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Cinema 50: Essay
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Schüren Verlag, 208 Seiten
Cinema - das ist in diesem nicht etwa die "größte
europäische Filmzeitschrift", sondern das seit 50 Jahren existierende
renommierte Schweizer Filmjahrbuch, das regelmäßig Aufsätze,
Interviews und Kritiken zum Schweizer und internationalen Kino versammelt.
Zu den regemäßigen Einrichtungen dieser Bände gehört
vor allem der Jahresüberblick über die schweizer Filmproduktion
mit Filmografien und Kommentaren. Die vorliegende Jubiläumsnummer
widmet sich passenderweise einem ebenso interdisziplinären wie spannenden
Thema: dem Essay. Dabei sind beide Zugänge möglich: die Thematisierung
des Essayfilms bzw. Filmessays sowie das essayistische Schreiben über
Film. Das erklärt, warum sowohl Filmwissenschaftler, Filmkritiker
wie auch Filmemacher in diesem Kontext zu Wort kommen.
"Der Essay: ein Versuch. Das Essayistische: ein persönlicher,
impressionistischer Gedankenablauf," so umschreibt es Marcy Goldberg
(S.72). Dieser Ansatz betont bereits das subjektive und mäandernde
des essayistischen Films, der oft einfach als 'subjektiver Dokumentarfilm'
missverstanden wird. Dabei kann der Essayfilm durchaus fiktive Wege gehen,
die jedoch stets mit dem Urheber des 'Versuchs' verknüpft bleiben.
Catherine Silberschmidt analysiert das in ihrem Aufsatz (S.50ff.) über
Marguerite Duras' LE CAMION (1977), der eigentlich von der Begegnung einer
älteren Frau mit einem Lastwagenfahrer in dessen LKW handelt. Da
es die äußeren Umstände nicht gestatteten, verlegte die
Filmemacherin die Dreharbeiten kurzerhand in ihre Wohnung, wo sie selbst
als Protagonistin und Gérard Dépardieu als LKW-Fahrer sich
am Tisch gegenübersitzen und sich immer wieder vom vorgegebenen Text
entfernen. "Man sollte sehen, was ich höre, wenn ich schreibe,"
wird Duras' Credo resümiert, und dieser auf den ersten Blick irritierende
Ansatz erklärt einleuchten die Ton-Bild-Schere, die Duras zum Prinzip
erhebt (auch in ihren anderen Filmen).
Peter Liechti unternimmt in seiner filmischen 'Selbstdokumentation'
HANS IM GLÜCK (2003) ebenfalls einen Versuch: in einem langen Fußmarsch
will er sich das Rauchen abgewöhnen. Das erinnert etwas an Werner
Herzogs Marsch von München nach Paris in dem Buch "Vom Gehen
in Eis", mit dem er Lotte Eisners Leben retten wollte - ein Selbstopfer
in beiden Fällen. Im vorliegenden Band finden wir Auszüge aus
Liechtis Marschtagebüchern, die seine drei Anläufe dokumentieren
und assoziativ kommentieren (S.57ff.). Marcy Goldbergs Thesen schließen
an diesen Film an.
Patrick Straumann untersucht in seinem Aufsatz "Eine
Gespenstergeschichte für ganz Erwachsene" (S.87ff.) anhand mehrerer
klassicher und aktueller Spielfilme deren Umgang mit der Grenze von Gegenwart
und Vergangenheit, von Traum und 'Realität'. Und entdeckt dabei eher
beiläufig den grundlegenden 'Traumcharakter' filmischer Realitätskonstitution.
Wong Kar-weis 2046 (2003) wäre hier ein schönes aktuelles Beispiel
gewesen - oder Nicholas Roegs Filme -, aber es funktioniert auch mit Lynch,
Lang, Almodóvar und Shyamalan...
Weitere interessante Beiträge würdigen das Werk
der Multimedia-Künstlerin Isa Hesse-Rabinovitch, Atom Egoyans selbstreferentiellen
Film CALENDAR, Renoirs DIE SPIELREGEL als Essay oder den medialen Umgang
mit den Bildern des Krieges (Harun Farocki, S.21ff.). Erhellend ist auch
das Werkstattgespräch mit dem Dokumentarfilmer Thomas Imbach, der
seine teilfiktionalisierte, essayistische Methode In GHETTO und anderen
Filmen verdeutlicht. Ein sehr amüsanter, farbiger Fotoessay namens
"Himmel unter Berlin" (S.33ff.) rundet den Band ab.
Sehr gelungen ist auch die formale Gestaltung des Bändchens:
Fadenheftung und Klappbroschur sorgen für einen gelungenen Gesamteindruck.
Ein solches ästhetisch wie inhaltlich ansprechendes Jahrbuch würde
man sich auch für einige andere spezifische Kinematografien wünschen,
Österreich z.B.
Marcus Stiglegger
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