MÜNCHEN - GEHEIMNISSE EINER STADT

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Buch: Michael Althen, Dominik Graf
Regie: Michael Althen, Dominik Graf
Kamera: Martin Farkas
Schnitt: Rolf Wilhelm
Produktion: Rome Film GmbH
Produktions-Land+Jahr: D, 2000
Musik: Dominik Graf, Helmut Spanner, Florian van Volxem, Sven Rossenbach, Max Fellmann, Dieter Schleip
DVD 5, Farbe + s/w, 121 Min., 16:9, Stereo, deutsche Sprachfassung. Mit einem ausführlichen Booklet mit Texten von Dominik Graf und Michael Althen.

Der Essayfilm ist die geheime Königsdisziplin der Filmkunst: befreit von narrativen Korsetts, von generischen Strukturen und designter Fiktionalität erlaubt er es dem Filmkünstler, eine ganz persönlich Vision du Monde zu entfalten. Essayfilme sind subjektiv, meditativ, überbordend, sprunghaft, mitunter irritierend. Von Jean-Luc Godard bis Alexander Kluge, von Alain Resnais bis Chris Marker hat sich der Essayfilm bereits früh in der filmhistorischen Moderne etabliert und ist nie verschunden. vermutlich, weil er nie in Mode war...

MÜNCHEN - GEHEIMNISSE EINER STADT von Dominik Graf, jenem großen Genresolitär des deutschen Films (und Fernsehens), und Michael Althen, dem viel zu früh verstorbenen Stilisten der deutschen Filmkritik, ist eines jener eindrucksvollen Ausnahmewerke, die aus ganz persönlichen Bedürfnissen geboren werden und in weitgehender Unabhängigkeit von kommerziellen Zwängen gedeihen konnten. MÜNCHEN ist eine Meditation über die titelgebende Stadt, über ihre Geschichte und ihre unbekannte Seite - aber auch eine Reflexion der persönlichen Geschichte der beiden Filmemacher, die mit nachdenklichem Duktus Autobiografie und Imagination verflechten.

MÜNCHEN ist - wie die frühen Filme von Resnais - auch ein Film über Erinnern und Vergessen, über die Flüchtigkeit der Zeit, über die Zeit selbst - das vielschichtige Dokument zweier fast symbiotischer künstlerischer Sensibilitäten, die untrennbar mit der Heimatstadt verknüpft bleiben - auch wenn Althen später nach Berlin zog.

Dabei ist der dokumentarische Anteil des Films bewusst kaschiert und geht oft unmerklich in Fiktionen über: Welche Geschichte würde ein Geldschein erzählen, wenn er sprechen könnte (ein klassisches filmisches Sujet)? Wovon träumen Fahrkartenkontrolleurinnen? Was passiert, wenn zwei Männer feststellen, dass sie dieselbe Frau geliebt haben (eine Episode größter kinematographischer Schönheit)? Was erlebt der Junge, der das Dienstmädchen mit ihrem Liebhaber erwischt (auch hier: erotisch fein ziseliert)? Und was hat die Sonnenfinsternis ('l'eclisse') mit alldem zu tun? In mal spröden, mal magisch schönen Bildern erfinden Graf und Althen eine eigene Topographie der alten Stadt. Und bieten dem Zuschauer - so betont es Graf im Begleitessay - Material an, das man selbst neu ordnen kann. Das Unfertige ist von jeher Eigenschaft des Essays (von frz. 'versuchen').

Absolut Medien bringt diesen wichtigen und eindrucksvollen Film nun in einer gelungenen DVD-Edition heraus - mit umfangreichem Booklet, das neben Grafs neuem Kommentar auch ein Tagebuch von Michael Althen enthält.

Marcus Stiglegger