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Stefanie Fries
Die Kindfrau Lolita im Wandel der Zeit
Vergleichende Betrachtung des Romans von Vladimir Nabokov
mit den Verfilmungen von Stanley Kubrick und Adrian Lyne
1. Einleitung
Im Zentrum des folgenden Artikels stehen der Themenkomplex
der Kindfrau sowie der damit verbundene Mythos. Zu Beginn erfolgt eine
historisch-systematische Untersuchung des Phänomens, daran anschließend
wird der Roman Lolita (1955) von Vladimir Nabokov mit seinem Entwurf der
Kindfrau in Bezug auf die Verfilmung des Werkes durch Stanley Kubrick
(Lolita 1962) und Adrian Lyne (Lolita 1997) analysiert. Der Schwerpunkt
der Betrachtung liegt auf der Konstruktion Lolitas durch den Erzähler
und Protagonisten Humbert Humbert. Hierbei werden über die Rekonstruktion
von Nobokovs Erzählstrategien hinaus auch die veränderten Zensurbedingungen
der jeweiligen Zeit und die daraus resultierende veränderte Darstellung
der Kindfrau Lolita in den Filmen berücksichtigt. Das Spannungsverhältnis
Humberts zu Lolita soll anhand der exemplarischen Szenenanalyen des ersten
Anblicks sowie des ersten Geschlechtsakts beleuchtet werden. Abschließend
erfolgt ein kurzer Exkurs auf die weibliche Sicht der Kindfrau in 36 Fillette
von Catherine Breillat.
2. Der Mythos der Kindfrau
Andrea Bramberger schreibt im Jahr 2000 ein umfassendes
Buch über das Phänomen der „Kindfrau“. Schon im
Vorwort fasst sie zentrale Motive des Mythos zusammen, dem sie die Ambivalenz
als Wesensmerkmal zugrunde legt. Sie attestiert, dass die Kindfrau „beschreibbar“
aber nicht „fassbar“ sowie faszinierend und gleichzeitig erschreckend
wäre.(1) Folgende Eigenschaften schreibt sie ihr zu: „geheimnisvoll,
exotisch, atemberaubend“, „undogmatisch“, „treulos“,
„heimatlos“, „ungebunden“, „unverfälscht“,
„schüchtern, introvertiert“, „insistierend und
unerhört absichtsvoll“.(2) Die Kindfrau vereine eine „Kombination
von Sexualität und Nichtsexualität, von Bewusstheit und Nichtbewusstheit,
von Naivität und Überlegenheit“.(3)
Beate Hochholdinger-Reiterer unterstützt diese Wesensthese und beschreibt
die Kindfrau als ein „raffiniertes, stets neu zu belebendes Konstrukt“
und „kulturhistorisches Phänomen“.(4) Ein weiteres konstituierendes
Merkmal der Kindfrau ist deren Erschaffung durch den männlichen Blick.
Ohne ein Gegenüber, das sie erschafft, existiert sie nicht.(5) Somit
muss sich eine Betrachtung der Kindfrau immer auch auf ihr Gegenüber
konzentrieren, wie auf Humbert Humbert, durch dessen männlich-begehrenden
Blick Lolita erscheint. Nabokov lässt seine Erzählfigur offen
über die subjektive Konstruktion von Lolita reflektieren: „What
I had madly possessed was not she, but my own creation, another, fanciful
Lolita – perhaps, more real than Lolita; overlapping, encasing her;
floating between me and her, and having no will, no consciousness –
indeed, no life of her own.“ (S. 68). Hochholdinger-Reiterer verdeutlicht,
dass sich der männliche Begehrer mit der Konstruktion von seinem
schlechten Gewissen und von moralischer Schuld zu befreien sucht.(6) Bramberger
konstatiert, dass die Kindfrau, oft von Männern konstruiert, auch
als männliche Reaktion auf Emanzipationsgedanken gelesen werden kann,
sie kämpfe nicht und sei völlig unpolitisch.(7) Ambivalent dazu
sieht Bramberger, dass der Entwurf der Kindfrau zugleich „eine positive
Idee autonomer Weiblichkeit und weiblicher Souveränität“(8)
ist. Sie fasst die Differenz der Kindfrau zusammen:
Jene Ambivalenz, als personifizierte Männerphantasie einerseits männlichem
Begehren genüge zu leisten, andererseits aber als jene mythische
Figur zugleich Eigenständigkeit zu besitzen und Idee einer Alternative
zum binären Geschlechtermodell zu sein, ist wohl eine der wesentlichsten
und interessantesten Bedeutungen der Kindfrau.(9)
Ausgangspunkt für die Diskussion um die Kindfrau sei
immer ihre (angedeutete) Sexualität, die das Zwischenstadium, in
dem sie sich befinde unterstreicht:
Tatsächlich existiert die Kindfrau nur in der Kombination von gut
und böse, und zwar deshalb, weil dieser Zwiespalt um ihre Sexualisierung
die Grundlage ihrer phantasmatischen Existenz bildet. Es ist allein ihre
Sexualisierung, die sie aus dem Kreis der 'normalen Mädchen’,
ihre Desexualisierung, die sie aus dem Kreis der 'normalen Frauen’
löst. (10)
Die Kindfrau befindet sich in einem Zwischenstadium zwischen
Kind und Frau, in dem sie verhaftet bleibt, Stagnation ist ein bestimmender
Teil von ihr. Dies wird deutlich wenn Humbert sagt: „I knew I had
fallen in love with Lolita forever; but I also knew she would not be forever
Lolita“. (S. 72)
Nabokov beschreibt das 'dritte’ Geschlecht der Kindfrau, indem er
Humbert sagen lässt: „My world was split. I was aware of not
one but two sexes, neither of which was mine; both would be termed female
by the anatomist“. (S. 17f.) Die Kindfrau hat keine Möglichkeit
der Entwicklung, sie kann sich höchstens verwandeln, in diesem Fall
wird der Fortgang der Geschichte dann ihrer Verwandlung angepasst.(11)
Der besondere Ort, den die Nymphe einnimmt impliziert nach der Beschreibung
von Nabokovs Erzähler ein Jenseits der normalen Ordnung in totaler
Erfüllung: „Reader must understand that in the possession and
thralldom of a nymphet the enchanted traveller stands, as it were, beyond
happiness. For there is no other bliss on earth comparable to that of
fondling a nymphet. It is hors concours, that bliss, it belongs to another
class, another plane of sensitivity.” (S. 188)
Die Materialisierung der Kindfrau, wenngleich dem Zuschauer durch die
Vorstellungskraft und Besitzansprüche Humberts offenbart, hebt nicht
ihre Sexualität und den Mythos durch eine potenzielle Fassbarkeit
auf. Bramberger unterstreicht jedoch, dass sich die Kindfrau nicht nach
moralischen Maßstäben fassen ließe und schlägt in
der Dekonstruktion der kindfraugenerierenden Diskurse ein alternatives
Verständnis der Kindfrau vor(12), denn sie sei als „Irritation“
innerhalb der Diskurse um Weiblichkeit und Kindlichkeit zu verstehen.
Horst-Jürgen Gerigk unterstreicht, dass sie jedem gehöre, der
ihr verfällt und somit eben keinem gehöre.(13) Am Ende der Dekonstruktion
steht die Erfahrung, dass der Entwurf der Kindfrau versucht die binären
Denkstrukturen zu überwinden, deren Erfüllung sie nicht sein
kann. Die Kindfrau lässt sich nicht bis ins Letzte erfassen, es gibt
keine festgeschriebene Erkenntnis, die den Mythos allumfassend erklären
würde.(14)
2.1 Historische Verortungen der Kindfrau
Das Konstrukt der Kindfrau erscheint vor allem im ausgehenden
19. und 20. Jahrhundert, dessen Voraussetzung die Trennung von Kindheit,
Jugendalter und Erwachsenenalter ist. Dabei treten die ersten Kindfrauen
der Literatur oft als „Hürchen“(15) oder später
als femme fragile auf. Währende der Aufklärung wird die Kindheit
erstmalig als eigener Lebensabschnitt betrachtet. Als Vorreiter heben
Jean-Jacques Rousseau mit Émile ou de L’Education (1762)
und Johann Gottfried Herder zu ihrer Zeit diesen Gedanken hervor, ebenso
wie sie den Entwicklungsgedanken der Kindheit festhalten. Herder unterstreicht
die Notwendigkeit, die kindliche Lebensphase erzieherisch zu schützen
und warnt vor potenziell lebenslang wirkenden traumatisierenden Erfahrungen.
Nicht zu früh reiße sie auf, die lebensschwangere Knospe, lass
sie sich ins Laub der Bescheidenheit und oft Dumpfheit, wie wir sagen,
verstecken. Es ist ein unersetzlicher Schade, wenn man die liebe jungfräuliche
Blume aufbricht, dass sie lebenslang welke.(16)
In der Romantik wird die Kindheit als Lebensabschnitt der
Reinheit in verschiedensten Ausprägungen idealisiert und als bewahrenswert
in die anderen Lebensphasen übertragen.
Die Nymphe nach Nabokovs Definition weist große Nähe zu mythischen
Wasserwesen auf; die Nymphen der Literaturgeschichte werden oft dem Element
Wasser zugeordnet, wie u. a. Hochholdinger-Reiterer festhält:
Die Kindfrau ist ein Geschöpf des Wassers, weil Zuschreibungen und
Attribute, die die Kindfrauen-Konstrukte unter anderem konstituieren bzw.
die in der Folge des Konglomerat eines Kindfrauen-Images ausmachen, von
den Beschreibungen der mythischen Nymphen übernommen, variiert und
neu funktionalisiert worden sind.(17)
Im Jahr 1811 zeichnet Friedrich de la Motte-Fouqués
mit Undine, den ersten Mythos der verführerischen Kindfrau aus dem
Wasser auf. Wasser wird als literarisches Motiv, als ‚Quell des
Lebens’ und zugleich in seiner Zerstörungskraft auch als ‚Flut
des Todes’ eingesetzt. Schon bei der ersten Begegnung von Lolita
und Humbert in Lynes Verfilmung, dem Anfangspunkt von Humberts materialisierter
Obsession, liegt Lolita nass durchtränkt unter einem Rasensprenger
und lächelt Humbert unschuldig und zugleich in seinen Augen verführerisch
an. Um ungestört mit Lolita leben zu können, denkt Humbert daran
Charlotte, die er aufgrund ihrer unbeholfenen Schwimmbewegungen „eine
sehr mittelmäßige Undine“ (S. 140) nennt, im Hourglass
Lake zu ertränken – Charlottes Zeit scheint sprichwörtlich
abgelaufen.
Der Begriff Kindfrau wird erst im 20. Jahrhundert geprägt, doch verfestigt
sich die Idee der Verbindung von Frau und Kind vor den zeitgenössischen
Diskussionen um Weiblichkeit, Sexualität und der Auffassung der Kindheit
im 19. Jahrhundert.(18) Fritz Wittels fasst den Begriff des „Kindweibes“
(1907) zum ersten Mal auf und positioniert diese Weiblichkeitsvorstellung
diametral zum emanzipierten „Mannweib“, definiert das Kindweib
aufgrund seiner ursprünglichen Schönheit weiter zum „Urweib“.(19)
Wittels und u. a. André Breton schreiben die Kindfrau als real
existierendes Geschöpf fest.(20) Bramberger hingegen bestimmt wie
herausgearbeitet die Kindfrau als konstruierten Mythos außerhalb
der binären Geschlechterordnung. Sie führt die Vorstellung des
sozialen und biologischen Geschlechts [gender und sex nach Judith Butler]
noch einen Schritt fort, wenn sie sagt, dass „mit der Kindfrau […]
die Logik einer eindeutigen Festschreibung des Geschlechts transzendiert
[wird]“.(21) Später spitzt sie diesen Gedanken noch weiter
zu und sagt: „Mit der Kindfrau wird ein Riss im Geschlecht benannt,
der von Bildern oder Metaphern des Kindlichen besetzt wird.“(22)
Hochholdinger-Reiterer teilt die Annahme von Bramberger, dass es die Kindfrau
als literarisch eindeutig definierbare Figur nicht gibt und aus dem Kontext
der Zeit immer wieder neu konstruiert wird(23). Sie siedelt zudem das
Bewusstsein der Kindfrau um die eigene erotische Ausstrahlung in einem
Zwischenbereich an. In der Betrachtung von Lolita soll dies auch beachtet
werden. Gerigk verweist darauf, dass Oscar Wildes Salome (1893) und Nabokovs
Lolita den „Archetypus der Kindfrau“ ins Bewusstsein gebracht
haben.(24) Er schreibt, dass die Figuren aus dem Zeitgeist des 19. Jahrhunderts
in Frankreich und dem amerikanischen des 20. Jahrhunderts heraus entstanden
wären. Hier ist die Kindfrau ein radikal unbürgerliches Wesen,
das keinen Platz in der bürgerlichen Welt hat, die u. a. vom amerikanischen
Puritanismus der 50er Jahre geprägt ist.(25) Er sieht Lolita als
gezielte Provokation, den Entwurf der Kindfrau als „Pointe“,
wobei der Leser die Geschichte Salomes durch Salomes Perspektive wahrnimmt
im Gegensatz zur Humberts projizierten Lolita.
Im Berliner Varieté Wintergarten feiern erstmals 1894 The Five
Sisters Barrison als angebliche Schwestern mit ihrer kindfrauenhaften
Show große Erfolge.(26) David Wark Griffith und Charlie Chaplin
etablieren in der Stummfilmära die Kindfrau zur Protagonistin. Lillian
Gish spielt von 1908 bis 1912 die Hauptrollen in Griffiths Biograph-Filmen.
Jackie Coogan ist in The Kid (1921) vier Jahre alt; Chaplin variiert seine
Kindfrauen vom Tragischen ins Komödiantische und der Flirting Angel
wird zum Stereotyp mit den wesentlichen Gestaltungsmerkmalen der Kindfrau.(27)
Mary Pickford, die im Alter von 16 Jahren anfängt mit Griffith zu
drehen, wird später zum Star des Starsystems. Hochholdinger-Reiterer
untersucht die erfolgreiche Theater- und Filmschauspielerin Elisabeth
Bergner, die 1921 ihren Durchbruch feiert. Die Autorin schreibt Bergner,
die sie als inszenierte Kindfrau sieht, die großen Erfolge ihrer
Karriere der Tatsache zu, dass sie eine erwachsene Frau in einem kindlichen
Körper sei, die sich der „Verführungskraft der Unreife“
bewusst war.(28) In den 30er und 40er Jahren sind die Kinderstars Shirley
Temple und Judy Garland die Schauspielerinnen mit der größten
Publikumswirkung. Wie Elisabeth Taylor und Deanna Durbin haben sie bald
einen fraulichen Körper, stehen jedoch als asexuelle Nymphen für
eine ideelle Jugend, Unschuld, Mut und Fröhlichkeit in der Depressionsära.
Durch die Unschuld ziehen die Kindfrauen ein breites Publikum an, ohne
das familiäre System zu bedrohen.(29)
Elia Kazan dreht 1956 Baby Doll mit Carroll Baker als neuem Entwurf einer
Kindfrau. Der Film wird von der Legion of Decency der katholischen Kirche
verurteilt. Obwohl es in dem Film nicht explizit um Sex geht, ist die
unterschwellige Stimmung durchgängig sexualisiert, der voyeuristische
Blick der männlichen Figuren und der Kamera sehr präsent. Der
Film löst einen Boom von Kindfrauendarstellungen in den 60er Jahren
aus mit jungen Schauspielerinnen wie Tuesday Weld, Carol Lynley, Hayley
Mills, Leslie Caron, Audrey Hepburn, Shirley McLaine oder Doris Day, die
zum Teil älter wirken und deren ansetzende sexuelle Ausstrahlung
bewusst inszeniert wird. In den Filmen der 70er und 80er Jahre werden
die Kindfrauen-Darstellerinnen deutlich mit weiblichen Attributen ausgestattet,
die Sexualität offen inszeniert, wie am Beispiel von Paper Moon (1973)
mit Tatum O’Neal, Taxi Driver (1976) mit Jodie Foster, Pretty Baby
(1978) mit Brooke Shields oder Tess (1979) mit Nastassja Kinski.(30)
Durch die verschiedenen Jahrhunderte wurde der Mythos der Kindfrau jeweils
an seine Zeit angepasst und verändert. Viele konstitutive Merkmale
wiederholen sich in mannigfalten Ausformungen. Wie einige kurz benannte
Beispiele zeigen, wird die Darstellung der Kindfrau in Amerika im Laufe
des 20. Jahrhunderts mit der Liberalisierung und dem Nachlassen der Zensur
immer freizügiger. Vor allem im Amerika der 90er Jahre ist jedoch
durch prüde Strömungen wieder eine Einschränkung in den
Darstellungen von Kindfrauen zu beobachten.
3. Vladimir Nabokovs Lolita – Eine Definition
der Kindfrau
Vladimir Nabokov schafft mit Lolita eine Kindfrau(31), die
definitorisch den „Lolita-Komplex“ bestimmt. Der Komplex beschreibt
die Obsession eines älteren Mannes zur einer Kindfrau. Nabokov definiert,
dass der Altersunterschied mindestens zehn Jahre, oft jedoch dreißig
oder vierzig Jahre beträgt. Das Streben des älteren Mannes nach
naiver Vollkommenheit in der sexuellen Vereinigung mit einem jungen Mädchen
(oder Jungen) bewegt sich an der Grenze des akzeptierten ‚Normalen’;
die klassische familiäre Struktur wird in Lolita gänzlich unterlaufen.
So bewegen sich Humbert und Lolita am Rand der Gesellschaft, sind fortwährend
unterwegs und fliehen vor gesellschaftlichen Konventionen. Dabei versucht
Lolita selbst dem Begehren Humberts auszuweichen, schürt durch die
Subversion dieses aber, wie Bramberger aufzeigt.(32) Die sexuellen Kontakte
mit Lolita sind konstante Motivation für Humbert und aus ihnen resultiert
das Machtverhältnis der beiden, ein Streit um Kontrolle, Vergnügen
und Bestrafung.
George Bataille verweist in seinem Vortrag „Die Erotik und die Faszination
des Todes“ auf die essentielle Bestimmung der Erotik für die
Lebensführung:„[…] [E]inzig die Erotik eröffnet
uns die Kontinuität des Seins, sie allein eröffnet uns das blendende
Spiel des Seins.“(33) Dabei unterscheidet Bataille zwischen der
Erotik der Körper, der Erotik der Herzen und der spirituellen Erotik,
in diesem Sinne könnte man die Obsession Humberts aus einer Vermischung
der Erotik der Körper und der Erotik der Herzen betrachten. Er versucht
Kontinuität in der Verschmelzung mit seiner utopischen Lolita zu
erreichen, die sich jedoch nicht erfüllen kann. Zudem wird bei Erreichen
die Utopie zur Realität und somit zerstört.
In den einleitenden Kapiteln des Romans beschreibt der Erzähler Humbert
die Charakteristiken der Kindfrau, welche er als „dämonische
Nymphe“ festschreibt:
Between the age limits of nine and fourteen there occur maidens who, to
certain bewitched travellers, twice or many times older than they, reveal
their true nature which is not human, but nymphic (that is, demoniac);
and these chosen creatures I propose to designate as ‚nymphets’.
[…] Between those age limits, are all girl-children nymphets? Of
course not. Otherwise, we who are in the know, we lone voyagers, we nympholepts,
would have long gone insane. Neither are good looks any criterion; and
vulgarity, or at least what a given community terms so, does not necessarily
impair certain mysterious characteristics, the fey grace, the elusive,
shifty, soul-shattering, insidious charm that separates the nymphet from
such coevals of hers as are incomparably more dependent on the spatial
world of synchronous phenomena than on that intangible island of entranced
time where Lolita plays with her likes. (S. 15f.)
Humbert bzw. Nabokov entleiht die Naturgottheit dem griechischen
Volksglauben, unterstreicht den übernatürlichen dämonischen
Charakter der „Braut/Jungfrau“ und überträgt die
mythischen Züge auf sein Konstrukt der Kindfrau, das mehr ist als
Kind oder Frau. Er antizipiert das Unmögliche: „the great rosegray
never-to-be-had“ (S. 300). Humbert konstruiert unentwegt eine mögliche
objektive Existenz der Kindfrau, relativiert sie jedoch wieder und hebt
sie gleichsam auf.(34) Somit beantwortet Nabokov die Frage nach einer
objektiven Erkennbarkeit von Kindfrauen durch die subjektiven Fixierungen
seines Erzählers, rekurrierend auf das Kindheitstrauma des Protagonisten
– mit tödlichem Ausgang: „I should have understood that
Lolita had already proved to be something quite different form innocent
Annabel, and that the nymphean evil breathing through every pore of the
fey child that I had prepared for my secret delectation, would make the
secrecy impossible, and the delectation lethal.” (S. 141). 1928
schreibt Nabokov seine Version von Lilith, naturnah und „klischeehaft
weiblich“(35). Die Wesenszüge von Lilith, als Dämonin
mit ambivalenter Seele und emanzipiertes Gegenbild zu Eva, lassen sich
auch auf seinen Kindfrauen-Entwurf Lolita übertragen, indem Humbert
sich als „fairytale nurse“ oder „vampire“ bezeichnet.(36)
In den Filmen in aller Deutlichkeit ausgespart, erwähnt Humbert,
dass er aufgrund seiner Nympholepsie mehrfach in einem „Sanatorium“
war. Die Zwangsjacke, die ihm nach Lolitas Verschwinden im Krankenhaus
umgelegt wird, verdeutlicht die geisteskranken Züge seines Charakters.
Hier bietet Nabokov ein mögliches Erklärungsmuster für
Humberts Begehren an.
Bramberger weist noch einmal auf die Ambivalenz der Kindfrau hin, wenn
sie sie trotz der Zuschreibung von intentionaler Verführung als „Spielball
männlicher Imagination“ und „passives Opfer“(37)
beschreibt, gleichzeitig diese Position aber im Roman gebrochen wird und
eine eindeutige Festlegung der Figur unmöglich wird:
Er [Nabokov] nimmt den Positionen jeweils ihre schlagkräftigsten
Argumente, indem einerseits Lolita als dem ‚unschuldigen Kind’
Jungfräulichkeit und sexuelle Unbedarftheit abgesprochen und sexuelles
Begehren zugesprochen wird, andererseits Humbert als der 'Verführer’
sich selbst als triebhafter Verbrecher an Lolita, als Sklave seiner Begierde
darstellt.(38)
So wie das Konstrukt sexuell motiviert ist, sieht Bramberger
Lolita ohne moralische Motivation handelnd, nie berechnend oder begreifend.(39)
Hochholdinger-Reiterer nimmt die Schaffung Lolitas durch Nabokov als prototypische
Kindfrau wahr. Die Festlegung eines abstrakten Konstruktes auf einen „beliebigen
Mädchennamen“(40) sei das Ende des Mythos der Kindfrau.
Vladimir Nabokovs Lolita lässt sich als Abgesang auf die Kindfrau
lesen. Denn Lolita entzieht sich den Phantasien Humberts Humberts schließlich
durch Flucht, dass heißt sie entzieht ihm ihren Leib, mach die Beleibung
seiner Phantasien rückgängig, und sie führt darüber
hinaus das Kindfrauen-Konstrukt ad absurdum, indem sie Mutter wird.(41)
Lolita scheint so plastisch als Kindfrau entworfen, dass
ihr Name von nun an als Synonym für die Kindfrau gilt und vielseitig
eingesetzt wird. Die Festlegung und Fassbarkeit der Figur werden durch
das Medium Film noch stärker akzentuiert. Hochholdinger-Reiterer
wirft die Frage auf, was aus dem sich immer wieder verändernden Konstrukt
wird, wenn man es derart festlegt:
Was passiert, wenn die Kindfrau plötzlich auf der Leinwand erscheint?
Wie überlebt sie, die Unfassliche, wenn sie gebannt zu werden droht,
wenn sie konservierbar und beliebig reproduzierbar geworden ist? Denn
der Blick auf die Kindfrau im Film ist verändert, anders gerichtet
nunmehr, ist gelenkt im Vorhinein.(42)
Sinclair hält dem die Auffassung entgegen, dass die
Kindfrau sich gerne als Mittelpunkt begreift und der Film ihr dies ermöglicht:
„Der Film ist das Element der Lolita, ihr Medium. […] Die
Nymphe hat einen angeborenen Hang zum Narzissmus und der beste Weg ihn
zu befriedigen ist das Erscheinen auf der Leinwand.“(43) Bramberger
sieht die „artifizielle Natürlichkeit“(44) als ein Wesensmerkmal
der Kindfrau, in ihr würden Inszenierung und Authentizität verschmelzen.
Dabei wirft sie die Frage auf, ob im Schauspiel der Kindfrau nicht ein
Widerspruch begründet wäre und beantwortet diese mit der fiktiven
Konstruktion der Kindfrau: „Lolita verkörpert als Kindfrau
diese Kombination von ‚kindlichem’ und ‚weiblichen’
Spiel, indem sie, die nichts als Fiktion ist, sich selbst spielt.“(45)
Und so spielt Lolita die perfekte Nymphe in Quiltys Theaterstück
The Enchanted Hunters(46).
3.1 Annabel Leigh – der Ursprung von Humberts
Nympholepsie
Humbert möchte mit Lolita die perfekten Momente des
Glücks seiner Kindheit, die er mit seiner ersten großen Liebe
Annabel, der „verhängnisvollen Ur-Elfe“ seines Lebens,
verbracht hat, wiederholen. Humbert beschreibt die Liebe zur 13-jährigen
Annabel und den fatalen frühen Tod von ihr als auslösendes Moment
für seine Obsession mit Nymphen:
Ich bin jedoch überzeugt, dass Lolita auf eine gewisse magische und
schicksalhafte Weise mit Annabel begann. Ich weiß auch, dass der
Schock, den Annabels Tod mir verursachte, das darbende Verlangen jenes
Alptraumsommers fixierte und es all die kalten Jahre meiner Jugend zum
dauernden Hindernis für andere Liebesregungen machte. (S. 21)
Durch diese Erklärung versucht Humbert seine Nympholepsie
zu rechtfertigen. In Lynes Verfilmung sagt Humbert: „I kept looking
for her long after I left my own childhood behind. The poison was in the
wound you see, and the wound wouldn’t heal.”
Der Name Annabel Leigh kann in direkter Referenz zu Edgar Allan Poes Gedicht
Annabel Lee (1849) gelesen werden. In dem Gedicht erzählt Poe von
einer jungen überirdischen Liebe, die von Neidern zerstört wird
und über den Tod hinausgeht. Er beschwört die Liebe an einem
besonderen Ort, dem „kingdom by the sea“, welches der Arbeitstitel
von Nabokovs Lolita war. Lucy Maddox unterstreicht den traumhaften Charakter
des Königreichs am Meer, die Idee der Kindfrau:
The source of Humbert’s despair is his inability to recognize that
the kingdom by the sea which is the true home of the nymphets is a country
of the mind, and that sanity, morality, and even love require a clear
distinction between the ideal and the actual, between art and life.(47)
Poes Gedicht trägt autobiographische Züge; er
war selbst in seine kindliche Cousine Virginia Clemm verliebt, die er
später heiratete. Nabokov spickt seinen Roman mit weiteren direkten
Anspielungen an Poe, u. a. wenn der Erzähler sich „Mr. Edgar
H. Humbert“ (S. 122) oder „Dr. Edgar H. Humbert“ (S.
194, S. 306) nennt. Poes Charaktere, die meist obsessiv nach dem Idealen
streben werden oft zur grotesken Figuren, wie Verrückte und Mörder;
Quiltys Pavor Manor erinnert an Poes House of Usher. Die Gestaltung Lolitas
durch Humberts Erzählung erinnert an die dark ladies von Poe, die
meist das Objekt eines düsteren Helden sind.(48) Annabel Lee kann
als femme fragile gesehen werden. Gleichzeitig nennt Humbert Lolita auch
„Carmencita” oder “Litte Carmen”, was sich auf
Prosper Mérimees femme fatale Carmen bezieht.(49) Hier wird die
Heterogenität des Charakters der femme enfant wieder deutlich. Als
Humbert, Charlotte und Lolita ins Kino gehen schauen sie sich The Curse
of Frankenstein (1957) an. Hier wird ein Toter zum wiederbelebten Monster,
im übertragenen Sinne lässt sich daran Lolita als wieder auferstandene
Annabel sehen, die sich wie das Monster am Ende gegen seinen Erschaffer
Humbert wendet.
Ein wesentlicher Unterschied zur Inszenierung von Kubrick ist der Einsatz
Lynes von Humberts traumatischer Kindheitserfahrung mit Annabel Leigh.
Lyne blickt zu Beginn seines Films in das Jahr 1921 zurück und stellt
so die Erklärung und Rechtfertigung für Humberts Obsession der
Kindfrau dar. Dieser traumähnliche Exkurs inszeniert in nostalgischen
grobkörnigen Bildern die „Ur-Elfe“ in ihrer Natürlichkeit.
3.2 Die Erzählstruktur des Romans
Nabokov konzipiert seinen Roman als fiktionalisierten Erlebnisbericht
Humberts. Humbert möchte den Leser, den er immer wieder direkt anspricht
(„Reader!“, „Gentlemen of the jury!“ S. 77) und
dessen Reaktionen er antizipiert, über faktische Tatbestände
informieren; dabei ist zu beachten, dass alle Figuren und Ereignisse subjektive
Schilderungen von ihm sind. Teilweise bedient er sich eines magischen
Märchenvokabulars wie: „a spell“, „enchanted island
of time“, „fateful elf“, „demon child“ und
schafft dadurch eine surreale, (alp)traumhafte Atmosphäre, die die
märchenähnlichen Namen The Enchanted Hunters des Hotels und
des Theaterstücks Quiltys sowie Pavor Manor, Quiltys Villa des Schreckens,
unterstützen.(50) Das Vorwort von „Dr. phil. John Ray jun.“
informiert den Leser darüber, dass der Erzähler Humbert während
seiner Untersuchungshaft an einem Herzinfarkt verstorben ist und es wird
der Eindruck einer Verteidigungsschrift und Erklärung Humberts für
seine Taten, potenziell an die Geschworenen – Stellvertreter der
Gesellschaft – den Leser gerichtet geweckt. Zunächst wird durch
Nennung von Daten und Orten der Eindruck des Faktischen evoziert, bei
genauem Lesen wird die Parodie auf den Deutungsversuch des Romans durch
John Ray deutlich und der Leser rückt in eine distanzierte Position.
Nabokov konzipiert seinen Erzähler eindeutig als unreliable narrator,
er ist Handelnder und Vermittelnder zugleich. Humbert betont in seiner
Selbstdarstellung immer wieder, dass er Künstler sei. Durch den Transfer
seiner Geschichte in den Bereich der Kunst versucht der Erzähler
seine Schuldgefühle zu sublimieren. Humbert verbindet in seinen Beschreibungen
immer wieder die Bereiche der Kunst mit den Bereichen des Lebens. Nabokov
legt die Figur so an, dass sie oft nicht in der Lage ist zwischen beiden
Ebenen zu unterscheiden. Die kunstvolle Sprache Nabokovs reflektiert Humberts
wiederholtes Schreiben über den Schaffungsprozess, es entsteht eine
eigene imaginierte Welt aus einer verfremdeten Perspektive, die als Angriff
auf die reale Gesellschaft betrachtet werden kann: „I [Humbert]
do not know if these tragic notes I have sufficiently stressed the peculiar
‚sending’ effect that the writer’s good looks –
pseudo-Celtic, attractively simian, boyishly manly – had on women
of every age and environment.“ (S. 116f.).
Humbert äußert gegen Ende des Romans Reue für seine Misshandlung
Lolitas: „Hätte ich mir selbst den Prozess zu machen, so verurteilte
ich Humbert wegen Vergewaltigung zu mindestens fünfunddreißig
Jahren und ließe den Rest der Anklage fallen.“ (S. 503) Doch
auch dieses Zitat offenbart Humberts gestörte Selbstwahrnehmung,
da er den Mord an Quilty negiert. An vielen Stellen scheint Humbert sich
selbst für eine moralische Person zu halten, dann wieder persifliert
er gesellschaftliche Moralvorstellungen. Nabokov nimmt keine eindeutige
Positionierung vor und er Leser kann zwischen verschiedenen Lesarten wählen.
Maria-Regina Kecht sieht die menschliche Seite Humberts durch die Erzählkonstruktion
Nabokovs affektiv so abgebildet, dass der Leser ihn nicht nach moralischen
Maßstäben verurteilen kann:
Unser gewohntes Wertesystem wird außer Kraft gesetzt, und obwohl
wir wissen, dass Humbert Humbert an Lolita ein Verbrechen begangen und
auch noch einen Mord verübt hat, gelingt es uns nicht, ihn zu verurteilen.
Seine Erzählweise lässt unter der Oberfläche von Witz und
Humor genügend menschliche Tragik erahnen, um unsere Distanz zu Humbert
wieder aufzulösen und Mitleid hervorzurufen.(51)
Durch lyrische Beschreibungen schwächt Humbert seine
Perversion ab. Er bricht die antizipierte moralische Reaktion des Publikums,
in dem er an vielen Stellen selbst die Absurdität seiner Gefühle
unterstreicht und die Erzählperspektive wechselt, wie nach dem ersten
Geschlechtsakt mit Lolita: „More and more uncomfortable did Humbert
feel. It was something quite special, that feeling: an oppressive, hideous
constraint as if I were sitting with the small ghost of somebody I had
just killed.” (S. 158)
Humbert formt und verändert die Welt nach seinen (Traum)Vorstellungen.
Zum Teil scheint ihm dies bewusst zu sein, an der Existenz seiner naturgegebenen
Nymphe hält er jedoch fest. Über weite Teile scheint der konstruierte
Erzähler nichts Verwerfliches am Sex mit der jungen Lolita wahrzunehmen.
Nabokov spielt mit dem Leser, wenn er Humbert immer wieder offen sich
selbst, seine Unzulänglichkeiten und sein Vorgehen betonen lässt:
„Instead of basking in the beams of smiling Chance, I was obsessed
by all sorts of purely ethical doubts and fears.“ (S. 118). Renate
Hof differenziert zwischen dem ironischen und dem unglaubwürdigen
Erzähler, wobei Humbert Züge von beiden trägt.
Nabokov setzt ironische und parodistische Stilmittel wie die Generalisierung
angeblich allgemeingültiger Fakten, das Herauslösen von Merkmalen
aus bekannten Zusammenhängen, Impersonalisierungen, Dehumanisierungen,
Dissoziationen, den Wechsel der Erzählperspektive von der ersten
zur dritten Person, Wortspiele wie Alliterationen und Neologismen zu Nonsense-Konstruktionen,
ein, um Humberts chaotisches Innenleben abzubilden. Humberts Umgebung
und andere Charaktere des Romans erscheinen grotesk (sexuell abartig oder
missgestaltet), da er sie projiziert. Nabokov forciert groteske Wendungen
in der Geschichte indem er Humbert unvermittelt „McFate“ begegnen
lässt und Unmögliches möglich wird, wie z. B. der Tod Charlottes.
Durch die Vermischung von künstlerischer Sprache, lyrischen und französischen
Einschüben mit Lolitas Teenager-Sprache und seiner Bemühung
um amerikanische Idiomatik erzeugt Nabokov eine groteske Spannung durch
die Erzählkonstruktion, die durch die Diskrepanz zwischen der ironisch-komischen
Darstellungsweise und dem tragischen Handlungsverlauf verstärkt wird.(52)
Nabokov durchzieht die Erzählstruktur seines Romans mit literaturhistorischen
Anspielungen auf den Mythos der Kindfrau und etabliert so durchgängig
einen ironischen Grundton. Kann der Leser den Text aufschlüsseln,
solidarisiert er sich mit Humbert und kann über die angeblichen Geschichten
lachen. Humbert wird dann als Erzähler unglaubwürdig, wenn er
selbst das Objekt der Ironie Nabokovs wird: „Imagine me [Humbert];
I shall not exist if you do not imagine me […].“ (S. 146).
Zwar scheint Humbert die Reaktionen des Rezipienten immer zu kennen, ist
aber selbst als Figur teil der Erzählung und somit der Willkür
des Autors ausgesetzt, der die Manöver Humberts im Laufe der Geschichte
durchschaubar macht.(53) Am Ende erfüllt er seine Rolle, erst wird
er zum Mörder und stirbt dann selbst. Seeßlen unterstreicht
die Wichtigkeit der Täuschungsmanöver des Romans, die Nabokov
benutzt, um den Leser in die Irre zu führen: „Im Roman wissen
wir weniger als der Erzähler, er täuscht noch mehr als sich
selbst auch seinen Leser; im Film wissen wir dagegen mehr als er.“(54)
Die komplexe Erzählstruktur mit ihren sprachlichen Verformungen lässt
sich nicht exakt in Filmsprachen umwandeln. Abweichungen und Entsprechungen
sollen bei der Filmanalyse betrachtet werden.
4. Verfilmung des Romans
Lolita, from book to film, was a wet dream that got dry-cleaned
into a daydream. The novel was about lust that ascended into love; the
movie is about love, unrequited and unrepentant.(55)
Rezensionen bezüglich der Verfilmungen von Lolita durch
Stanley Kubrick und Adrian Lyne unterscheiden sich stark. Teilweise sehen
die Kritiker Kubricks Ansatz als gelungene Interpretation an, teilweise
als gescheiterten Entwurf von Nabokovs Idee. Ulrich Behrens beschreibt
Kubricks Verfilmung als gelungene Übersetzung des Romans:
Die – wenn auch im Film nicht gezeigten, so doch immer wieder angedeutete
– (sexuelle) Freizügigkeit, die ja auch Nabokovs Roman kennzeichnet,
arbeitet Kubrick als das heraus, was sie hier ist: als Teil eines sozialen
Geflechts, das ausschließlich aus Abhängigkeiten besteht, aus
instrumentellen Beziehungen, in denen die inzestähnliche Situation
nur ein Moment neben anderen darstellt.(56)
Ebenso wird zum Teil Lynes Ansatz als romannahe Verfilmung
bezeichnet, so Thomas Koebner: „Lynes Film erzählt also dem
Roman Nabokovs nahe, ohne ihn platt abzubilden, von dem Wahnsinn und der
Narrerei einer übergroßen und unerwiderten Liebeswahl eines
älteren Mannes […].“(57) Andreas Kilb hingegen sieht
die Komplexität durch Lyne nicht entsprechend abgebildet:
So wird Nabokovs böse Ironie in fette Gefühligkeit verkehrt.
Wo im Roman noch hinter den tollsten rhetorischen Finessen des Erzählers
immer die Ahnung aufblitzt, dass seine Version nicht die ganze Wahrheit
ist, da wirft sich Lyne bewusstlos in die Arme seiner Hauptfigur.(58)
Im Roman scheint nie ganz klar wie weit Täuschung und
Selbsttäuschung gehen, in den Verfilmungen scheint dies übersetzt
durch den Ansatz der wechselnden Erzählperspektive bzw. durch die
Blicke der Kamera: zum Teil sieht der Zuschauer Quilty durch die Perspektive
Humberts, dann scheint diese Sicht umgekehrt zu sein und Lolita tritt
im Schnittpunkt der Blicke der beiden männlichen Protagonisten auf.
Bei der zufälligen Betrachtung von Verbrecherfotos sagt Humbert im
Roman ironisch: “If you want to make a movie out of my book, have
one of these faces gently melt into my own, while I look.” (252)
Gerigk geht in seiner Analyse soweit, die Adaptionen nur als Sprachrohr
für den Roman Nabokovs zu sehen:
Wenn diese Verfilmungen dafür gesorgt haben, das Interesse an Nabokovs
Kindfrau weltweit wach zu halten, so haben sie jedoch gegenüber der
Romanvorlage kein eigenes Recht gewonnen, ja, jede von ihnen hat das Interesse
an Nabokovs Roman noch intensiver werden lassen.(59)
Anhand von exemplarischen Szenen sollen die Interpretationen
von Kubrick und Lyne unter Berücksichtigung des Wandels der Zensur
untersucht werden.
4.1 Figurenbetrachtung
I am not going very far for my
pseudonyms (S. 305)
Vor der Figurenbetrachtung soll noch einmal kurz auf die
doppeldeutige und ironische Namensgebung von Nabokov eingegangen werden.
Die alliterative Wiederholung des Namens von Humbert Humbert, in dem schon
das Doppelgängermotiv und die gespaltene Identität angelegt
sind, erinnert an Charlie Chaplin, der sich ebenfalls in ein zwölfjähriges
amerikanisches Mädchen verliebt: Lillita McMurray, wobei Lillita
der Namensgeberin des Romans Lolita ähnelt.(60) Dolores, Lolitas
richtiger Name bedeutet Schmerz und die Abkürzung Dolly unterstreicht
ihr puppenhaftes Aussehen. Der Nachname von Humberts dunklem Alter Ego
Clare Quilty reimt sich auf „guilty“ und impliziert gleichzeitig
„quill“, was eine Anspielung auf den Schriftstellerberuf ist.
Die Ähnlichkeit mit „quilt“ verweist zudem auf eine künstlich-synthetische
Konstruktion. Der Vorname Clare hat einen weiblichen Klang und deutet
Klarheit an, Clare ist der dunkle, eindeutig seine perversen Neigungen
lebende Doppelgänger ohne Scham. Die Alliterationen Nabokovs nimmt
Kubrick auf, wenn Quilty Charlotte bei dem Tanzabend fragt: „Didn’t
you have a girl with a lovely, lyrical, lilting name?“ Immer wieder
erwähnt Humbert seinen Onkel Gustave Trapp (u.a. S. 270) und verweist
somit auf Gustave Flauberts Madame Bovary und die idealtypische Schweizer
Trapp Familie. Charlottes und Lolitas Nachname Haze, versinnbildlich den
Nebel und die Benommenheit, in die Humbert sich mit Betreten des Haze-Hauses
begibt, in dem Charlotte versucht die dominante, maßregelnde Herrin
zu sein.
Kubricks Figuren wirken oft surreal, verhalten sich nicht leicht nachvollziehbar
für den Zuschauer; der Regisseur legt so eine distanzierte Betrachtungsweise
in der Figurenentwicklung an. Behrens spricht von einem grundlegenden,
„strukturellen“ scheitern menschlicher Beziehungen. Er analysiert
die Interaktion der Charaktere Kubricks und Nabokovs folgendermaßen:
„Die Beziehungen sämtlicher Personen sind geprägt von
egozentrischer Funktionalisierung der anderen, Betrug und Selbstbetrug.“(61)
Lyne betont von Beginn an den Aspekt der Liebe zwischen Humbert und Lolita
und antizipiert so die unausweichlich tragische Ausformung der Beziehung
der Charaktere im Sinn der klassischen Liebestragödie. Lyne sagt
dazu in einem Interview der amerikanischen Filmzeitschrift Premiere: „so
seltsam und schrecklich die Geschichte auch ist, es bleibt eine Liebesgeschichte“.(62)
Seeßlen sieht einen signifikanten Unterschied in der Behandlung
des Kindfrauenmythos durch die Regisseure: Kubricks Humbert würde
die kindlichen Verhaltensweisen von Lolita begehren und sich nach dem
Kind in der Frau sehnen (und somit in größerer Nähe zum
Roman stehen), Lynes Humbert fühle sich von Lolitas Kindlichkeit
provoziert und sehne sich nach der Frau im Kind.(63)
4.1.1 Humbert Humbert
Humbert is a true obsessional
Kubrick hero.(64)
Nabokovs Erzähler Humbert ist ein obsessiver Charakter,
der auf der Flucht vor der Trivialität des bürgerlichen Lebens
ist.(65) Er wird als selbstbezogen und –verachtend, als arrogant
und entschuldigend dargestellt. Er sieht sich selbst als „Spielzeug
des Teufels“ (S. 90) und als „ancient beast“ (S. 306),
evoziert die Dunkelheit seines Charakters durch seine Selbstbeschreibungen
„das umbrafarbene und schwarze Humberland“ (S. 268), gleichzeitig
unterstreicht er seine gespaltene Identität durch die vielen Epitheta,
„Humbert der Schreckliche“ und „Humbert der Kleine“
(S. 45), mit denen er sich beschreibt. Lolita ist seine Muse, durch sie
wird Humbert zum Dichter, so präsentiert er sich eher als Künstler
denn als Perverser.(66) Er imaginiert Lolita so, dass er seine Lust mit
ihr teilen kann, sie zur aktiven Verführerin wird. Humbert lebt unter
einer bürgerlichen Fassade, die seine Neigungen nach außen
verbirgt, er ist trauernder Ehemann, Stiefvater und Liebhaber in einer
Person. Gleichzeitig hat er Angst für sein Handeln bestraft zu werden
und gibt diese Angst an Lolita weiter, in dem er droht sie in ein Erziehungsheim
zu bringen. Die fatale Geschichte zeigt, dass Humbert gerade durch die
Verwirklichung seiner Obsession zum Gefangenen wird, dass er und Lolita
selbst in Momenten der Nähe einsam und isoliert bleiben.(67) Fortwährend
nimmt Humbert sich vor eindringenden Beobachtungen in Acht, Quilty scheint
allgegenwärtig und seine Eifersucht verdeutlicht die gefängnisähnliche
Position, in der er sich befindet. Diese wird verstärkt durch die
klaustrophischen Orte des Romans und des Films, wie das Haus Haze, das
Haus in Beardsley, die Hotelzimmer oder das Krankenhaus. Seeßlen
fasst dies in Bezug auf Kubricks Verfilmung zusammen: „Es sind also
die Räume der Gefangenschaft und die Bewegung, sich aus ihnen zu
befreien, die Kubricks Filmen ihre innere Struktur geben.“(68) Dabei
ist zu beachten, dass alle Figuren glauben, das „Spiel der Befreiungen“(69)
aus dem Gefängnis der gesellschaftlichen Zwänge zu kontrollieren.
Masons Humbert erscheint deutlich als Spielball von zunächst Charlotte,
dann Lolita und Quilty. Richard Corliss, Kilb und Mario Falsetto beschreiben
Humbert in Kubricks Verfilmung als das unschuldige Opfer Lolitas, die
Teil einer ‚Verschwörung des Unglücks’ sei.(70)
Er verändere Humberts Charakter vom Monster und Vergewaltiger zum
bemitleidenswerten, schwachen Stiefvater, der die hausfraulichen Pflichten
erfülle.
James Berardinelli unterstreicht, dass Jeremy Irons den Charakter Humbert
als „pathetic, needy and strangely likeable“ anlegt und der
Zuschauer sich seine Rehabilitation wünsche.(71) In einem Interview
sagt Irons über seine Interpretation der Rolle:
Er ist ja nicht mal im Roman ein Monster. Adrian Lyne wollte auch nicht,
dass ich ihn als eins spiele. Nette Menschen tun furchtbare Dinge. Es
ist ein schwieriges Thema, aber ich war immer sicher, dass der Film trotz
der Kontroversen, die es um ihn gab, ein langes Leben haben wird. Das
Bewegende an Humbert ist, dass er weiß: Es ist falsch, was er tut.
Er kann also kein Monster sein, ist eigentlich ein guter Mann mit einer
riesigen Charakterschwäche. Und um ihn zu verstehen, muss das Publikum
ihn mögen, er muss das Publikum verwirren. Ich mag kein Schwarz und
kein Weiß, meine Figuren sind grau. Filme sollten Untersuchungen
sein – sollten herauszufinden versuchen, warum wir bestimmte Regeln
in der Gesellschaft haben.(72)
4.1.2 Lolita
Wie erwähnt wird die sprachlose Kindfrau Lolita durch
Humberts Imagination generiert und besitzt kein eigenes Bewusstsein. In
dem Humbert oft einzelne Körperteile von Lolita übertrieben
beschreibt oder sieht, die zusammen gesetzt keine realistische Entsprechung
ergeben würden, schafft er eine irreale Traumvorstellung. Als Charakter
ist Lolita zunächst Kind, wird dann sexuelles Lustobjekt, und obwohl
eine Entwicklung der Kindfrau ausgeschlossen ist, wird sie am Ende als
schwangere Ehefrau gezeigt. Humbert sieht in ihr den „[…]
Körper eines unsterblichen Dämons, verkleidet als weibliches
Kind.“ (S. 226). Obwohl Lolita Humbert immer wieder zu necken scheint,
ist sie nicht an einer Beziehung mit ihm interessiert und scheint auch
in ihrer kurzen Lebenszeit nicht fähig zu sein jemanden zu lieben.
Die Fremdbestimmung schreibt Lolita ein Interesse an Sex und Erfahrungen
mit Männern zu. Bramberger beschreibt das Reibungsfeld der Kindfrau:
„Die Kindfrau existiert nur in ihrer Funktion als Sexualwesen. Darin
liegt die Dramatik und der Sinn ihrer Existenz.“(73)
Koebner unterstreicht bei Lynes Verfilmung die Umsetzung der Lebendigkeit
und Vitalität von Lolita mit kindlichen Attributen wie Zöpfen,
einem Mittelscheitel, einer Zahnspange und braunen Beinen in kindlich
kurzen Hosen. Lolita besteche durch „körperliche Zudringlichkeit“,
wobei nicht klar wäre, ob sie „arglos experimentiert“
oder „kundig stimuliert“, fährt er fort.(74) In einer
Tanzszene Lolitas sehen wir ihre impulsive „eigene Art zu tanzen“,
wie Lyne es nennt, die stark an Josephine Baker erinnert. Rolf-Rüdiger
Hamacher kritisiert im Filmdienst, dass Dominique Swain mit der „im
Roman angelegten Mischung aus Kindlichkeit und Vulgarität“
der Figur Lolita überfordert wäre.(75) Koebner fasst die beiden
Verfilmungen zusammen: „Während Kubrick aus Lolita eine träge
und antriebslose, narzisstisch selbstgefällige Puppe macht, verleiht
Lyne ihr impulsiven Charakter, sprühende Lebendigkeit, differenzierte
Persönlichkeit.“(76)
4.1.2.1 Das Ende der Kindfrau Lolita
Nach einem Zeitsprung in der Geschichte sieht Humbert eine
17-jährige Lolita wieder, die hochschwanger und verheiratet ist.
Die ‚erwachsene’ rauchende bzw. biertrinkende Lolita wird
in Ähnlichkeit zu Charlotte inszeniert, um den Tod der Kindfrau durch
ihr Älterwerden zu verdeutlichen. Nach einer für den Protagonisten
endlos langen Zeit des Verzehrens ist er davon überzeugt, Lolita
über alles zu lieben: „You see, I loved her. It was love at
first sight, at last sight, at ever and ever sight.” (S. 307). Humbert
erkennt in diesem Moment die Vergänglichkeit seiner Kindfrau nicht
an und will dem Leser mit größtem Nachdruck versichern, dass
er diese, erwachsene Lolita liebt: “I insist the world know how
much I loved my Lolita, this Lolita, pale and polluted, and big with another’s
child, but still gray-eyed, still sooty-lashed, still auburn and almond,
still Carmencita, still mine […].” (S. 317). Seeßlen
sieht die Entsprechung dazu in Kubricks Verfilmung: „Am Ende, als
Lolita ganz und gar aus ihrem Mythos getreten ist, ist Humbert endgültig
davon überzeugt, dass er sie liebt. Wenn der Film ihm dabei glaubt,
überlässt er diesen lächerlichen Mann der Tragödie.“(77)
Kecht beobachtet im Gegensatz dazu, dass das Groteske an dieser Stelle
in den Hintergrund treten würde und die Menschlichkeit zurückkehren
würde.(78)
Gegen Ende des Romans reflektiert der Erzähler seine Beziehung zu
Lolita unter dem Aspekt des Schadens, den er der Kindfrau verursacht hat:
„[…] yet I insist that had not something within her been broken
by me – not that I realized it then! […]“ (S. 264) nur
um später seinem behaupteten Nichterkennen zu widersprechen:
I loved you. I was a pentapod monster, but I loved you. I was despicable
and brutal, and turpid, and everything, mais je t’aimais, je t’aimais!
And there were times when I knew how you felt, and it was hell to know
it, my little one. Lolita girl, brave Dolly Schiller. (S. 324)
Wieder beteuert Humbert hier seine Liebe zu Lolita im Gegensatz
zur zunächst im Bekenntnis akzentuierten obsessiven Leidenschaft
als Motivation für sein Handeln. Grundsätzlich nimmt der Leser
die Aussagen Lolitas durch Humberts Perspektive in indirekter Rede wahr
und so ist sie eher Teil der komplexen Erzählstruktur als handelnde
Figur. Humbert berichtet: „’Good by-aye!’ she chanted,
my American sweet immortal dead love; for she is dead and immortal if
you are reading this. I mean, such is the formal agreement with the so-called
authorities.” (S. 320).
Kubrick zeigt Lolita mit einer dicken Hornbrille, welche sie aber nicht
überzeugend älter aussehen lässt oder ihr Schauspiel überzeugender
macht. In Bezug auf Quilty nimmt sie seine titulierte „Normalität“
auf und sagt: „He was a normal person, he was a genius.“ Sie
wirkt sehr kühl und emotional unbeteiligt gegenüber Humbert.
Im Roman, sowie in den Filmen gezeigt, beschreibt Humbert ihre Gefühle:
"He [Quilty] was the only man she had ever been crazy about.”
(S. 310) Beide Inszenierungen unterstreichen, dass Humbert am Ende an
Lolita zerbricht. Dass er ihr Leben zerstört hat ist unterschwellig
spürbar, jedoch fallen bei der Wiederbegegnung sowohl Mason als auch
Irons dramatisch weinend in sich Zusammen nach der Zurückweisung
Lolitas. In Kubricks Version versucht sie ihn zu trösten: „I’m
sorry, try to understand. I’m really sorry that I cheated so much
– but I guess that’s just the way things are.“ Swains
Veränderung wirkt etwas glaubhafter als zerrissene, ambivalente 17-Jährige
Kindfrau. Sie erscheint abgeklärt und doch etwas zugänglicher
zu Humbert. Auf seine Frage ob er ihr je vergeben könnte weicht sie
aus und antwortet: “Say goodbye Molly [ihr Hund] – to my dad.”
Sie wirkt geistig etwas langsam und scheint die Vergangenheit verdrängen
zu wollen. Der Film endet nach der Mordszene und Humberts Flucht im Auto
mit einem Schnitt auf Lolitas Gesicht, wie sie sich am Abend des ersten
Geschlechtsaktes ins Bett legt. Somit endet Lyne mit einem Bild der romantischen
Verklärung von der Kindfrau Lolita. Seine Inszenierung ist durchdrungen
von Humberts Obsession und entsprechend emotional inszeniert. Kubricks
implizite und ironische Darstellungsweise ermöglicht jedoch immer
auch eine distanzierte Betrachtung aus einer sicheren Position.
Die Konstruktion Lolita kann nicht überleben; sie stirbt bei der
Geburt ihres Kindes. Dass auch alle anderen Charaktere sterben verdeutlicht
die Unmöglichkeit der dargestellten Beziehungsstruktur. Lyne erwähnt
ihren Tod im Epilog, während Kubrick Lolita dieses pessimistische
Ende erspart. Nach der Zerstörung der Idee einer gemeinsamen Kontinuität
durch Lolita, ermordet Humbert aus Rache- und verletzten Ehrgefühlen
Quilty. Bataille sieht in der Erotik der Herzen neben dem Bild von der
Kontinuität des Seins auch den Mordgedanken angelegt:
Die Möglichkeit der Verschmelzung der Herzen enthüllt sich vor
allem durch das Leiden, unter Verhältnissen, die sie schwierig, ja
mitunter unmöglich machen; so ist die Faszination des Todes bis an
den Rand des Mordes und Selbstmordes, bei der allerheftigsten Erotik,
die die Herzen zerreißt, stets mit einbegriffen.(79)
4.1.3 Quilty
It’s not really who wins,
it’s how you play.(80)
Wie bereits beschrieben handelt sich bei Clare Quilty um
Humberts amoralisches dunkles Alter Ego, das im gleichen Alter wie Humbert
ist sowie die künstlerischen und perversen Neigungen mit ihm teilt.
Kay Kirchmann betont noch einmal diese Aufsplittung:
Der Konflikt zwischen Prota- und Antagonisten ist stets auch der Konflikt
zwischen dem gesellschaftlich legitimierten und dem gesellschaftlich dämonisierten
Anteil des Ichs […]. Allerdings reduziert Kubrick die Thematik nicht
auf eine simple Trennung zwischen guten und bösen Persönlichkeitsanteilen.
Der Feind des Kubrickschen Protagonisten ist zugleich Verdopplung wie
Negation des eigenen Ichs, wobei die klare Trennung zwischen dem ‚Original’
und dem ‚Double’ kaum noch möglich ist.(81)
Das literarische Motiv des Doppelgängers dienst auch
hier als Vorbote des Todes, Humbert selbst durchschaut die Figur Quilty
nie und wird sinnbildlich zum Gejagten seiner selbst. Quilty ist als Künstler
und Verführer erfolgreicher, da er nicht von moralischen Skrupeln
geplagt ist. Quilty charakterisiert den Konflikt Humberts zwischen seiner
Obsession und den gesellschaftlichen Grenzen bzw. der Menschlichkeit,
wobei Quilty durch sein freies Ausleben der Sexualität mit jungen
Mädchen Humberts Abgründe unterstreicht und Lolitas Trivialität
offenbart. Die Figur wirkt dämonisch, dekadent und zuhälterisch.
Die Verfilmungen visualisieren den Konflikt der beiden Seiten durch ein
Spiel aus Licht und Schatten. Die meiste Zeit über hält Quilty
sich in der Dunkelheit auf, ist kaum zu sehen und doch immer präsent,
wie z. B. bei einer Grossaufnahme auf sein Foto in Lolitas Zimmer in Kubricks
Version. Lyne verfremdet die Figur Quilty noch stärker, indem er
konsequent bis zum Ende des Films nicht die ganze Person zeigt, sondern
z. B. nur seine Finger, seine Schuhe oder sein undeutliches Gesicht hinter
einer Rauchwolke. Lyne sagt zu Quiltys nebulösen Auftritten: „I
thought it was very important, as in the novel, that we barely know whether
Quilty actually exists or not“. Humbert merkt erst zum Schluss,
dass Lolita ein Doppelspiel geführt hat, im Roman sagt Humbert am
Ende: „This, I said to myself, was the end of the ingenious play
staged for me by Quilty.“ (S. 348).
Immer wieder taucht Kubricks Quilty als Person auf, die Angst und Schuldgefühle
auslöst(82), wie ein Psychologe, ein Polizist, ein Beamter oder eine
geheimnisvoll drohende Stimme am Telefon und wird so zu einer erzählerischen
Instanz.(83) Auf den ersten Blick wirkt Quilty hier eher bizarr und komisch
als bedrohlich. Nabokov zeichnet die Figur eindeutig verwerflich und könnte
so als Verurteilung der Beziehung eines Älteren zu einem jungen Menschen
gelesen werden. Die Ermordung des Doppelgängers kommt einem Schuldbekenntnis
gleich und Humbert zerstört gleichzeitig einen Teil seines eigenen
Ichs. Masons Humbert erschießt Quilty durch das Ölporträt
der kindlichen Lady Hamilton: er hat sich im wahrsten Sinne des Wortes
ein Bild von seiner Kindfrau geschaffen, durch das hindurch er sein dunkles
Alter Ego erschießen muss.(84)
5. Stanley Kubrick – die Veränderung
Lolitas durch die Zensur der Zeit
Naturally I regret that the film
could not be more erotic. The eroticism of the story served a very important
purpose in the book: it obscured any hint that Humbert loved Lolita. […]
It was very important to delay an awareness of his love until the end
of the story. I’m afraid that this was all too obvious in the film.(85)
Über die Zensurbedingungen
der 60er Jahre sagt Kubrick 1972 in der Newsweek: “Had I realised
how severe the [censorship] limitations were going to be […] I probably
wouldn’t have made the film.“(86) Um dem strikten Production
Code und der Zensurbehörde Legion of Decency in Amerika zu entgehen,
dreht Kubrick den Film in England in den Elstree Studios. Kubrick kürzt
und schreibt Nabokovs Drehbuch für den Film substantiell um; Peter
Sellers bekommt die Freiheit die meisten Dialoge Quiltys zu improvisieren.(87)
Kubrick erhöht Lolitas Alter von zwölf auf vierzehn Jahre, Sue
Lyons Interpretation darf keine deutlich kindlichen Züge tragen.
Sinclair analysiert das Spannungsfeld der Kindfrauendarstellung und geht
auf die zeitgenössische Kritik ein:
Das eigentliche Problem lag nicht daran, dass Sue Lyon zu alt gewesen
wäre für die Rolle der Lolita, sondern darin, dass die Leute
fanden, dass sie sich zu alt kleidete und spielte. Sie wirkte zu cool
und erfahren in ihren hochhackigen Schuhen und ihrem sorgfältig eingedrehten
Haar. Zu fraulich und wissend in ihren Hüfthaltern und knielangen
Röcken.(88)
Lolitas Status als Sexobjekt wird akzentuiert, sie scheint
sich ihrer Ausstrahlung auf Männer bewusst zu sein und spielt damit.
Trotzdem verschiebt Kubrick so augenscheinlich den Schwerpunkt der Geschichte
auf den Liebesaspekt der Beziehung statt auf die Sexualität. Corliss
geht auf die ambivalenten Folgen der zeitlichen Anpassungen durch Kubrick
ein:
Harris and Kubrick had good reasons to make a Lola out of Lolita. […]
The film would then be released. Humbert’s love for her would be
an obsession but not a perversion. The audience could share his appreciation
for her. […] But any girl who could pass for the later Lolita could
not be convincing as the true Lolita.(89)
Zudem rückt der Regisseur Quiltys surreale Präsenz
und seine Verfolgung von Humbert und Lolita in den Vordergrund und betont
so seine Gesellschaftskritik; die klaustrophobische ‚Detektivgeschichte’
versinnbildlicht in surrealer Art und Weise die abseitige Geschichte der
sexuellen Obsession.(90) Dazu gehört, dass er die Ermordung Quiltys
zu Beginn des Films zeigt; dabei legt er den Schwerpunkt auf eine surreale,
märchenhafte Inszenierung, die von der Realität distanziert
zu sein scheint um leichter von der Zensurbehörde akzeptiert zu werden.
Quilty betont in seinen versteckten Zusammentreffen mit Humbert in unterschiedlichsten
Akzenten immer wieder ironisch: „We are perfectly normal people.“
Der Film wird zu Beginn aus keiner spezifischen Perspektive erzählt,
die Handlung erfolgt als Rückblick: „4 years earlier“.
Kubrick arbeitet mit Andeutungen, Verweisen und Fragmenten, er lässt
die abgeschliffenen Charaktere die Dinge nicht explizit aussprechen. Dabei
ist wichtig, was er nicht zeigt und was zu einem Flüstern wird. Zum
Beispiel substituiert er eine Sexszene mit Lolitas Nuckeln an einer Colaflasche(91)
oder einem fragmentierten Körperteil: dem lustvollen Lackieren der
Fußnägel Lolitas durch Humbert in der Anfangssequenz, die seine
unterwürfige Position schon vorweg nimmt. Ebenso zeigt er schon zu
Beginn, wie Humbert Lolita im wahrsten Sinne des Wortes ‚aus der
Hand frisst’, als sie ihn mit seinem Frühstück füttert
und ihm keck zugesteht: „You can have one little bite.“ Bei
einem Schachspiel mit Charlotte sagt diese unbewusst vieldeutig: „You
are going to take my queen?“, worauf Humbert antwortet, „That
was my intention, certainly.“
Kilb gibt in der Zeit zu bedenken, dass Kubrick “die Fratze dessen,
der begehrt” nicht zeigt und Humbert zu wenig aussätzig wirke.(92)
Alexander Walker hingegen unterstreicht, dass Kubricks Inszenierung trotz
aller Abschwächung pointiert und ironisch ist: „Once the film
proper got under way, Kubrick and Nabokov turned eroticism into visual
comedy that never for an instant lost its undertones of irony or pity.”(93)
Kubrick spitzt seinen schwarzen Humor zu, wenn Humbert ein Bad im Badewasser
der gerade verstorbenen Charlotte nimmt und der Vater des Unfallwagenfahrers
in diese private Atmosphäre eindringt um Humbert die Übernahme
der Bestattungskosten anzubieten. Kurz vor der Übermittlung der schlechten
Nachricht sehen Lolita und Humbert aus ihrem Auto eine überfahrene
Katze und Lolita kommentiert diese sinnbildliche Szene makaber: „A
squashed cat – I hate things like that.“ Kirchmann unterstützt
die These der zugespitzten Inszenierung und sieht Kubricks Interesse von
einer Darstellung des Sexuellen auf ein Gesellschaftsporträt verschoben.
Er interpretiert, dass Kubrick die Freiheit des Individuums verneint und
Abbilder von Figuren schafft, die „einen modellhaften Gegenentwurf
zum herrschenden Menschenbild verkörpern“.(94) Dabei ist zu
beachten, dass der Dekonstruktion des Ichs kein konstruktiver Entwurf
entgegengesetzt wird.
5.1 Die impersonale Kamera des Spiels zwischen
schwarz und weiß
Falsetto weist darauf hin, dass trotz Humberts subjektiver
Voice-over-Narration dieser die Erzählung nicht kontrolliert sondern
ein Element der narrativen Struktur sei(95); Humbert wird als Protagonist
und nicht als Erzähler inszeniert. Oft zeigt die Kamera nicht Humberts
Perspektive sondern zeigt wie beschrieben explizit und implizit Quilty,
dessen Gegenwart Humbert sich nicht bewusst ist und die für den Zuschauer
inszeniert ist. Corliss sieht die Kamera als „prying eye“(96),
Seeßlen unterstreicht die impersonale Kameraführung: „Die
Kamera verrät es [den Blickwinkel] uns nicht; sie ist […] weder
das Blickende noch das Erblickte in der Geschichte, sie registriert vielmehr
Blicke und Bilder von einem dritten (oder vierten) Standpunkt aus.“(97)
Selten fängt die Kamera Lolita in Großaufnahmen ein wie bei
Lyne. Da die Kamera an diesen entscheidenden Stellen Humberts Blick impliziert,
wirkt dieser nicht so bedrohlich. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass
Humbert in Lolita dasselbe sieht wie der Zuschauer, manchmal ist sie sichtbar
und manchmal nicht.(98) Kubrick arbeitet mit langen Einstellungen und
gibt den Figuren so extensiven Raum zur Entwicklung. Zu Beginn sind die
Szenen zwischen Humbert und Lolita hell ausgeleuchtet und Kubrick erweckt
so den Eindruck der Respektabilität. Je mehr Einfluss Quilty gewinnt,
desto dunkler wird der Film. Die klassische Bedeutungszuschreibung von
hell und dunkel durchzieht den gesamten Film. In der Mordszene vertauscht
der Regisseur die Farbzuteilung wenn Humbert schwarz trägt und Quilty
in einer weißen Toga auftritt: die Figuren, ihre Charakterzüge
und die Zuschreibungen sind endgültig verschmolzen.
6. Adrian Lynes Lolita – die romantreuere
Adaption?
Lyne erzählt die Geschichte nach dem Vorbild des Romans
aus dem Blickwinkel Humberts. Mittels einer Voice-over-Narration vermittelt
Humbert viele Passagen des Buches teilweise wortgenau. Der Film zeigt
zu Beginn Humberts Auto, das sich wellenförmig über eine Landstraße
bewegt. Dazwischen geschnitten ist immer wieder der am Steuer sitzende
blutverschmierte Protagonist zu sehen. Das melancholische Thema Morricones
und die Beschwörung Lolitas durch Humberts Stimme aus dem Beginn
des Romans untermalen die Szene. Humbert hat zuvor den Mord an Quilty
begangen, doch anders als in Kubricks Inszenierung, sehen wir dies bei
Lyne erst am Ende der Adaption. Hier erfolgen zunächst die Rückblende
mit Annabel und dann der Schnitt auf Beardsley im Jahr 1947.
Der Zuschauer nimmt Lolita mittels verschiedener Kameraeinstellungen,
wie z. B. extremen Closeups von Lolitas Körperteilen, in vielen Szenen
durch die subjektive Blick Humberts, wahr. Koebner beschreibt die Kameraführung
Lynes: „Lyne sorgt durchaus subtil dafür, dass Humberts Leidenschaft
verständlich werde.“(99) Ilma Rakusa unterstreicht die gelungene
Inszenierung von Humberts Blicken: der Blick von Irons, als er Lolita
nach fünf Jahren wieder sehe, spiegele die ganze Tragödie der
Figur wider, ebenso wie der erste Blick auf Lolita im Garten von Charlotte
im wahrsten Sinne des Wortes Liebe auf den ersten Blick sei.(100)
Als Lolita ins Camp fährt und sich von Humbert verabschiedet, springt
sie an ihm hoch und gibt ihm ihren ersten Kuss auf den Mund. Lyne zeigt
diesen „lyrical moment“, wie er ihn im Audiokommentar bezeichnet,
in Slowmotion und romantischer Musikuntermalung um Humberts erfüllende
Stimmung zu unterstreichen. Als Lolita sich losreißt greift Humbert
zunächst ins Leere und dann an seinen Magen, die emotionale Tiefe
wird anhand seiner Gesten deutlich. Lyne stellt die Beziehung zwischen
Humbert und Lolita in den Mittelpunkt des Films. Anders als bei Kubrick
erhalten Quilty, der kaum physisch präsent ist, und Charlotte weniger
Raum, die Farlows werden nicht porträtiert. Kilb unterstreicht, dass
Quilty bei Kubrick zu einer Witzfigur verkommen sei und Lyne ihn nach
Nabokovs Intention als Humberts Spiegelbild inszeniert habe.
Koebner beschreibt in seiner Studie zum Lolita-Komplex drei Gründe,
die Lynes Verfilmung auszeichnen: „die Ausformung der Rollen“,
„die Anschaulichkeit, der hier nicht nur behaupteten Erotik“
und die „Betonung der Liebestragödie“.(101) Lyne zeigt
sehr deutlich, wie Lolita Humberts sexuelle Abhängigkeit ausnutzt
um ihn zu manipulieren. Um ihre Teilnahme im Theaterstück zu erwirken
brauchte Kubricks Kindfrau Quilty, der versteckt für sie eintritt,
hier verhandelt sie selbst mit Hilfe von sexuellen Gefälligkeiten.
Dass Humbert sie nach dem Sex bezahlt, zeigt Lyne anschaulich, als die
beiden nackt auf einem Bett um Geldmünzen kämpfen.(102) Die
beiden Figuren berühren sich anders als bei Kubrick häufig,
was oft auch gewalttätig konnotiert ist um den gewalttätigen
Aspekt der Beziehung zu unterstreichen. Mehrfach schlägt Lolita Humbert
spaßhaft ins Gesicht und er gibt ihr ebenfalls in Streitsituationen
zweimal eine Ohrfeige. Während ihrer Rundreise veranschaulicht Lyne
an einer Stelle den traumatischen Charakter der Verbindung. Humbert wird
in einem Alptraum von Männern mit Masken heimgesucht und bedroht,
die Szene ist durch „attachments on the lense“ in einer verzerrten
Perspektive gefilmt und mit Jumpcuts montiert. Humberts Verfolgungswahn
gipfelt in großer Verzweiflung im Krankenhaus, welche teilweise
durch eine wackelige Handkamera übermittelt wird.
Philip Martin unterstreicht ebenfalls die Romantreue von Lynes Version:
„From a marketer’s point of view, the chief flaw of Lyne’s
Lolita might be that if fails to misrepresent Nabokov’s Lolita to
the degree that might have made it a commercial success.”(103) Er
attestiert Lolita kein Blockbusterappeal, da nicht genug Sexszenen zu
sehen wären. Die Mordszene an Quilty hingegen inszeniert er explizit
gewalttätig, der Betrachter sieht die treffenden Schüsse und
den verblutenden Quilty. Kilb hingegen schlussfolgert, dass Lyne durch
die Deutlichkeit der Figuren, Kulissen und Kostüme die „abgründige
Ungewissheit des Romans übertüncht“ und dadurch „verfehlt
er ihn ganz“.(104) Er sieht die unwirkliche Stimmung des Romans
essenziell nur bei der Szene zwischen Humbert und Lolita in der Wüste
umgesetzt, wo Humbert glaubt, Lolita verloren zu haben.
Selten bricht Lyne Humberts Perspektive und entfremdet sich so von der
Stimmung des Romans.
7. Vergleichende Betrachtung exemplarischer Szenen
Am Beispiel von zwei ausgewählten Szenen soll das Verhältnis
von Humbert und der Kindfrau Lolita im Vergleich zum Ausgangstext des
Romans näher untersucht werden. Dabei erscheint der erste Blick Humberts
auf seine Nymphe und die erste sexuelle Vereinigung der beiden von besonderer
Bedeutung.
7.1 Der erste Blick auf Lolita
Seeßlen beschreibt das Sinnbild des Gartens: „Der
Garten ist der Ort, an dem sich Unschuld und Sünde wie nirgendwo
sonst berühren, der Ort, den Humbert für seine Liebe sucht und
genauso wenig erhalten kann wie er das Objekt seiner Liebe erhalten kann.“(105)
Die erste Begegnung, den ersten direkten Blick Humberts und des Lesers
auf Lolita im Garten des Haze Hauses in Ramsdale erzählt Nabokov
folgendermaßen:
I [Humbert] was still walking behind Mrs. Haze through the dining room
when, beyond it, there came a sudden burst of greenery – ‘the
piazza,’ sang out my leader, and then, without the least warning,
a blue sea-wave swelled under my heart and, from a mat in a pool of sun,
half-naked, kneeling, turning about on her knees, there was my Riviera
love peering at me over dark glasses. […] ‘That was my Lo,’
she [Charlotte] said, ‘and these are my lilies.’ ‘Yes,’
I said, ‘yes. They are beautiful, beautiful, beautiful!’ (S.
41ff.)
Im Roman verkündet der Erzähler nichts über
Lolitas Reaktion sondern berichtet exkursiv von seinen jugendlichen Eindrücken
mit Annabel als dessen Reinkarnation Lolita erscheint.
Sowohl Kubrick als auch Lyne nehmen die subjektive Sicht Humberts auf
und inszenieren Lolita durch seinen männlichen Blick. In Kubricks
Version liegt Lolita auf der Seite, die Beine wie für ein Modefoto
drapiert. Mit einem Bikini bekleidet und einem überdimensionierten
Sonnenhut und einer Sonnenbrille als Accessoire, wirkt sie sehr weiblich.
Für Humbert scheint bei diesem Anblick die Zeit still zu stehen,
um dies zu verdeutlichen sieht der Betrachter Lolita in einer längeren
Einstellung stark weich gezeichnet. Der Moment wirkt surrealistisch durch
die zeitliche und visuelle Verfremdung des Bildes. Lolita scheint amüsiert
darüber, dass Humbert sie anstarrt und erwidert selbstbewusst seinen
Blick. Der Blick wirkt herausfordernd und Lolita scheint sich ihrer Wirkung
auf Männer bewusst zu sein. Neben der swingenden kindlichen Musik,
die sie im Radio hört, wirkt sie nicht kindlich sondern sehr fraulich.
Die gesamte Inszenierung der Kindfrau bei Kubrick unterstreicht ihre weiblichen
Attribute durch ihre Kleidung, ihren Habitus und ihren Gestus. Immer wieder
fordert sie Humbert heraus, spielt mit ihm und dominiert ihn auf eine
weibliche Art. Charlotte bedrängt Humbert sehr deutlich bei der Hausführung,
die verführerischen Lilien werden zu „Cherry Pies“ als
Metapher für Lolitas sexuelle Ausstrahlung und Humberts Begehren
– dem Grund seines Bleibens im Hause Haze. Kubrick beendet sie Szene
durch einen harten pointierten Schnitt auf Frankensteins Monster aus dem
erwähnten Filmbesuch.
In seinem Audiokommentar berichtet Lyne, dass er die Zeit der ersten Begegnung
ausdehnt, da er Lolitas „Impact“ auf Humbert deutlicher inszenieren
wollte als Kubrick und Nabokov an dieser Stelle. Statt kindlich verspielten
Musiktönen umrahmt Ennio Morricones romantisches Thema die Szene
und verleiht ihr so mehr Ernsthaftigkeit als bei Kubrick. Lyne setzt keinen
Weichzeichner ein, stattdessen liegt Lolita, wie beschrieben, in einem
weißen Sommerkleid nass durchtränkt unter einem Rasensprenger
und betrachtet ein Foto von Burt Lancaster in einer Filmzeitschrift, durch
einen Schnitt überträgt sich die Bewunderung für den Schauspieler
auf Humbert. Die Kamera fängt zunächst Lolitas ganzen Körper
ein, dann ihre Füße und ihr Gesicht in Großaufnahme und
erzeugt somit eine erotische Spannung. Humbert sieht sie entrückt
an worauf ihn die Kindfrau mit Zahnspange breit anlacht. Trotz der expliziteren
und erotischeren Inszenierung von Lolitas Körper verleiht Lyne Lolitas
Erscheinung etwas Kindliches, wie in der Figurenbetrachtung beschrieben,
und die ambivalente Erscheinung der Kindfrau wird so glaubhaft. Humbert
lässt sich von den „lillies“ verführen und beobachtet
Lolita nach seinem Einzug beim Wäscheabhängen (in Kubricks Version
spielt Lolita steif mit einem Hoolahoop-Reifen) wobei Humbert und der
Zuschauer ihre kindlichen Bewegungen silhouettenhaft hinter einem Bettlaken
wahrnehmen. Als sie mit dem Wäschekorb an Humbert vorbeigeht berührt
ihr Fuß sein Bein zum ersten Mal. Dabei ist nicht klar, ob sie dies
mit Absicht tut oder es zufällig geschieht. Lyne hält so den
Umgang Lolitas mit ihren Reizen und das Spiel mit Humbert offen. Im Gegensatz
zu Kubricks Lolita, die meist absichtsvoll und scheinbar erwachsen agiert.
7.2 Die erste sexuelle Vereinigung
Als Humbert Lolita aus dem Camp abholt, in das Charlotte
sie geschickt hatte, gesteht sie ihm sofort „Fact I’ve been
revoltingly unfaithful to you […].” Sie wirft ihm spielerisch
vor, dass er sie nicht mehr mögen würde, da er sie noch nicht
geküsst hätte. Humbert geht auf die Aufforderung ein und hält
den Wagen an. Beide Verfilmungen übernehmen diese Szene wortgetreu.
Die darauf folgende Unterscheidung ist exemplarisch für die beiden
Ansätze. Im Roman erzählt Humbert „Lolita positively flowed
into my arms. […], “ dann geben sie sich einen Zungenkuss,
den Humbert eindeutig als “innocent game on her part” (S.
127) einordnet. Kubrick hingegen schneidet direkt danach auf das Hotel
Enchanted Hunters, welches dem Zuschauer Raum für Imagination gibt
ohne explizit etwas zu zeigen. Lynes Lolita ist in dieser Szene sehr freizügig;
sie wechselt ihre Kleidung wobei man ihren nackten Oberkörper von
hinten sieht. Danach setzt sie sich kindlich forsch auf Humberts Schoß
und gibt ihm einen Zungenkuss. Zunächst wirkt sie dabei etwas unbeholfen,
durch die Dauer des Kusses gewinnt dieser an Intensität und Ernsthaftigkeit.
Hier wird Lolita wieder in ihrer affektvollen 'Lebendigkeit’ gezeigt,
Sue Lyon wirkt im Gegensatz dazu durch ihre gestärkte Kleidung sehr
erwachsen und durch den gelangweilten Blick erhaben. Beide Lolitas dominieren
die Szene, in der Lyne ohne strenge Zensur die Aktionen der Kindfrau des
Romans lebendig werden lassen kann.
Durch ‚das Schicksal’ begünstigt, müssen sich Humbert
und Lolita ein Zimmer des Hotels teilen. Sofort erkennt Lolita im Roman
und in den Filmen die prekäre Situation und antwortet auf Humberts
Erklärungsversuche trocken: „The word is incest.“ (S.
135) Lyon liegt dabei verführerisch auf dem Bauch und reibt ihre
gekreuzten Beine aneinander. Ihre Frisur und ihre leise erotische Stimme
erinnern dabei an Marilyn Monroe. Mit gesenktem Blick streift sie sich
sinnlich die High Heels von den Füßen um Humbert dann aufzufordern
zum Essen hinunter in das Restaurant zu gehen. Irons zieht Swain in der
Szene zärtlich und fürsorglich die weißen kindlichen Socken
aus und streichelt ihren Fuß. Lyne sagt, dass er in dieser Szene
Humberts Konflikt als Vater und Liebhaber deutlich machen wollte. Skrupellos
gibt Humbert im Roman Lolita ein Schlafmittel, um sich ihr ungehindert
nähern zu können. Beide Filme sparen dieses Detail aus. Nabokovs
Humbert beschreibt den Anblick Lolitas im gemeinsamen Bett: „Clothed
in one of her old nightgowns, my Lolita lay on her side with her back
to me, in the middle of the bed. Her lightly veiled body and bare limbs
formed a Z.” (S. 144). Lyne lässt etwas Humor in die angespannte
Szene einfließen in dem er Humbert in einem Pyjama zeigt, der streng
bis zum obersten Knopf zugeknöpft ist. Bei der weiteren Beschreibung
der Nacht hält er sich detailgenau an die Vorlage. Die Kamera bildet
Lolitas leicht bekleideten Körper unter der dünnen Decke ab
und folgt dabei Humberts Augen. Mit morgendlichem Sonnenschein wacht Lolita
auf, schaut Humbert an und küsst ihn. Dabei wirkt sie selbstbewusst
und erwachsen und gleich darauf kindlich, als sich Humberts Kopf hektisch
zur Seite dreht um ihm ins Ohr zu flüstern was sie für 'Spiele’
mit Charlie im Camp gespielt hat. Im Roman erzählt Humbert:
[…] [F]or quite a while my mind could not separate into two words
the hot thunder of her whisper, and she laughed, and brushed the hair
off her face, and tried again, and gradually the odd sense of living in
a brand new, mad new dream world, where everything was permissible, came
over me as I realized what she was suggesting. (S. 150)
Auf seinen erstaunten Blick ergreift Lolita die Initiative,
nimmt ihre Zahnspange aus dem Mund und zeigt ihm ihr ‚Spiel’.
Dabei lacht Humbert vor Vorfreude auf das Kommende. Direkt darauf folgen
eine Weißblende auf einen See und schließlich ein Schnitt
auf das Auto des Paares im Regen, der die Traurigkeit nach der großen
Vereinigung andeutet.(106) Überspitzt fasst Humbert mit seinen pointierten
Wortspielen den ersten Geschlechtsakt von ihm und Lolita in der Vorlage
zusammen:
Frigid gentlewomen of the jury! I had thought that months, perhaps years,
would elapse before I dared to reveal myself to Dolores Haze; but by six
she was wide awake, and by six fifteen we were technically lovers. I am
going to tell you something very strange: it was she who seduced me. […]
Sensitive gentlewomen of the jury, I was not even her first lover. (S.
149f. u. S. 153)
Kubrick bricht die Anspannung und potenziell sexuelle Stimmung
der Nacht mit dem slapstickhaften Errichten des Klappbettes durch Humbert
und den alten Portier. Beide fallen beim Aufbauen ungeschickt übereinander
bis der Portier nach scheinbar getaner Arbeit am Ende sagt: „We
did it sir!“. Davon unbeeindruckt liegt Lolita in einem hochgeschlossenen
Nachthemd im Bett und schläft. Als Humbert sich jedoch zu ihr legen
will, wacht sie auf und verweist ihn auf das Klappbett, das prompt unter
ihm zusammenbricht. Am Morgen geht Lolita an das Kopfende von Humberts
kollabiertem Bett und beugt sich über ihn. Aus ihrer erhabenen Position
weckt sie ihn mit einem kindlichen Scherz und nutzt eine Frage nach der
Uhrzeit um ihn am Arm zu berühren. Darauf hin greift auch Humbert
nach ihren Händen und die beiden halten sich fest. Selten sieht der
Zuschauer eine Berührung von Lolita und Humbert. Wenn ein Kuss zu
sehen ist, dann auf die Wange. Lolita fragt verführerisch: „What
shall we do know?“ Als Humbert antwortet, dass sie Frühstück
bestellen können, offeriert sie: „Why don’t we play a
game?“ An dieser Stelle nähert sich Kubrick dem Roman wieder
an und Lolita flüstert Humbert ihre Erlebnisse ins Ohr, dabei krault
sie seinen Haaransatz. Auf Humberts schockierten Blick folgt eine Großaufnahme
von Lolitas aufforderndem Gesicht und sie geht mit den Worten „Allrighty
then“ zu Humbert ans Bett. Auch hierauf erfolgt direkt ein Schnitt
auf das Auto des Paares.
Durch den Blick Humberts nimmt der Zuschauer jeweils Lolita als Verführerin
wahr. Aufgrund der Erzählperspektive und Nabokovs irreführenden
Konstruktionen muss dies kritisch hinterfragt werden. Zudem scheint Lolita
bisher nur sexuelle Erfahrungen im Sommercamp gesammelt zu haben, die
sie kaum zu einer so großen fatalen Verführerin werden lassen
können. Die bisherigen Analysen unterstützen die Einschätzung
Nadja Kronemeyers und Koebners, dass Lolita „halb spielerische,
halb gekonnte Verführungsversuche“ unternimmt.(107) Bramberger
sieht die Verführung als Ausdruck und Metapher der „Sexualisiertheit
der Kindfrau“(108). Weiter schreibt sie: zudem ist die Kindfrau
„stets Ausdruck einer Grenzüberschreitung im Bereich der Sexualität.
Ihre Sexualität irritiert, wobei nie klar, nie eindeutig artikuliert
ist, was denn die Irritation ausmacht, wo genau welche Grenze überschritten
wird, wer wen verführt.“(109) Für Jean Baudrillard sind
Liebe und Sexualität austauschbar und als Druckmittel einsetzbar,
was sich auch auf Lolita beziehen lässt. Die Verführung hingegen
schaffe eine Beziehung, die dem Duell ähnlich sei, deren Antrieb
Leidenschaft sei, sagt Baudrillard.(110) Auch Humbert sehnt sich nach
Erfüllung in der Verbindung mit seiner imaginierten Utopie der absoluten
Glückseligkeit in der Kindfrau. Seine und Lolitas Liebe erscheinen
individuell und egoistisch. Der Zuschauer und Leser folgt dem Duell der
Verführungen des Paares bei seiner Reise mit einem sinnbildhaften
Quilty als dunklem Verfolger.
8. 36 Fillette – Emanzipation der Kindfrau
Catherine Breillat entwirft 1988
in ihrem Film eine Kindfrau aus einer weiblichen Sicht: Lili. Der Filmtitel
bezieht sich auf die Kleidergröße der 14-Jährigen Protagonistin.
Lili trägt meistens eine Latzhose, ist aufmüpfig und schlagfertig,
wirkt kindlich aufgrund ihres Habitus und weiblichen aufgrund ihres entwickelten
Körpers. Sei vereint wesentliche Merkmale des Konstruktes Kindfrau
in sich. Lili hat mit den typischen Problemen der Adoleszenz zu kämpfen,
sie ist mit der Welt, die sie umgibt unzufrieden. Während eines Sommerurlaubs
knüpft sie erste Kontakte zur Männerwelt. Zunächst ist
sie frustriert von männlichen Avancen, die auf ihre beginnende Sexualität
ansprechen; sie möchte sich lieber unterhalten als Sex zu haben.
Der sehr viel ältere Maurice möchte mit ihr intim werden. Sie
geht mit ihm auf sein Hotelzimmer, fügt sich aber nicht seinen Vorstellungen.
Währen des Films begleitet der Zuschauer den Kampf der beiden, bei
dem sie die Regeln bestimmt. Obwohl sie entjungfert werden möchte,
bringt sie es nicht übers Herz mit Maurice zu schlafen. Bryant Frazer
schreibt über 36 Fillette in Anlehnung an Romance über die Filme
Breillats: „men […] seem congenitally incapable of satisfying
a woman sexually or emotionally“.(111) Lily verstößt
den alten Liebhaber und hat zum ersten Mal Sex mit einem gleichaltrigen
Jungen. Mit ihm kommt keine Beziehung zu Stande, es ist deutlich, dass
sie ihn nur benutzt hat um ihre Jungfräulichkeit zu verlieren. Lili
agiert als emanzipierte Kindfrau, kann die Handlungsweisen der Männer
nach ihren Wünschen manipulieren. Sie ist kein projizierter männlicher
Entwurf, sondern eine aktive 14-jährige Protagonistin in der jugendlichen
Übergangsphase, geprägt durch die emanzipierte weibliche Sicht
der Regisseurin. Lili kann somit als weiblicher Gegenentwurf des männlichen
Konstruktes Lolita gesehen werden.
9. Schlussbemerkung
Trotz der restriktiven Bedingungen der 50er Jahre entwirft
Nabokov in dieser Zeit eine Kindfrau, die ihre sexuelle Beziehung zu einem
älteren Mann frei ausagiert. Aufgrund der Thematik verzögert
sich die Publikation im mehreren Ländern um viele Jahre. Dabei wirkt
Lolita niemals pornographisch oder obszön. Mittels komplexer Erzählstruktur
und unzähligen Anspielungen schafft der Schriftsteller eine Beziehung
zwischen Humbert und Lolita, die die amerikanische Gesellschaft vielschichtig
porträtiert. Detailreiche Beschreibungen der sexuellen Obsession
spart Kubrick aus und überträgt statt einer werkgetreuen Adaption
des Mythos der Kindfrau die ironische Reflexion über die amerikanische
Gesellschaft und den erotischen Film auf seine Verfilmung. Kubricks Protagonist
Humbert wirkt im Gegensatz zu Nabokvos Entwurf und Lynes Umsetzung meist
wenig aktiv, er ist als Erzähler kaum spürbar und lässt
sich von den Personen, die ihn umgeben, dominieren – er versucht
vergeblich vor ihnen zu fliehen. Lolita tritt wie beschrieben durch ihre
Kostüme und ihren Habitus meist sehr erwachsen auf. Wie erarbeitet
liegt der Schluss nahe, dass Kubrick sie z. T. aufgrund der zeitgenössischen
Zensur, als dominante reife Person zeigt und Humbert so zum Opfer ihrer
Manipulation wird.
Lyne, in seiner Darstellung freier, zeigt eine ambivalente Kindfrau nach
Nabokovs Vorschlag. Er folgt Humbert auf dem Weg seiner Leidenschaft und
erzeugt Empathie für Humberts Verhalten. Dabei schwächt er jedoch
die sexuelle Obsession zu einer Liebestragödie ab und spart, wie
Kubricks Film, kompromisslose Details des Charakters aus. Aufgrund der
stärker akzentuierten Kindlichkeit ist Lolita hier als Opfer des
erwachsenen Mannes gezeichnet. Lyne schlussfolgert über seine Adaption
von Humberts Figur: “You care about him when you don’t want
to care about him, because he is a monster. That’s troubling and
I think it should be troubling.” Wie im Artikel zitiert, betont
Irons, dass Humbert weder als „schwarzer“ noch als „weißer“
Charakter angelegt sei. Dies trifft zu, jedoch wirkt Lynes Umsetzung im
blinden Folgen von Humberts Obsession zu wenig diversifiziert. In den
Filmen erhalten die fantastischen und teilweise widersprüchlichen
Beschreibungen Nabokovs, erhält das 'dritte Geschlecht’ einen
festen Körper in Form der Inszenierung der beiden Schauspielerinnen
Lyon und Swain. Hierdurch erfolgt eine Festschreibung der Kindfrau, die
Teile ihres Mythos und ihrer Unfassbarkeit einbüßt, ohne jedoch
den Mythos zu zerstören. Die Filme lenken den Blick auf die Kindfrau
und machen das jeweilige Konstrukt für diesen Moment aus dem zeitlichen
Kontext heraus eindeutig rezipierbar.
Anmerkungen
(1) Bramberger 2000, S. 9
(2) Ebd.
(3) Ebd., S. 112
(4) Hochholdinger-Reiterer 1999, Vorwort
(5) Vgl. Bramberger 2000, S. 9 u. 49
(6) Vgl. Hochholdinger-Reiterer 1999, Vorwort
(7) Vgl. Bramberger 2000, S. 92
(8) Bramberger 2000, S. 92
(9) Ebd., S. 93
(10) Ebd., S. 47
(11) Vgl. Hochholdinger-Reiterer 1999, S. 5ff.
(12) Vgl. Bramberger 2000, S. 30
(13) Gerigk 2000, S. 184
(14) Vgl. Bramberger 2000, S. 274f.
(15) Hochholdinger-Reiterer 1999, S. 31
(16) Herder zitiert in Hochholdinger-Reiterer 1999, S. 17
(17) Hochholdinger-Reiterer 1999, S. 9f.
(18) Hochholdinger-Reiterer verweist auf literarische Figuren wie Sokrates’
Antigone (442 v. Chr.), Goethes Mignon (Wilhelm Meisters Lehrjahre 1796),
Kleists Kätchen (1808) oder Wedekinds Lulu-Tragödie (Erdgeist,
Die Büchse der Pandora 1892-1913), die man auch schon als Kindfrauen
bezeichnen könnte. Vgl. S. 4
(19) Zitiert in Bramberger 2000, S. 81 u. 84ff.
(20) Vgl. Bramberger 2000, S. 155. 1930 befasst Wittels sich zudem mit
der Kindfrau als „Modeerscheinung“, in der Frauen versuchen
wie Kinder zu wirken. Vgl. Hochholdinger-Reiterer 1999, S. 152
(21) Bramberger 2000, S. 88
(22) Ebd., S. 137
(23) Vgl. Hochholdinger-Reiterer 1999, S. 33
(24) Gerigk 2000, S. 173
(25) Ebd., S. 182
(26) Vgl. Hochholdinger-Reiterer 1999, S. 48
(27) Vgl. Sinclair 1989, S. 22
(28) Hochholdinger-Reiterer 1999, S. 63ff. u. 153
(29) Vgl. Sinclair 1989, S. 80 u. 102f.
(30) Ebd., S. 171ff.
(31) In der Süddeutschen Zeitung v. 19.03.2004 wird darauf verwiesen,
dass Heinz von Lichtberg schon 1916 eine Erzählung über eine
Kindfrau mit dem Titel Lolita geschrieben hat. Lichtberg und Nabokov lebten
15 Jahre lang zur gleichen Zeit in Berlin.
(32) Vgl. Bramberger 2000, S. 9f.
(33) Bataille 1981, S. 14
(34) Vgl. Bramberger 2000, S. 155
(35) Bramberger 2000, S. 94
(36) Vgl. Kecht 1983, S. 136
(37) Bramberger 2000, S. 33
(38) Ebd., S. 23
(39) Vgl. Bramberger 2000, S. 251
(40) Hochholdinger-Reiterer 1999, S. 153
(41) Ebd., S. 153
(42) Hochholdinger-Reiterer 1999, S. 113
(43) Sinclair 1989, S. 9
(44) Bramberger 2000, S. 108
(45) Ebd., S. 105
(46) Bezeichnenderweise für sein eigenes Leben erkennt Humbert die
Botschaft des Stückes: „[…] that mirage and reality merge
in love.“ (228)
(47) Maddox 1983, S. 75f.
(48) Vgl. Seeßlen 1999, S. 131
(49) Vgl. Bramberger 2000, S. 120f.
(50) Vgl. Clancy 1984, S. 106. Kecht sieht die märchenhaften Motive
wie Täuschung, Verzauberung und Verwandlung immer wieder durch Nabokov
in der Beziehung der drei Protagonisten aufgenommen. Vgl. S. 136
(51) Kecht 1983, S. 151
(52) Vgl. Ebd., S. 154ff.
(53) Vgl. Hof 1984, S. 151 u. 154
(54) Seeßlen 1999, S. 127
(55) Corliss 1994, S. 85. Corliss bezieht sich hier auf die Verfilmung
von Kubrick.
(56) Ulrich Behrens in seiner Kritik auf der Website „Filmstarts“
(57) Koebner 2002, S. 43
(58) Andreas Kilb in Die Zeit 2/1998
(59) Gerigk 2000, S. 189
(60) Vgl. Bramberger 2000, S. 45f.
(61) Ulrich Behrens in seiner Kritik auf der Website „Filmstarts“
(62) Andreas Kilb in Die Zeit 2/1998
(63) Vgl. Seeßlen 1999, S. 119
(64) Kagan 1972, S. 109
(65) Vgl. Seeßlen 1999, S. 130
(66) Vgl. Gerigk 2000, S. 182
(67) Vgl. Clancy 1984, S. 108 u. Kecht 1983, S. 138
(68) Seeßlen 1999, S. 132
(69) Ebd.
(70) Vgl. Corliss 1994, S. 30f.
(71) Vgl. James Berardinelli in seiner Kritik auf der Website „Reel
Views“
(72) Zitiert in der Süddeutschen Zeitung v. 4.4.2005
(73) Bramberger 2000, S. 89
(74) Vgl. Koebner 2002, S. 39f.
(75) Rolf-Rüdiger Hamacher in seiner Kritik im Filmdienst Nr. 26/1997
(76) Koebner 2002, S. 40
(77) Seeßlen 1999, S. 122
(78) Vgl. Kecht 1983, S. 140
(79) Bataille 1981, S. 12f.
(80) Diesen Satz sagt Quilty zu Humbert in Kubricks Showdown nach einem
Tischtennisspiel. Über das Spiel hinaus verweist dies auf die Beziehung
der beiden zur Kindfrau Lolita.
(81) Kirchmann 1993, S. 81
(82) Meistens wird Quilty von seiner schwarzhaarigen Partnerin Vivian
Darkbloom begleitet, die die abseitige Atmosphäre noch unterstreicht.
[Bei „Vivian Darkbloom“ handelt es sich um ein Anagramm von
Vladimir Nabokov]
(83) Vgl. Seeßlen 1999, S. 128 u. 137
(84) Ebd., S. 74
(85) Corliss 1994, S 76
(86) Zitiert in Corliss 1994, S. 12
(87) Vgl. Corliss 1994, S. 16 u. 47
(88) Sinclair 1989, S. 183
(89) Corliss 1994, S. 76
(90) Trotz der abgemilderten Darstellung erhält Kubricks Film in
Amerika und Großbritannien das „X Rating“, in Deutschland
die Altersfreigabe „ab 18 Jahre“.
(91) Lyne benutzt statt einer Flasche in mehreren Szenen eine Banane zur
Veranschaulichung der sexuellen Ausstrahlung der Kindfrau.
(92) Andreas Kilb in Die Zeit 2/1998
(93) Walker 1968, S. 172
(94) Kirchmann 1993., S. 76 u. vgl. S. 69
(95) Vgl. Falsetto, S. 88
(96) Corliss 1994, S. 38f.
(97) Seeßlen 1999, S. 128
(98) Vgl. Ebd., S. 128
(99) Koebner 2002, S. 44
(100) Vgl. Rakusa 2006, S. 18
(101) Koebner 2002, S. 39. Hierzu ist anzumerken, dass in der amerikanischen
Fassung alle Sexszenen herausgeschnitten wurden.
(102) Lyne erläutert, dass Swain dabei einen Bodysuit getragen habe
und in Teilen von einem Bodydouble ersetzt worden wäre.
(103) Philip Martin in seiner Kritik von 1998 auf der Website „Nerve“
(104) Andreas Kilb in Die Zeit 2/1998
(105) Seeßlen 1999, S. 134
(106) Lyne zeigt in einer Szene, wie im Roman angedeutet, dass Lolita
oft weint nachdem sie Sex mit Humbert hatte.
(107) Kronemeyer 2006, S. 162
(108) Bramberger 2000, S. 252
(109) Ebd., S. 162f.
(110) Vgl. Blask 1995, S. 61
(111) Bryant Frazer in seiner Kritik auf der Website “Deep Focus”
Literaturverzeichnis
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