Im Angesicht des Verbrechens
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Anbieter: MFA+/Das Erste
Laufzeit: 488 Min.
Regie: Dominik Graf
Bild: 16:9
Ton: 2.0 Deutsch, Französisch
Bonus: Making Of, Trailershow
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Europäisches Autorenkino wie Eric Rohmer habe
er zunächst machen wollen, so erzählt der Münchner Filmemacher
Dominik Graf. Doch schließlich habe er sich mit der Form der Kriminalerzählung
angefreundet. Die prägnantestens seiner Werke sind dem Genre des
Polizeifilms zuzuordnen: Von den frühen FAHNDER-Folgen über
DIE KATZE und DIE SIEGER bis hin zu seiner monumentalen Großtat,
der Fernsehserie IM ANGESICHT DES VERBRECHENS, die nun als DVD-Box vorliegt
und von einem umfassenden Interviewband begleitet wird.
Graf entfesselt die Russian Connection in Berlin: Auf den
Spuren von William Friedkins legendären Polizeifilmen FRENCH CONNECTION
und TO LIVE AND DIE IN LA platziert er die beiden befreundeten Jungermittler
Lottner (Ronald Zehrfeld) und Gorsky (Max Riemelt) in einem Bandenkrieg
der russischen Mafia in Berlin. Zwischen den Fronten finden sich auch
Gorskys Schwester Stella (Marie Bäumer) wieder, die den Mafiaboss
(Misel Maticevic) geheiratet hat. Mit suggestiven und einnehmenden Schnittfolgen
führt uns die Inszenierung in die Welt der russischen Juden ein,
erzählt von den Verflechtungen korrupter Polizisten, von deren Affären
und persönlichen Tragödien. Das geheime Herz der zehn Folgen
aber ist die Geschichte zweier junger Ukrainerinnen (Alina Levshin, Katja
Nesytowa), die von Schleppern in ein berliner Bordell gelockt werden.
Eine von ihnen wird sich in Gorsky verlieben...
Was Dominik Graf hier in fast 500 Minuten entfaltet, holt
das Kino auf den heimieschen Bildschirm und entfesselen ein Kaleidoskop
tragischer und erschreckender Ereignisse, wie man es seit dem New Hollywood
der 1970er Jahre nicht mehr gesehen hat. Vor allem nicht in Deutschland.
Was Kollegen wie Roland Klick (WHITE STAR) oder Nico Hofmann (SOLO FÜR
KLARINETTE) nur gegen große Schwierigkeiten durchsetzen konnten,
gelingt Graf im großen Stil. Schönheit, Leidenschaft und Tod
liegen hier eng beieinander, durchdringen sich in expressiven Bildkompositionen,
die mitunter die manirierte Drastik der italienischen Polizeifilms bzw.
des Giallo-Thrillers beschwören. Vor allem der Musikeinsatz erinnert
an Genrewerke von Lucio Fulci oder Damiano Damiani. Doch gleichzeitig
ist die Serie konsequent in ihrer Berlin-Atmosphäre, versucht nie,
eine andere Identität vorzuspiegeln und an internationale Märkte
zu appellieren. Wo Gilles Béhat und Jacques Deray in den 1980er
Jahren mit ihren Pariser Neo-Noirs aufhören, knüpft IM ANGESICHT
DES VERBRECHENS als Berlin-NOIR an.
Es gleicht einem Wunder, dass diese teure und hervorragend
besetzte Serie überhaupt entstehen konnte, denn - wie das Buch zum
Film (Alexander Verlag, Berlin) dokumentiert - überwarf sich Graf
recht früh mit dem Produzenten, konnte jedoch zurückkehren und
die Serie weitgehend nach den eigenen Vorstellungen umsetzen. In langen
Interviews betont er, wie sehr er den damaligen Kompromiss bereut, der
sein SEK-Drama DIE SIEGER zum gescheiterten Monument macht. IM ANGESICHT
DES VERBRECHENS aber ist geschlossen und konsequent.
Wer sich mit seriellem Erzählen beschäftigt, sollte
die auf einem Drehbuch von Rolf Basedow basierende Serie studieren, wer
im Filmgeschäft tätig werden will, sollte sich Dominik Graf
s Ausführungen aus dem gleichnamigen Buch verinnerlichen. Filmemachen
muss widerständig bleiben - gegen die scheinbar so ehernen Gesetze
des Marktes. IM ANGESICHTS DES VERBECHENS beweist virtuos, dass dies gelingen
kann.
Eine Sternstunde des deutschen Fernsehens als qualitativ
hervorragende DVD - und dazu das schön gestaltete, umfassende und
höchst informative Buch zur Serie. Was will man mehr?
Marcus Stiglegger
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