse. Die essayistischen Romane von Houellebecq unterscheiden sich dadurch von handlungsbetonten Werken der Literatur, sie präsentieren eine zutiefst subjektive Betrachtung der Gegenwart und der Vergangenheit.

Ähnlich der Herangehensweise in der essayistischen Literatur, stellt auch der Essayfilm einen Versuch dar, sich komplexen Zusammenhängen auf subjektive Art und Weise zu nähern. Diese Subjektivität wohnt dieser Gattung von Film inne, sie ist „eines der zentralen Schlagworte der filmwissenschaftlichen Diskussion um den Essayfilm.“(11) Der Essayfilm unterscheidet sich vom Spielfilm, da er nicht einer stringenten nachvollziehbaren Narration folgt, er ist weit entfernt vom Erzählkino. Außerdem steht er nicht im Bezug zur Tradition des Dokumentarfilms, „da er auf eine stringent argumentative Abfolge mit Beweischarakter verzichtet.“(12) Dennoch bedient der Essayfilm sich bei Spiel- und Dokumentarfilm, er greift häufig auf ihr Material zurück, setzt es allerdings in einen anderen übergeordneten Kontext. Unterschiedliche Bruchstücke werden dabei zu etwas neuem streng subjektiven Ganzem. Der Zuschauer steht dabei im Mittelpunkt, er ist gefordert, aus dem scheinbar unkausalen einen kausalen Zusammenhang zu entwickeln:

„Ein Essayfilm muss fragmentarisch sein und darf nicht eine geschlossene Einheit bilden, damit dem Zuschauer dramaturgisch eine Funktion eingeräumt wird, die über das passive Rezipieren hinausgeht. Der Essayfilm lebt aus dem Fragmentarischen, und zu diesem Leben braucht er den Zuschauer.“(13)

Diese Gattung des Films stellt den Betrachter also nicht vor fertige Tatsachen zur einfachen Rezeption, sondern eine Struktur, kausale Zusammenhänge und gewisse Bedeutungen evoziert der Zuschauer selbst. Seine aktive Mitarbeit ist von großer Bedeutung. Dennoch bleiben „Inseln des Narrativen zurück: abgrenzbare Sequenzen oder Elemente, die in sich einheitlich sind.“(14) Auch Killing of America weist einzelne voneinander thematisch abgegrenzte Bereiche auf, die erst bei genauerer Betrachtung ursächliche Zusammenhänge ergeben und in sich schlüssig erscheinen. Das betrachtende Subjekt ist dem Essayfilm also nicht bloß ausgeliefert und wird mit einer zusammenhanglosen Bilderflut konfrontiert. Der Regisseur gibt eine gewisse Richtung vor, dies geschieht auf subtilere Weise als im Dokumentarfilm. Der Essayfilm „gibt die Perspektive vor, unter der die Dinge und Ereignisse betrachtet werden.“(15)

Er bezieht sich dabei nicht ausschließlich auf vorgefertigtes Material, Ereignisse werden vom Filmemacher dokumentiert oder sogar inszeniert. Außerdem bedient der Essayfilm sich auch bei anderen Kunstformen, die Verbindungen zwischen den verschiedenen Ebenen schaffen, zum Beispiel greift er häufig auf Literatur zurück oder verwendet zeitgenössische Musik. Er stellt somit ein Konglomerat aus unterschiedlichen künstlerischen, aber auch wissenschaftlichen Bereichen dar. Er ist ein zutiefst subjektives Kunstwerk, das durch die Aneinanderreihung und Manipulation der ausgewählten Fragmente durch den Regisseur besonders am Schneidetisch seine Form erhält. Erst durch die individuelle Sinnsuche bei der Rezeption des Films durch den Zuschauer entsteht eine Struktur.

Über den Regisseur und die Autoren

Im Vorspann des Films wird ein gewisser Sheldon Renan als Regisseur angegeben. Er schreibt und lehrt über die Geschichte des Experimentalfilms. Außerdem ist er Gründer und Vorsitzender des Pacific Film Archives. Das Drehbuch des Films stammt von Leonard Schrader und seiner Frau Chieko. Er ist der Bruder von Paul Schrader, einem bekannten Drehbuchautor, Regisseur und Filmtheoretiker. Leonard Schrader schrieb unter anderem das Drehbuch zu Sydney Pollacks Yakuza und zu dem von seinem Bruder realisierten Film Mishima. Er lebt in Japan und kennt sich mit der dortigen Kultur und den sozialen Verhältnissen des Landes genau aus. Er wurde geboren in Grand Rapids im Bundesstaat Michigan. „Seine Familie ist holländischer Abstammung. Von jeher ist sie streng calvinistisch geprägt. Diese Religion schreibt ihren Gläubigen vor, sich weder Alkohol noch Nikotin, weder Tanz noch Kino zu gestatten.“(16) 1968 machte er seinen Abschluss an der Universität von Iowa. Darauf begab er sich nach Japan, wo er begann, amerikanische Literatur an der Universität von Kyoto zu unterrichten. In Schraders Familie waren Waffen Bestandteil des Alltags: „My uncles all had hunting guns and dogs. They went bird hunting, deer hunting. I was always afraid of them, because they made the possibility of suicide too easy when I was young.”(17) Bereits in jungen Jahren entwickelte er eine Abneigung gegenüber Schusswaffen. Sie waren für ihn, wie für die meisten amerikanischen Kinder, Teil der familiären Umgebung. Auch wenn Renan als Regisseur des Films genannt wird, so kann der final cut von Schrader zusammen mit Lee Percy mindestens als Co-Regie gewertet werden: „Schrader insists that most of Renans footage was unusable and the final cut was all his work.“(18) Um Filmmaterial zu sammeln bereiste Schrader das gesamte Land. Er kaufte das Material von Fernsehstationen und dubiosen Sammlern.

Der Prolog des Films

Bereits zu Beginn des Films wird dem Zuschauer eine Texteinblendung präsentiert, die darauf hinweist, dass das gezeigte Material echt ist und nicht inszeniert wurde. Es wird also keine Authentizität suggeriert sondern reale Ereignisse werden gezeigt. Hier lassen sich auch Parallelen zu anderen Mondo-Filmen erkennen. Die Werke dieses Genres wiesen häufig auf die Echtheit des gezeigten Materials hin. Dadurch wird deutlich, dass der Mondo-Film noch einen Schritt weiter geht als der fiktive Horrorfilm. Hier klingt häufig an, dass die dargestellten Geschehnisse auf realen Fakten basieren. Dies ist zum Beispiel so bei dem Film Deranged von Jeff Gillen, der auf den schockierenden Fall von Ed Gein zurückgeht.

Es folgt eine Schwarzblende, aus dem Off erklingt die Stimme eines Polizisten: „Drop the gun!“ Killing of America etabliert hier bereits die Botschaft des Films: der Wunsch nach einer größeren Kontrolle von Schusswaffen. Ironischerweise geschieht dies in den USA wiederum mit verstärkter Waffengewalt. Der Film präsentiert uns dann die Szenerie, zu welcher der O-Ton des Officers gehört. Zwei Polizisten erschießen einen Verdächtigen, der sich weigert, seine Pistole fallen zu lassen. Die Konturen des Bildes verschwimmen, so als würde jemand die Tracking Funktion des Videorekorders bedienen. Dies weist auf den reflexiven Umgang des Films mit dem Medium hin, für das er geschaffen wurde. Von dieser Mikroebene wechselt Killing of America auf eine Makroebene. Wir erblicken die Skyline einer Großstadt, gefilmt aus einem Helikopter. Der Film springt nun zwischen den beiden Ebenen hin und her. Die Luftaufnahmen wechseln sich ab mit dokumentarischen Szenen von den Straßen der Stadt, die teilweise aus dem Auto aufgezeichnet wurden. Gerade in diesen Einstellungen werden Erinnerungen an Taxi Driver wach. Der urbane Raum wird hier etabliert als ein Ort der Armut und als Treffpunkt sonderbarer Gestalten. Blinkende Lichter und Werbezeichen präsentieren die Stadt als ein „Vieleck aus Zeichen, Medien und Codes.“(19) Der Film legt ein hohes Tempo vor. Die Montage ist sehr schnell, der Zuschauer wird von Bildern und Informationen überflutet. Erste Statistiken und Kommentare von Polizisten und Politikern werden dargelegt. Diese Szenen sind gepaart mit Aufnahmen von Obduktionen, Leichen, und Schießereien zwischen Tätern und Polizisten. Besonders interessant innerhalb dieser Sequenz ist eine Montage. Die Kamera fährt an aufgebahrten Leichen entlang, darauf folgt eine Kamerafahrt die eine große Anzahl von Schusswaffen präsentiert. Durch die Montage wird hier das Prinzip von Ursache und Wirkung umgedreht. Zuerst werden uns die Opfer gezeigt und dann die Instrumente zum Töten.
Amerika wird im Prolog des Films dargestellt als eine gewalt- und waffenliebende Nation, deren blutige Geschichte bereits in den Gründerzeiten liegt. Der Regisseur vermischt selbstgedrehtes Material mit Archivmaterial, gibt diesem allerdings eine subjektive Note durch die Montage und den nüchternen Kommentar, der zwar sehr sachlich wirkt, dennoch aber eine große Suggestivkraft besitzt. Bereits zu Beginn von Killing of America werden diese essayistischen Tendenzen offensichtlich. Sie fallen besonders auf in der expliziten Auseinandersetzung mit dem Attentat auf Ronald Reagan.

Die Aufzeichnungen vom Reagan Attentat werden innerhalb des Films seziert. Der Zuschauer wird zum Zeugen des Ereignisses. Er hört die aus dem Off erklingenden Schüsse, die den Präsidenten und seine Beschützer treffen. Der Regisseur lässt den Film in dieser Sequenz in Zeitlupe ablaufen und hält das Bild in wichtigen Momenten an, sogar die Schusswaffe wird markiert. Durch diese manipulativen und essayistischen Elemente wird der Betrachter zu einem Teil des Geschehens, so als stünde er in der Szenerie. Gerade durch die Langsamkeit der Bilder erlangt er eine allwissende Position. Schrader vermischt hier die Aufnahmen mit bekannten Fotografien des Attentats.
Killing of America konfrontiert das Publikum nun für einen kurzen Augenblick mit einem anderen Amerika. Er zeigt uns bekannte Aufnahmen der Nation aus den Fünfziger und Sechziger Jahren. Wieder vermischt er Fotografien und verschiedenes Filmmaterial, zeigt uns den damaligen Präsidenten Dwight David Eisenhower, eine feiernde Gesellschaft und die Ikonen dieser Epoche wie James Dean und Elvis Presley. In wenigen Bildern vermittelt der Regisseur das Bild einer wohlhabenden und erfolgreichen Nation. Dieses Hoch durchbricht er allerdings wieder mit Aufzeichnungen von rassistischen Gewaltakten aus jener Zeit. Der Film weist damit auf die Koexistenz zweier unterschiedlicher Seiten von Amerika hin und verdeutlicht dies auch durch den Kommentar: „They now exist side by side. America the beautiful and America the violent.“ Der wahre Wendepunkt zu dieser Koexistenz liegt für Schrader in einem bestimmten Datum: der 22. November 1963. Der Tag an dem John F. Kennedy ermordet wurde.

Das Attentat auf John F. Kennedy und seine Folgen

„Probably the most prominent death footage of alltime is that depicting the assassination of President John F. Kennedy. Re-run countless times in documentaries and feature films, and now available on CD-Rom, the sequence is one of the most graphic and detailed murders on record.”(20)

David Kerekes und David Slater beschreiben hier sehr genau den hohen Bekanntheitsgrad der von Schrader benutzten Sequenz. Sie ist Bestandteil zahlreicher spekulativer Dokumentationen über das Attentat. Dieses Ereignis führte zur Traumatisierung einer ganzen Nation, es repräsentiert den Inbegriff der Zerstörung des amerikanischen Traums. Es bedeutete aber auch einen revolutionären Wandel der Medienreflektion des amerikanischen Volkes. Zwar wurde der Besuch Kennedys in Dallas und die Ermordung nicht live im Fernsehen übertragen, aber Millionen von Zuhörern wurden Zeugen des Attentats durch die Radioübertragung der Ereignisse. Dies führte zur ersten großen medialen Traumatisierung der amerikanischen Nation. Der Erschießung Kennedys widmet der Regisseur sich besonders, sie hat eine Schlüsselfunktion innerhalb des Films. Schrader sieht in den Geschehnissen dieses Tages den Ursprung für den enormen Anstieg der Mordraten in den USA:

„Maybe the social fabric was ripped or there was a sense that anybody can be killed and the old rules don´t apply anymore. There´s a lot of posibilities if you want to speculate, but if you look at the statistics, it´s pretty clear the assassination of Kennedy radically changed murder in America.”(21)

Der Film rekapituliert auf präzise Art und Weise die Ereignisse an diesem 22. November. Mit Hilfe von genauen Zeitangaben und Archivmaterial seziert Killing of America die einzelnen Begebenheiten des Tages. Wieder wird die Geschwindigkeit der Bildabfolge manipuliert. Das weltweit bekannte Archivmaterial wird ergänzt durch nachgedrehte Aufnahmen vom Ort des Geschehens. Auch die erst 1979 von einer Untersuchungskommission geäußerte These, dass es noch einen zweiten Attentäter gegeben hat, greift der Film auf. Wieder werden in dieser Sequenz unterschiedliche Medien vermischt. Dem Betrachter werden Filmaufnahmen, Fotografien und der Live Report aus dem Radio präsentiert. Durch diese mediale Ansammlung wird der Zuschauer in die Geschehnisse hineingezogen, wird zum allwissenden Zeugen. In dieser Sequenz wird besonders der chronologische Ablauf erkennbar. Zuerst konfrontiert uns der Film mit der Aktion, dem Attentat, und dann präsentiert er uns die Reaktion, das Traumata der Amerikaner und das Attentat auf Lee Harvey Oswald. Die Musik in diesem Teil von Killing of America ist zutiefst emotionalisierend und pathetisch gestaltet.

Die Erschießung des Täters Oswald ist ähnlich in der Montage manipuliert wie in den beiden vorangehenden Attentaten. Sie spielt im Kontext des Films eine geringe Rolle, hatte aber große Folgen für die Rezeption von realer Gewalt der amerikanischen Fernsehzuschauer. Die Nation war geschockt und eingeschüchtert durch das, was sie auf dem Bildschirm sah. Der Komiker Denis Leary beschrieb diese Situation folgendermaßen:

“We watched Lee Harvey Oswald get shot live on TV one Sunday morning, we were afraid to change the fucking channel fort the next thirty years. Hang on, someone might get shot during a commercial!”(22)

Der Komiker spricht hier nicht nur die schockierende Wirkung der Live Übertragung an, sondern besonders die daraus resultierende Gier der Amerikaner nach live ausgestrahlten gewaltvollen Ereignissen. So wurden zum Beispiel die Rassenunruhen nach der Erschießung von Martin Luther King oder die Aufstände in Los Angeles in den Neunziger Jahren live übertragen. Das amerikanische Fernsehen ist voll von realen Bildern der Gewalt. Sendungen werden mittlerweile unterbrochen, um Schießereien oder Verfolgungsjagden live zu zeigen. Die voyeuristische Ader des amerikanischen Fernsehzuschauers hat ihren Ursprung in der Live-Übertragung des Mordes an Lee Harvey Oswald.

Killing of America setzt sich nun weiter mit historischen Ereignissen auseinander. Dies geschieht auf der Grundlage der chronologischen Abfolge von Ursache und Wirkung. Bilder aus Vietnam werden kombiniert mit Aufnahmen der Demonstrationen gegen den Krieg. Der Film zeigt hier deutlich einen Kreislauf der Gewalt. Das Ganze ist unterlegt mit einem der bekanntesten Lieder der damaligen Hippie-Bewegung: For what it´s worth von Buffalo Springfield. Der Song beschreibt die in der Nation verbreitete Konfusion. Auch dem Film gelingt es hier, die Anspannung des Landes während des Vietnamkrieges darzustellen. Die Bilder der Gefechte und speziell die Erschießung eines vietnamesischen Verdächtigen durch General Loan, stellt der Regisseur in einen direkten Bezug zu den gewalttätigen Demonstrationen im eigenen Land. Die Aufnahmen der Kriegsberichterstatter aus Vietnam waren ausschlaggebend für die Aufmärsche der Friedensbewegung. Zum ersten Mal in der amerikanischen Geschichte vermittelten die Bilder eines Krieges eine brutale und unbarmherzige Armee. Seit diesem Krieg werden die Berichterstatter aus Krisengebieten strengstens kontrolliert. Die nächste Ebene des Films setzt sich mit Attentaten auf Kandidaten der Wahl zum amerikanischen Präsidenten auseinander. Killing of America macht hier deutlich, dass nicht mehr das politische Programm der verschiedenen Kandidaten für die Wahl entscheidend ist, sondern die Attentate auf die Politiker. Darauf befasst der Film sich mit einem besonders grausamen Aspekt der amerikanischen Gesellschaft, den Serienkillern und Massenmördern.

 

Serienkiller und Massenmörder

„Es scheint als gäbe es eine speziell amerikanische Tradition von irrationalen Gewalttätern.“(23)

Gerade in Amerika taucht das schockierende Phänomen des Massenmörders immer wieder auf. Diese Tatsache steht sicherlich in enger Verbindung zur Allgegenwärtigkeit von Schusswaffen in den USA. Auch diese These vertritt der Film anhand verschiedener Statistiken. Die Täter repräsentieren einen Aufschrei und ein störendes Element in der nach außen hin funktionierenden amerikanischen Gesellschaft, sowohl Serienkiller als auch „Amokläufer sind der Riss im gesellschaftlichen Gewebe. Das unberechenbare Sandkorn im vernunftbestimmten Systemgetriebe“(24). Der Massenmörder unterscheidet sich vom Serienkiller. Joel Norris zeigt diese Differenz in seinem Buch Serial Killers: „Even mass murders differ fundamentally fom serial killers. First mass murders are almost always caught by the Police [...] They differ from the serial killer in that they have a more tenuous camouflage of normalcy.”(25) Das Auftauchen der Massenmörder innerhalb der amerikanischen Gesellschaft ist auch Thema von Killing of America. Wieder leitet Schrader den Anstieg der Massenmorde vom Attentat auf John F. Kennedy ab. Den Anstieg der Mordraten während der Sechziger Jahre beschreibt auch Joel Norris: „Since 1960 not only have the number of individual serial killers increased but so have the number of victims per killer and the level of savagery of the individual crimes themselves.”(26) Zunächst widmet sich der Film einer bestimmten Gattung des Massenmörders, den Scharfschützen. Sie stellen eine besondere Form dar, da ihre gezielten Morde häufig aus einem Versteck erfolgen, dies erlaubt ein scheinbar anonymes Vorgehen. Der Täter steht dabei nicht in direktem Augenkontakt zu seinen Opfern, er kann quasi ungehemmter agieren.
Zuerst wird der Fall Whittmann aufgerollt, der auch Inspirationsquelle für den Film Targets war. Wieder wird eigens gedrehtes Material kombiniert mit einzelnen Fotos des Tatorts und des Täters. Ebenso werden Live-Aufnahmen des Fernsehens benutzt. Die Darstellung ist nicht exploitativ gestaltet, dem Zuschauer werden hingegen Informationen und Tatsachen präsentiert. Innerhalb der Sequenz wird deutlich, dass die Täter diese Morde nicht immer grundlos vollziehen. Oft geschehen die Taten aus politischer Überzeugung oder aufgrund einer verrückten Ideologie. In diesen Bereich fallen auch die brutalen Taten von Männern wie Charles Berkowitz, Charles Manson, oder Jim Jones. Killing of America zeigt in dieser Ebene auf, dass der Waffenmissbrauch häufig in enger Verbindung zur Durchsetzung von Ideologien oder individuellen Wünschen steht. Die Täter missbrauchen indirekt das 2nd Amendment der Bill of Rights. Gerade in dieser Ebene des Films fällt der essayistische manipulative Umgang mit Fotografien auf. Oft werden die einzelnen Fotos unterschiedlich koloriert präsentiert, zum Beispiel rot oder orange. Innerhalb der Montage werden die Lichtbilder übereinander gelegt. Im Falle von Ted Bundy wird somit der Täter gepaart mit seinen Opfern präsentiert. Die unterschiedlichen Fotografien fungieren besonders als einfache Zeitdokumente, die in den Rahmen der Handlung integriert werden. Häufig zoomt die Kamera von den Augen des Täters zurück auf das gesamte Foto, der Zuschauer erhascht einen kurzen oberflächlichen Blick in die Seele, bevor er die gesamte Physiognomie erblickt. Auch wenn der Film zu Beginn einen chronologischen Ablauf entwickelt, so wird der spätere Teil immer sprunghafter und fragmentarischer. Dadurch entsteht für den Betrachter das Bild einer Nation, die unaufhaltsam auf einen Strudel der Gewalt zusteuert, aus dem es kein Entkommen gibt. Innerhalb der Serienmörder-Ebene kehrt Killing of America noch einmal zur Atmo-Sequenz vom Anfang zurück. Wieder präsentiert der Film Dokumentaraufnahmen von gewalt- und verbrechensverseuchten Straßen. Junge Frauen und Männer prostituieren sich und erzählen von ihren Erlebnissen. Der Zuschauer wird konfrontiert mit Schlägereien und Fotos von Mordopfern auf offener Straße. Hier entsteht ein Bild einer jungen Generation, für die Gewalt Bestandteil ihrer Umwelt und ihres Alltags ist. Die Ebene endet mit einem Interview mit dem Serienmörder Ed Kemper. Innerhalb des Gesprächs schließt Kemper mit folgender Aussage: „I am a human being and I killed human beings. I did it in my society.“ Er verweist damit auf die Ursache seiner Taten, auf seine eigene gescheiterte Existenz innerhalb der amerikanischen Gesellschaft. Er ist ein Produkt seiner Umgebung und kann nicht separat davon betrachtet werden. Killing of America verlässt diese Ebene mit weiteren Aufnahmen von Schießereien auf offener Straße. Der Kommentator transportiert mit einer rhetorischen Frage die Hauptaussage des Films: der amerikanische Traum wird zerbrechen, wenn es keinen kontrollierten Umgang mit Schusswaffen gibt.

Epilog des Films

Der Film schließt mit der Erschießung von John Lennon, einer Ikone des Pazifismus. Diese Sequenz stellt einen enormen Gegensatz zum Rest des Films dar, sie ist extrem in die Länge gezogen und pathetisch. Während wir die trauernde Gruppe der Fans bei der Gedenkfeier erblicken, ertönt das Lied Imagine von John Lennon. Es repräsentiert den Inbegriff des unerfüllbaren Ideals einer in Frieden lebenden Gesellschaft. Die letzte Einstellung zeigt eine im Wind wehende amerikanische Flagge. Der Film stoppt bei diesem Bild, die Flagge verfärbt sich schwarz-weiß. Die Botschaft dieser Aufnahme ist eindeutig. Der Traum von Freiheit und Frieden verblasst, er scheint unerreichbar, die Morde gehen weiter, dies berichtet auch der Kommentator. Er weist darauf hin, dass während der Gedenkfeier zwei Menschen starben und fünf weitere ums Leben kamen während der Zuschauer den Film sah. Hier wird die zutiefst pessimistische Sicht auf die amerikanische Gesellschaft deutlich. Es gibt keine Hoffnung mehr für Amerika. Diese letzte Einstellung ist angelehnt an ein Foto von Robert Mapplethorpe. Er fotografierte 1977 eine zerfetzte Flagge der amerikanischen Kriegsveteranen. Das Bild trägt den Namen American Flag.

In vielen Kritiken zum Film im Internet wird gerade dieser Epilog als negativ beschrieben. So wird diese Ebene zum Beispiel als nicht passend für den Film beschrieben: „This footage seems out of place with the rest of the film.“(27)

In einem weiteren Artikel berichtet Schrader wie folgt über die Endsequenz: „Schrader hints that he would like to change the ending. The financiers insisted he rounded up the movie off with something that wasn´t murder.”(28) Das an diesem Ende des Films etwas positives ist lässt sich in keiner Weise nachvollziehen. Die Tatsache, dass während der Gedenkfeier und während der Zuschauer den Film betrachtete Menschen ermordet wurden, ist zutiefst pessimistisch. Der Film baut im Publikum ein Gefühl von Hoffnung durch emotional aufgeladene Bilder innerhalb der letzten Sequenz auf, um ihm am Ende einen Schlag in die Magengrube zu verpassen. Die bittere Wahrheit ist offensichtlich: es gibt keine Hoffnung für Amerika.

Fazit

Der Film Killing of America wirkt auf den ersten Blick wie ein Dokumentarfilm, der sein Thema ausbeutet. Beim genaueren Betrachten bietet sich allerdings ein anderes Bild. Dem Werk gelingt die Gratwanderung zwischen sachlicher und gleichzeitig streng subjektiver Präsentation einer spezifischen Thematik.

Wie bereits in der Einleitung erwähnt, stellt Killing of America ein Produkt dar, das für den Mondo-Markt produziert wurde. Dennoch setzt der Film sich weit ab von einem Großteil der anderen Werke dieses Genres, da er nicht einfach reale Gewalt- und Todesszenen aneinanderreiht. Er nimmt keine menschenverachtende Perspektive ein oder legt einen respektlosen Umgang mit den Toten an den Tag. Killing of America hat eine zutiefst humanistische Botschaft. Hinter all den von Gewalt aufgeladenen Bildern steht ein Bemühen um Humanität. Der Wunsch nach einem kontrollierten Umgang mit Schusswaffen, um eine bessere, der Menschenwürde entsprechende Gesellschaft zu gestalten. Der Film bemüht sich stets, die Geschehnisse in einen historischen Kontext einzubetten. Niemals verliert er dabei den roten Faden und schweift ab von seiner eigentlichen Thematik. Zwar wirkt Killing of America bei einer oberflächlichen Betrachtung zusammenhanglos, er ist aber nicht für diese einfache passive Rezeption geeignet. Auch wenn der Film den Zuschauer durch seine Bilder häufig schockiert, so ist er dennoch für die aktive Mitarbeit des Publikums ausgelegt. Gerade deshalb muss der Film als ein essayistisches Mondo-Werk betrachtet werden. Killing of America weist darüber hinaus noch weitere Elemente auf, die ihn zumindest teilweise als einen Essayfilm klassifizieren. So fällt besonders der unterschiedliche Umgang mit verschiedenen Medien auf. Häufig vermischt der Film zum Beispiel filmisches Archivmaterial mit Fotografien und mit Berichterstattungen aus dem Radio. Der Zuschauer muss all diese Medien filtern und zu einem neuen Gesamtbild zusammenbauen. Auch der manipulative Umgang mit dem Filmmaterial bei den Sequenzen, welche die Attentate behandeln, und die unterschiedlichen Kolorierungen der Fotografien müssen als Techniken des Essayfilms gewertet werden.

Vergleichen lässt sich Killing of America mit nur sehr wenigen Filmen. Das beste Werk, das sich zu einer Gegenüberstellung anbietet, ist Bowling for Columbine von Michael Moore. Auch hier handelt es sich um einen zutiefst subjektiven Essayfilm. Beide Filme fordern eine stärkere Kontrolle der Schusswaffen. Dennoch hat Killing of America einen wesentlich pessimistischeren Unterton. Während in Moores Film immer ein gewisser Glaube an das amerikanische Volk und eine Hoffnung für das Land mitschwingt, lässt Killing of America diesen Optimismus nicht zu. Dort wird das Land als eine von Gewalt verpestete Nation dargestellt. Für Amerika gibt es darin keine Hoffnung mehr. Das Land hat den point of return bereits überschritten.

Anmerkungen:

(1) Fuchs, Christian: Kino Killer – Mörder im Film. 1995 Edition S Verlag Wien, Seite 170.
(2) Ellis, Bret Easton: American Psycho. 1998 Kiepenheuer und Witsch Verlag Köln, Seite 519.
(3) Balazs, Bela: Der sichtbare Mensch oder die Kultur des Films. 2001 Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main, Seite 82.
(4) Kerekes, David; Slater, David: Killing for Culture - An illustrated History of Death Film from Mondo to Snuff. 1995 Creation Books, Seite 80-81.
(5) Mondo Cane. 1984 VPS Video München Von Aster, Christian: Horror Lexikon - Die Motive des Schreckens in Film und Literatur. 2001 Parkland Verlag Köln, Seite 231.
(6) Von Aster, Christian: Horror Lexikon - Die Motive des Schreckens in Film und Literatur. 2001 Parkland Verlag Köln, Seite 231.
(7) Paul, Louis: Inferno Italia – Der italienische Horrorfilm. 1998 Bertler und Lieber Verlag München, Seite 43.
(8) Brottman, Mikita: Mondo Horror:Carnivalizing the Taboo.In: The Horror Film. Rutgers University Press 2004, Seite 167.
(9) Brottman, Mikita: Mondo Horror:…Seite 168.
(10) Cowie, Anthony: Oxford Advanced Learner`s Dictionary. Oxford University Press 1998, Seite 408.
(11) Scherer, Christina: Ivens, Marker, Godard, Jarman – Erinnerung im Essayfilm. 2001 Wilhelm Fink Verlag München, Seite 24.
(12) Möbius, Hanno: Das Abenteuer Essayfilm. In: Augenblick (Heft 10) – Versuche über den Essayfilm. 1991 Institut für Neuere deutsche Literatur Marburg, Seite 10.
(13) Möbius, Hanno: Das Abenteuer…Seite 15.
(14) Möbius, Hanno: Das Abenteuer…Seite 13.
(15) Scherer, Christina: Ivens, Marker…Seite 28.
(16) Grob, Norbert: Zwischen giri und kinjo – Der Yakuza Mythos in Paul und Leonardo Schraders Roman und Film The Yakuza. www.ikonenmagazin.de/artikel/Yakuza.htm
(17) Dynice, Benjamin: Interviews with Academy Award Nominated Writer Leonard Schrader. 2001 www.leonardschrader.com/interviews/independant.shtm
(18) Dynice, Benjamin: Interviews with Academy…
(19) Baudrillard, Jean: Kool Killer oder der Aufstand der Zeichen, 1978 Merve Verlag Berlin, S. 21.
(20) Kerekes, David; Slater, David: Killing for Culture..., Seite 201.
(21) Dynice, Benjamin: Interviews with Academy...
(22) Leary, Denis: No cure for cancer. 1996 UMIS Universal Import.
(23) Fuchs, Christian: Kino Killer…Seite 124.
(24) Fuchs, Christian: Kino Killer…Seite 124.
(25) Norris, Joel: Serial Killers. 1988 Anchor Books, New York, Seite 17.
(26) Norris, Joel: Serial…Seite 19.
(27) Jane, Ian: Review of Killing of America. 2004 www.dvdmaniacs.net/Reviews/I-L/killing of america.htmls.
(28) Dynice, Benjamin: Interviews with Academy…

Quellenverzeichnis:

Von Aster, Christian: Horror Lexikon - Die Motive des Schreckens in Film und Literatur. 2001 Parkland Verlag Köln.

Balazs, Bela: Der sichtbare Mensch oder die Kultur des Films. 2001 Suhr- kamp Verlag Frankfurt am Main.

Baudrillard, Jean: Kool Killer oder der Aufstand der Zeichen, 1978 Merve Verlag Berlin.

Brottman, Mikita: Mondo Horror:Carnivalizing the Taboo. In: The Horror Film. Rutgers University Press 2004.

Cowie, Anthony: Oxford Advanced Learner`s Dictionary. Oxford University Press 1998.

Dynice, Benjamin: Interviews with Academy Award Nominated Writer Leonard Schrader. 2001 www.leonardschrader.com/interviews/independant. shtm

Ellis, Bret Easton: American Psycho. 1998 Kiepenheuer und Witsch Verlag Köln.

Fuchs, Christian: Kino Killer – Mörder im Film. 1995 Edition S Verlag Wien.

Grob, Norbert: Zwischen giri und kinjo – Der Yakuza Mythos in Paul und Leonardo Schraders Roman und Film The Yakuza. www.ikonenmagazin.de/ artikel/Yakuza.htm

Jane, Ian: Review of Killing of America. 2004 www.dvdmaniacs.net/Reviews/I-L/killing of america.htmls.

Kerekes, David; Slater, David: Killing for Culture-An illustrated History of Death Film from Mondo to Snuff. 1995 Creation Books.

Leary, Denis: No cure for cancer. 1996 UMIS Universal Import.

Möbius, Hanno: Das Abenteuer Essayfilm. In: Augenblick (Heft 10) – Versuche über den Essayfilm. 1991 Institut für Neuere deutsche Literatur Marburg.

Norris, Joel: Serial Killers. 1988 Anchor Books, New York.

Paul, Louis: Inferno Italia – Der italienische Horrorfilm. 1998 Bertler und Lieber Verlag München.

Scherer, Christina: Ivens, Marker, Godard, Jarman – Erinnerung im Essayfilm. 2001 Wilhelm Fink Verlag München.

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