Folk/Neoklassik Herbst/Winter 2004/2005 Backworld All That Remains (Eis & Licht 2004) 12" EP 5 Songs Seit ihrer ersten CD "Holy Fire" hat sich die amerikanische Folkband Backworld um Joseph Budenholzer - der zuvor mit Richard Kern und Lydia Lunch zusammenarbeitete - immer weiter von den Topoi und Klängen des europäischen Neofolk entfernt. Bereits mit dem dritten Tonträger kündigte sich ein eher lebensbejaender Stil an, der mit melodiöser Melancholie die Ambivalenzen des Lebens in eingängige Texte umsetzte. Das erinnert zugleicht an Leonard Cohen wie auch an Lee Hazelwood und 16 Horsepower. Sanft schimmern auch Simon & Garfunkel durch. Die vorliegende einseitig bespielte 12"-EP bietet nun 5 neue Stücke, die zugleich als Nachschlag zur MiniCD "Seeds of Love" (mit David Tibet) als auch als Vorgeschmack auf das kommende Album "Goods Infection" fungiert. Der poppige Weg amerikanischer Liedermacherkunst wird konsequent fortgesetzt und kann mit vollem Akustgitarrenklang, Violine, Piano und der bereits bekannten Stimme Budenholzers voll überzeugen. Wer dagegen nach apokalyptischen Klängen oder ideologischen Zynismen sucht, wird definitiv enttäuscht werden. Die schön gestaltete Platte ist auf 500 Stück limitiert und wird demnächst als MiniCD erscheinen. Man kann auf das Fulltime-Album gespannt sein. MaNic Di6 & B. Rice Alarm Agents (NER/Tesco 2004) CD / LP (versch. Versionen) Manchmal hat der Mann Geistesblitze: "Hope is a lack of information..." So hören wir "Boyd's Gift" auf dieser neuen Di6-CD, die eigentlich unter B. Rice & Friends (oder Scorpion Wind oder Wolf Pact) verbucht werden muss. Natürlich schwirren die bannenden Klänge von Douglas P.s Stahlseitengirtarre über all dem, doch im Mittelpunkt steht die prägnante Stimme von B. Rice, Satanist und Zyniker, Nihilist und Lebemann aus Denver/Colorado. Weniger als die erst letztes Jahr erschienene CD "Wolf Pact" hat sich diese CD experimentellen und schrägen Strukturen verschrieben, weiterhin steht jedoch die persönliche Auseinandersetzung mit verfemten Mythen im Mittelpunkt: die Sonne, der Wolf, die Wilde Jagd... Eingängiger Höhepunkt der CD ist bereits Stück 2 "Black Sun Rising", das sich mit dem Sunur-Konzept beschäftigt: dem Energieaustausch zwischen goldener (Sun) und spiritueller schwarzer Sonne (Santur): "one world dies, another world is born". Zwischen die melancholischen Folkpopsongs mischen sich hier originelle Samples, die mit dem verfemten Image der beiden Musiker spielen: "If you look to the left, the view is not very inspiring. But if you turn to the right..." hören wir einen Fremdenführer. Inhaltlich dominieren Rice' Aufrufe zum Ungehorsam ("Get Used to say No") und Verherrlichungen des Untergangs ("Summer is Gone"). Okay, "Alarm Agents" ist Apocalyptic Folk pur, durchsetzt mit kleinen Samples und Collagen, präsentiert im geprägten Digipak (und auf einer different gemixten LP) und mit den inzwischen gewohnten Military-Karneval-Fotos - die Fans werden nicht klagen können. Andererseits: Ein bisschen ist das schon zum eigenen Klischee geworden... cd Neither/Neither World Re-wound (Shayo 2004) CD 15 Tracks Seit mehreren Jahren nun entwickelt die Amerikanerin Wendy van Dusen mit ihrem Gothic/Folk-Projekt einen zwischen Anita Lane und Lydia Lunch angesiedelten 'Girl-Pop', der auf der letzten CD "She whispers" gar in Gitarrenpop-Gefilde abdriftete. Bekannt ist Neither/Neither World (benannt nach Austin Osman Spares magischem Konzept) jedoch für zarte Akustikgitarre, dezentes Klavier, brodelnde Keyboardflächen und einen entwaffnend unschuldigen Frauengesang. Nach dem Niedergang von World Serpent erscheint nun auf dem Schweizer Label Shayo eine Art Best-Of: "Re-wound". Wir finden hier Stücke der meisten Veröffentlichungen zwischen 1996 und 2004, inklusive der Liveaufzeichnung des Ambienttracks "Montage". Absolutes Highlight sind hier die melancholischen Coverversionen von "Psychocandy", "Darklands" (beide Jesus & Mary Chain) sowie "All I Ever Wanted" (Bauhaus), die Wendys unnachahmliche Stimme mit den bekannten Melodien verbinden. Ihre eigenen Texte zeichnen sich durch nihilistische Zynismen aus, was sich jedoch angesichts der bittersüßen melodien leicht überhören lässt. In jedem Fall die erste Wahl für Neueinsteiger, aber auch eine Anschaffung wert für neugierige Neofolker. MaNic Hekate Goddess (Auerbach/Prophecy 2004) CD 11 Tracks Nachdem die Koblenzer Neofolker und Schamanentrommler Hekate mit einer Best-Of-Compilation den Einstieg bei dem neuen Label Auerbach gefeiert hatten, war eine neue Veröffentlichung längst überfällig: "Goddess" kann als die ausgewogenste ihrer CDs gelten und wird mit Sicherheit einige bisherige Zweifler überzeugen. Von Beginn an finden wir hier elektronische Elemente Hand in Hand mit Folkgitarre und vor allem vielschichtigem Schlagwerk. Thematisch arbeitet man sich an der klassischen und nordischen Mythenwelt ab ("Göttinnen" eben), wobei jedes Thema einen eigenen Klang verliehen bekommt. "Morgan le Fay" dominiert noch Susanne Grosches harmonischer Gesang, auch Montsègur (inspiriert von Otto Rahn) nähert sich neoklaisschen gefilden. Doch mit "Barbarossa" (von der "Statement 61"-Compilation) und "Moritori e salutant" hält ein matrialischer Gestus einzug. Letzteres Stück steigert sich regelrecht aggressiv. Ein weiterer Höhepunkt ist das exkstatisch getrommelte "Dance of Taurus", das an frühere In the Nursery-Tracks anschließt, sowie der schöne Folksong "Maure" mit mittelalterlichen Elementen. Was den Neofolk-Puristen stören könnte, sind die manchmal etwas vordergründig gemischten elektronischen Sounds ("Ocean Blue"), die dennoch typisch für Hekate sind - immerhin hat sich diese Band aus den Gothic-Kinderschuhen herausentwickelt. Natürlich merkt man diese Szeneverhaftung auch dieser CD deutlich an, doch als Genreproduktion kann "Goddess" absolut überzeugen. A. Dvorak Ozymandias Les Doutes Eternels (Ramses Records 2004) CD 11 Tracks Konsequente, pianolastige Neoklassik - melancholisch und pur - bietet der klassisch ausgbildete Schweizer Musiker Christophe Terrettaz, dessen erste Veröffentlichungen noch auf dem inzwischen verstorbenen World-Serpent-Label erschienen waren. Der Genuss dieser überdurchschnittlich produzierten CD kann tief in ihren Bann ziehen, zum Tagträumen (oder Entschlummern) verleiten - hinterlässt aber auch eine (möglicherweise bewusste) Leerstelle. Es verwundert kaum, dass für die nähere Zukunft eine Zusammenarbeit von Ozymandias mit der ehemaligen Dead Can Dance-Sängerin Lisa Gerrard geplant ist - sie könnte diese an sich schon faszinierende Musik vervollkommnen. Man muss abwarten... Für Neoklassikpuristen bleibt die vorliegende CD als wunderschöne Beschäftigung. cd Vittorio Vandelli A day of Warm Rain in Heaven (Equilibrium 2004) CD 15 Tracks Vittorio Vandelli ist bekannt als Gitarrist der italienischen Gothicband Ataraxia, die vor sich allem seit ihren Veröffentlichungen auf dem Schwedischen Cold-Meat-Label größter Beliebtheit erfreut. Vertont werden auf "A Day of Warm Rain in Heaven" klassische Gedichte und Verse, im Mittelpunkt steht also - wie bei Ataraxia - das Wort. Musikalisch werden melodiöse Gitarrenpassagen - elektonisch und akustisch -, Keyboardflächen und Drums geboten. Die Gesangspassagen hat ebenfalls die Sängerin von Ataraxia übernommen, so dass diese CD sehr stark nach einer neuen CD der Hauptband klingt. Der dunkel-markante Frauengesang mag für Hörerinnen, denen die Band nicht vertraut ist, gewöhnungsbedürftig erscheinen - mit ihren zahlreichen Modulationen und dem prominenten italienischen Akzent. Auf Track5 erinnert das rezitierende Ostinato fast an Anne Clark... Cover-Gestaltung und Präsentation sind stilvoll und angemessen, wie bei Equilibrium mittlerweile üblich. Für ein Gothic- und Neoklassik-Publikum ist diese CD sehr erfeulich durchaus von Interesse. MaNic |
|