DOGPOP

Jahrmarkt der verlorenen Kinder

UMB CD, 13 Tracks, im Jewelcase

POPGOD – DOGPOP, dieses oft selbstzitierte Ananym beschreibt dieses Projekt erstaunlich treffend. Irgendwo zwischen Mondo Cane, Zitaten von Popikonen und beißendem Humor bewegt sich dieses extravagante Projekt. Brigant Moloch, der nun eher für schneidend bösartige sphärisch-zynische Musik bekannt ist, und Dan Courtman, der UMB Tausendsassa, scheinen in diesem Projekt einerseits ihrer eigenen musikalischen Generation zu huldigen, andererseits ihren Sinn für Skurriles auszuleben. Die bisher spärlich gesäten Liveauftritte muteten wie eine krude Mischung aus Kabarett, Theater und Konzert an und trafen gerade auf dem TESCO Festival in Antwerpen auch auf viel Unverständnis.

Man muss tatsächlich sagen, dass es mit DOGPOP nicht ganz leicht ist: Man ködert den Zuhörer mit teils bekannten, poppigen Strukturen, um ihm dann einen schwedischen Trichter aus Perversion, Ekel und bizarrem Humor zu verpassen. Gerade auf ihrem neuen Album „Jahrmarkt der verlorenen Kinder“ erreicht diese Mischung ein neues Niveau an Unbehaglichkeit und man könnte fast sagen, dieser Tonträger hat etwas Schmieriges. Zumindest wirkt er verstörender als die meisten Päderastenkrach-Projekte. Interessant hierbei ist, dass man auf die Ursache dieses Unbehagens gar nicht genau mit dem Finger zeigen kann. Die Musik besteht aus dunklen, minimalistischen Popzitaten irgendwo zwischen Gruftpop und Minimalelectro, oft bewusst extrem bassig abgemischt, bisweilen so tieffrequent, dass die Musik auf guten Kopfhörern eher unangenehm wird. Die optische Aufmachung des Tonträgers ist bizarr schön, aber auch nicht auffallend abstoßend oder provokant gehalten. Was einen annähernd völlig ratlos zurücklässt, sind die Titel und Texte der einzelnen Stücke, von harmlos anmutendem Nonsense wie „6er-Bahn“ bis hin zu im musikalisch-künstlerischen Kontext schon fast eklig wirkenden „Kinderfänger“. „Tschitti Tschitti Bäng Bäng“ auf großer Leinwand während eines schlechten LSD Trips. Vermutlich ist das die beste Metapher für den auralen Eindruck, den dieser Tonträger hinterlässt. Überall Verfall, Verwesung und Rudimente unschuldiger Kindlichkeit. Riesenräder und Clowns, die eine fast metaphysische Bedrohlichkeit ausstrahlen. Erbrochenes vor dem Festzelt neben dem Autoscooter.

Das Konzept wirkt vermutlich durch seine Zurückhaltung wesentlich eindringlicher als der genreübliche Overkill an plakativem, direkt fassbarem Grauen. Eine Taktik, die auch ANENZEPHALIA, B. Molochs Urprojekt, schon zu ein paar der verstörendsten Titel der Post-Industrial Geschichte verholfen hat. Ein Fazit lässt sich nur schwer formulieren; eine bemerkenswerte Veröffentlichung, musikalisch hoch interessant, inhaltlich schwer greifbar bis abstoßend. Vermutlich genau die Richtung, in die Courtman und Moloch gezielt haben.

Daniel Novak