Bordel Militaire s/t (Neuropa 2012) CD 12 Tracks Es ist wenig verwunderlich, dass sich gerade Military Industrial, Dark Ambient und Power Electronics in der semiprofessionellen Musikszene äußerster Beliebtheit erfreuen, geben sie doch dem PC-Bastler eine Chance, mit einfachsten Mitteln und ohne musikalische Vorkenntnisse eine atmosphärisch ansprechende und an primäre Intinkte appellierende Klangcollage zu erstellen. Man kann das als künstlerischen Minimalismus betrachten, oder schlicht als Aggressionsventil einfach gestrickter Geister, die verzweifelt nach Gleichgesinnten suchen. Beides kommt vor. Und unbestreitbar sind aus diesem Meer des Dilettantismus bereits einige Sternstunden hervorgegangen. Was den Konsens prägt, ist ein Hang zur vereinfachten, oft reaktionären Weltsicht, drastische Reizmomente in Form provokativer Samples und meist eine Unkenntnis kultureller und künstlerischer Traditionen der Moderne, die man mit deren eigenen Mitteln angreifen möchte. Die meisten dieser Unternehmen erschöpfen sich in der Kreation eines menschenverachtenden Bandnamens und eines Images, für das sie dann geschätzt und verklärt werden – von einem Publikum, das nicht einmal zu einem vergleichbar simplen Akt der Kreativität taugt und mit dumpfem, fanatisiertem Blick die Faust zur Bühne reckt. Einer der prototypischen Vertreter dieser drei Genres ist der Noise-Pionier Boyd Rice, der zweifellos für sich verbuchen kann, einige im Futurismus und der klassischen Avantgarde bereits 60 Jahre zuvor eingeführte Stilmittel etwas weiter in die Popkultur getragen zu haben. In den späten 1980er Jahren wandte sich Rice der reinen Aussage zu und wählt zunehmend folkige Grundierungen für seine sozialdarwinistischen Spoken-Word-Vorträge, die sich letztlich in einem einzigen Song erschöpft hatten: „People“. Als antidemokratische Angstfigur erarbeitete er sich dennoch einen Status als 'Anti-Pop’ oder 'Unpop’, wie er es selbst nennt. Doch nach wenigen Jahren hatte sich sein Flirt mit Naziästhetik und Naziokkultismus als Epigonentum entlarvt. Seine aufwändig betriebene Gralssuche in Europa erwies sich rückblickend als ein peinliches Reenactment von Dan Brown. Heute tritt Rice als seine eigene 'Industriallegende’ auf und präsentiert geistlose Noise-Orgien, provoziert noch immer gelegentlich mit tabusierten Symbolen und könnte es auf diesem Wege noch einmal ins VICE-Magazin schaffen. Doch was von seinem Schatten in der Musikszene bleibt, ist eine sonore Stimme, die in Hoch-Amerikanisch misantrope Weisheiten verkündet. Es erstaunt also kaum, dass man diesen Schatten auch auf einem neuen australischen Album von Bordel Militaire wiederfindet, das alle genannten Genres verbindet: den soldatischen Gestus des Military Industrial, das finstere Ambiente des Dark Ambient und die nervenzerrende Plakativität der Power Electronics. Bordel Militaire ist das neue Kollektivprojekt von Ben Taylor, Cameron T. Brew und Isomer-Mastermind David Tonkin, der sich auf seinen eigenen Alben zusehends einer noisigen Militär-Dekadenz zugewandt hatte. Bordel Militaire erscheint als logischer nächster Schritt. Und ungeachtet des programmatischen Namens und der Präsenz von Boyd Rice ist zunächst erfreulich, dass man weitgehend mit Liedstrukturen arbeiten, mit gesprochenen und gesungenen Texten, vorgetragen von unterschiedlichen Stimmen, darunter auch ein Kind. Das Album verbreitet die vermutlich abgestrebte modrige Dekadenz eines Militärbordell im Zweiten Weltkrieg, und das mit einem erstaunlichen Aufgebot an akustischen Instrumenten und Klangobjekten. Was dieser Atmosphäre zutragen soll, ist ein muffiger, flacher Sound, wie man ihn von den frühen, ähnlich motivierten Alben der Wiener Band Der Blutharsch kennt. Das macht ein wiederholtes Hören anstrengend, denn gerade die Stimmen leiden unter diesem Low-Fi-Effekt. Dabei hat das durchaus kinematographisches Potenzial stellenweise. Und einen verführerischen Lounge-Aspekt. Doch Bordel Militaire wird sein Publikum ohnehin finden, dem Thema, Anmutung und personelle Vernetzung ausreichen, um ein Album zum Kult zu erheben. Einen Kult der absoluten Vergänglichkeit, versteht sich... MaNic |
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