Der alte Affe Angst 4,5 /5 Sterne D 2003 Beziehungsdramen, Seelestriptease, Hysterie - in den glorreichen Jahres des Neuen Deutschen Films hätte man diese Begriffe mit den Filme Rainer Werner Fassbinders verbunden. Aber auch Ingmar Bergmans selbstzerfleischende ProtagonistInnen und Zulawskis Hysterismen (NACHTBLENDE) kommen in den Sinn. Es erscheint kaum verwunderlich, dass die Erneuerer des gegenwärtigen deutschen Kinos an diese Traditionen anknüpfen: Romuald Karmakars DIE NACHT SINGT IHRE LIEDER und Oscar Roehlers DER ALTE AFFE ANGST versuchen dies auf ihre jeweils eigene Weise. DER ALTE AFFE ANGST erzählt auf klassisch-melodramatische Weise die Geschichte des sensiblen Theaterregisseurs Robert (André Hennicke) und seiner Freundin Marie (Marie Bäumer), die als Ärztin in einer Kinderklinik arbeitet. Sie lieben sich seit Jahren, gehören offenbar zusammen, trotz der Probleme, die ihr gemeinsames Leben mit sich bringt. Als Robert erfährt, dass sein Vater Klaus unheilbar krank ist, nimmt er nach Jahren des Schweigens erneut Kontakt zu ihm auf. Doch wenig später stirbt der alte Mann. Robert, gequält von künstlerischen Zweifeln und Ängsten, begibt sich immer mehr auf einen selbstzerstörerischen Ego-Trip: Monatelang hat er nicht mehr mit Marie geschlafen, und findet seine sexuelle Befriedigung nur noch bei Prostituierten. Für Marie beginnt nun eine schwere Zeit, in der sie fast den Boden unter den Füßen verliert: Sie begeht einen weiteren Selbstmordversuch und flüchtet zu ihren Eltern, wo bald auch Robert auftaucht... In ihrer gegenseitigen bedingungslosen Liebe und der Entschlossenheit, für einander zu kämpfen, liegt die Hoffnung auf einen Neuanfang. Roehler beendet seinen Film mit ähnlich unbeschwerten, fast kindlichen Eindrücken, wie sie die seltenen optimistischen Lichtblicke des Films darstellen: ein innig vertrautes Paar, völlig verloren im eigenen Kosmos, Protagonisten einer großen Liebe, wie sie das Kino selten darstzustellen wagte in den letzten Jahren. Doch bis zur erneuten Unbeschwertheit müssen sie durch ein Tal der Tränen, Blut und Schweiß gehen. Was Fassbinder in Douglas Sirk fand, sucht Roehler wiederum bei Fassbinder: eine visuelle und schauspielerische Intensität, die uns in ihren Bann zieht, die uns die eigene Welt vergessen lässt - ein seltenes, wertvolles Erlebnis, das Film zum authentischen emotionalen Erleben werden lässt. Mit SYLVESTER COUNTDOWN, DIE UNBERÜHRBARE und GIERIG hat Roehler einen Weg eingeschlagen, den er nun zur Reife führt. DER ALTE AFFE ANGST ist ein Glücksfall, ein Film, der mit wiederholtem Sehen gewinnt. Deshalb ist es auch längst überfällig, dass er nun auf DVD vorliegt und immer neu entdeckt werden kann. Die Warner-DVD kann technisch überzeugen: durch satten 5.1-Mix (auch die 2.0-Variante kann sich hören lassen und erscheint sehr dicht) und ein anamorphes 16:9-Bild. Leider wurden nicht sehr viele Extras beigefügt: ein Trailer; und die Interviews mit Roehler, Hennicke und Bäumer kompensieren etwas den fehlenden Kommentar, bleiben jedoch an der Oberfläche. Immerhin bekommt man etwas von den Künstlerpersönlichkeiten mit. Hier wäre mehr Sorgfalt angebracht gewesen, zumal gerade dieser Film nicht für den schnelllebigen Markt gedacht ist. Vielmehr richtet er sich an Sammler und Cinéasten, die auch das intensive Kunstkino von Cathérine Breillat, Francois Ozon oder Bruno Dumont zu schätzen wissen. Trotz dieser kleinen Abstriche: DER ALTE AFFE ANGST ist großartiges Schauspielerkino, ein bstechendes, großes Drama über die Kraft der Liebe. Absolute Kaufempfehlung. Marcus Stiglegger |
|