Mark of the Devil

4 / 5 Sterne

Die hohe Zeit der Nonnen und Hexen im exploitativen Kino: Die späten sechziger Jahre machten sich verdient um die möglichst anschauliche Darstellung der blutigsten Umtriebe der Kirchengeschichte: der christlichen Inquisition. Michael Reeves dreht sein epochales Historiendrama DER HEXENJÄGER (1968), Ken Russell inszenierte DIE TEUFEL (1970)... In diesem Spannungsfeld tummelten sich die kleineren Werke der europäischen Sleazemeister: Den Einstieg präsentierte Adrian Hoven mit einer deutsch-britischen Produktion MARK OF THE DEVIL, inszeniert von Michael Reeves' Regieassistenten Michael Armstrong. Er erzählt die Geschichte eines tödlichen Vater-Sohn-Konfliktes: Der entstellte, sadistische Hexenjäger Albino (Reginald Nalder) treibt in einem österreichischen Landstrich des siebzehnten Jahrhunderts sein Unwesen. Als er sich in eine Wirtsfrau „verliebt“ und zurückgewiesen wird, leistet er sich Ausschreitungen, die selbst für einen Hexenjäger nicht mehr tolerierbar sind. Er wird durch Lord Cumberland (Herbert Lom) ersetzt, der jedoch ähnliche Willkür an den Tag legt - nachdem er Albino getötet hat. Als sich sein Sohn Christian (Udo Kier) in das Bauernmädchen Vanessa (Olivera Vuco) verliebt, klagt Cumberland die junge Frau der Hexerei an. Christian, bestürzt über die Ungerechtigkeit seines Vaters, dessen Mord an Albino er miterlebte, befreit Vanessa aus dem Kerker, die umgehend einen Volksaufstand anzettelt. Christian selbst wird unglücklicherweise Opfer des Lynchmobs, während sein Vater entkommen kann. Armstrong schuf hier mit weit weniger Schicksalsschwere als Reeves den ersten rein exploitativen Hexenfilm, dessen konstruierte, spannungslose Handlung lediglich Stichworte für eine effekthascherische Nummernrevue darstellt. Dabei halten sehr einfache Erklärungsmuster für die Motivation der Folterer her: Albino handelt in sexueller Frustration, da ihm sein entstelltes Gesicht keine Chance bei den Frauen läßt, während Cumberland ein rücksichtsloser Machtmensch ist, dessen Gewalttaten allesamt rational begründet sind und dem eigenen Vorteil dienen. Formal bedient sich der Film des gewohnten Eurostils mit schnellen Zooms, Nahaufnahmen schreckverzerrter Gesichter und dem kurzen Blick auf oft einfach gestaltete Bluteffekte wie Verstümmelungen und Striemen. Nach Reeves komplexem Szenario wendet sich Armstrong bereits der rein sexualisierten Gewaltdarstellung zu, indem er fast ausschließlich attraktive junge Frauen foltern läßt. Die haarsträubendste Sequenz ist dabei die Tortur einer hübschen Blondine, der mit einer riesenhaften Zange die Zunge herausgerissen wird...

Mit seiner unzensierten Specialedition von MARK OF THE DEVIL schenkt uns Blue Underground, das Label des Filmemachers William Lustig (MANIAC), einen der unumstrittenen Klassiker des Exploitationgenres in hervorragender Aufmachung. Erstmals wurde das Bild in einer erstaunlichen Schärfe rekonstruiert, was dem historischen Ambiente des Film sichtlich zugute kommt. Die Atmopshäre erinnert etwas Werner Herzogs Historienfilme. Während der Film in seiner britischen Auflage stark zensiert wurde (Anchor Bay), lag er zumindest in Holland ungekürzt in seiner englischsprachigen Originalversion vor. Blue Underground, die auch SALON KITTY, Q, MONDO CANE und DIE CRAZIES in Sammler-Editionen anbieten, haben alle verfügbaren Extras mit auf die Scheibe gepackt. Das sind vor allem der amüsant vor sich hinplaudernde Kommentar des Regisseurs Armstrong (very british), der - wie sich herausstellt - gar nicht alle wesentlichen Teile des Films gedreht hat. Gerade in den berüchtigten Folterszenen war Adrian Hoven für ihn eingesprungen, um das erwünschte skandalöse Ergebnis zu bekommen. Hervorragend und charmant ist das deutschsprachige Interview mit Herbert Fux, der sich an viele Details erinnert und dem Film recht positiv gegenübersteht. Eher unwillig präsentiert sich Udo Kier, der nach dem Abspann gezeigt wird, wie er über die Länge des Interviews feilscht - nicht gerade schmeichelhaft für die Fans des Werkes... Gaby Fuchs und Ingeborg Schöner haben sich sichtlich aus der Filmwelt entfernt, fügen aber interessante Details bei. - Neben dem Trailer und Radiospots bekommen wir noch die übliche Aushangfotogalerie geboten.

In jedem Fall kann man MARK OF THE DEVIL auf dieser sorgfältig gestalteten DVD wiederentdecken und endlich als Sleazeklassiker einer längst untergegangenen - und unwiderbringlichen - Filmära zu würdigen. Hier kann man Blue Underground eine echte Archivleistung zusprechen... Ein Muss auch für Leute, die eine der anderen Versionen bvereits ihr eigen nennen.

:ms:

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