Stefanie Fries

Die Kindfrau Lolita im Wandel der Zeit

 

Vergleichende Betrachtung des Romans von Vladimir Nabokov mit den Verfilmungen von Stanley Kubrick und Adrian Lyne


1. Einleitung

Im Zentrum des folgenden Artikels stehen der Themenkomplex der Kindfrau sowie der damit verbundene Mythos. Zu Beginn erfolgt eine historisch-systematische Untersuchung des Phänomens, daran anschließend wird der Roman Lolita (1955) von Vladimir Nabokov mit seinem Entwurf der Kindfrau in Bezug auf die Verfilmung des Werkes durch Stanley Kubrick (Lolita 1962) und Adrian Lyne (Lolita 1997) analysiert. Der Schwerpunkt der Betrachtung liegt auf der Konstruktion Lolitas durch den Erzähler und Protagonisten Humbert Humbert. Hierbei werden über die Rekonstruktion von Nobokovs Erzählstrategien hinaus auch die veränderten Zensurbedingungen der jeweiligen Zeit und die daraus resultierende veränderte Darstellung der Kindfrau Lolita in den Filmen berücksichtigt. Das Spannungsverhältnis Humberts zu Lolita soll anhand der exemplarischen Szenenanalyen des ersten Anblicks sowie des ersten Geschlechtsakts beleuchtet werden. Abschließend erfolgt ein kurzer Exkurs auf die weibliche Sicht der Kindfrau in 36 Fillette von Catherine Breillat.


2. Der Mythos der Kindfrau

Andrea Bramberger schreibt im Jahr 2000 ein umfassendes Buch über das Phänomen der „Kindfrau“. Schon im Vorwort fasst sie zentrale Motive des Mythos zusammen, dem sie die Ambivalenz als Wesensmerkmal zugrunde legt. Sie attestiert, dass die Kindfrau „beschreibbar“ aber nicht „fassbar“ sowie faszinierend und gleichzeitig erschreckend wäre.(1) Folgende Eigenschaften schreibt sie ihr zu: „geheimnisvoll, exotisch, atemberaubend“, „undogmatisch“, „treulos“, „heimatlos“, „ungebunden“, „unverfälscht“, „schüchtern, introvertiert“, „insistierend und unerhört absichtsvoll“.(2) Die Kindfrau vereine eine „Kombination von Sexualität und Nichtsexualität, von Bewusstheit und Nichtbewusstheit, von Naivität und Überlegenheit“.(3)
Beate Hochholdinger-Reiterer unterstützt diese Wesensthese und beschreibt die Kindfrau als ein „raffiniertes, stets neu zu belebendes Konstrukt“ und „kulturhistorisches Phänomen“.(4) Ein weiteres konstituierendes Merkmal der Kindfrau ist deren Erschaffung durch den männlichen Blick. Ohne ein Gegenüber, das sie erschafft, existiert sie nicht.(5) Somit muss sich eine Betrachtung der Kindfrau immer auch auf ihr Gegenüber konzentrieren, wie auf Humbert Humbert, durch dessen männlich-begehrenden Blick Lolita erscheint. Nabokov lässt seine Erzählfigur offen über die subjektive Konstruktion von Lolita reflektieren: „What I had madly possessed was not she, but my own creation, another, fanciful Lolita – perhaps, more real than Lolita; overlapping, encasing her; floating between me and her, and having no will, no consciousness – indeed, no life of her own.“ (S. 68). Hochholdinger-Reiterer verdeutlicht, dass sich der männliche Begehrer mit der Konstruktion von seinem schlechten Gewissen und von moralischer Schuld zu befreien sucht.(6) Bramberger konstatiert, dass die Kindfrau, oft von Männern konstruiert, auch als männliche Reaktion auf Emanzipationsgedanken gelesen werden kann, sie kämpfe nicht und sei völlig unpolitisch.(7) Ambivalent dazu sieht Bramberger, dass der Entwurf der Kindfrau zugleich „eine positive Idee autonomer Weiblichkeit und weiblicher Souveränität“(8) ist. Sie fasst die Differenz der Kindfrau zusammen:
Jene Ambivalenz, als personifizierte Männerphantasie einerseits männlichem Begehren genüge zu leisten, andererseits aber als jene mythische Figur zugleich Eigenständigkeit zu besitzen und Idee einer Alternative zum binären Geschlechtermodell zu sein, ist wohl eine der wesentlichsten und interessantesten Bedeutungen der Kindfrau.(9)

Ausgangspunkt für die Diskussion um die Kindfrau sei immer ihre (angedeutete) Sexualität, die das Zwischenstadium, in dem sie sich befinde unterstreicht:
Tatsächlich existiert die Kindfrau nur in der Kombination von gut und böse, und zwar deshalb, weil dieser Zwiespalt um ihre Sexualisierung die Grundlage ihrer phantasmatischen Existenz bildet. Es ist allein ihre Sexualisierung, die sie aus dem Kreis der 'normalen Mädchen’, ihre Desexualisierung, die sie aus dem Kreis der 'normalen Frauen’ löst. (10)

Die Kindfrau befindet sich in einem Zwischenstadium zwischen Kind und Frau, in dem sie verhaftet bleibt, Stagnation ist ein bestimmender Teil von ihr. Dies wird deutlich wenn Humbert sagt: „I knew I had fallen in love with Lolita forever; but I also knew she would not be forever Lolita“. (S. 72)
Nabokov beschreibt das 'dritte’ Geschlecht der Kindfrau, indem er Humbert sagen lässt: „My world was split. I was aware of not one but two sexes, neither of which was mine; both would be termed female by the anatomist“. (S. 17f.) Die Kindfrau hat keine Möglichkeit der Entwicklung, sie kann sich höchstens verwandeln, in diesem Fall wird der Fortgang der Geschichte dann ihrer Verwandlung angepasst.(11) Der besondere Ort, den die Nymphe einnimmt impliziert nach der Beschreibung von Nabokovs Erzähler ein Jenseits der normalen Ordnung in totaler Erfüllung: „Reader must understand that in the possession and thralldom of a nymphet the enchanted traveller stands, as it were, beyond happiness. For there is no other bliss on earth comparable to that of fondling a nymphet. It is hors concours, that bliss, it belongs to another class, another plane of sensitivity.” (S. 188)
Die Materialisierung der Kindfrau, wenngleich dem Zuschauer durch die Vorstellungskraft und Besitzansprüche Humberts offenbart, hebt nicht ihre Sexualität und den Mythos durch eine potenzielle Fassbarkeit auf. Bramberger unterstreicht jedoch, dass sich die Kindfrau nicht nach moralischen Maßstäben fassen ließe und schlägt in der Dekonstruktion der kindfraugenerierenden Diskurse ein alternatives Verständnis der Kindfrau vor(12), denn sie sei als „Irritation“ innerhalb der Diskurse um Weiblichkeit und Kindlichkeit zu verstehen. Horst-Jürgen Gerigk unterstreicht, dass sie jedem gehöre, der ihr verfällt und somit eben keinem gehöre.(13) Am Ende der Dekonstruktion steht die Erfahrung, dass der Entwurf der Kindfrau versucht die binären Denkstrukturen zu überwinden, deren Erfüllung sie nicht sein kann. Die Kindfrau lässt sich nicht bis ins Letzte erfassen, es gibt keine festgeschriebene Erkenntnis, die den Mythos allumfassend erklären würde.(14)


2.1 Historische Verortungen der Kindfrau

Das Konstrukt der Kindfrau erscheint vor allem im ausgehenden 19. und 20. Jahrhundert, dessen Voraussetzung die Trennung von Kindheit, Jugendalter und Erwachsenenalter ist. Dabei treten die ersten Kindfrauen der Literatur oft als „Hürchen“(15) oder später als femme fragile auf. Währende der Aufklärung wird die Kindheit erstmalig als eigener Lebensabschnitt betrachtet. Als Vorreiter heben Jean-Jacques Rousseau mit Émile ou de L’Education (1762) und Johann Gottfried Herder zu ihrer Zeit diesen Gedanken hervor, ebenso wie sie den Entwicklungsgedanken der Kindheit festhalten. Herder unterstreicht die Notwendigkeit, die kindliche Lebensphase erzieherisch zu schützen und warnt vor potenziell lebenslang wirkenden traumatisierenden Erfahrungen.
Nicht zu früh reiße sie auf, die lebensschwangere Knospe, lass sie sich ins Laub der Bescheidenheit und oft Dumpfheit, wie wir sagen, verstecken. Es ist ein unersetzlicher Schade, wenn man die liebe jungfräuliche Blume aufbricht, dass sie lebenslang welke.(16)

In der Romantik wird die Kindheit als Lebensabschnitt der Reinheit in verschiedensten Ausprägungen idealisiert und als bewahrenswert in die anderen Lebensphasen übertragen.
Die Nymphe nach Nabokovs Definition weist große Nähe zu mythischen Wasserwesen auf; die Nymphen der Literaturgeschichte werden oft dem Element Wasser zugeordnet, wie u. a. Hochholdinger-Reiterer festhält:
Die Kindfrau ist ein Geschöpf des Wassers, weil Zuschreibungen und Attribute, die die Kindfrauen-Konstrukte unter anderem konstituieren bzw. die in der Folge des Konglomerat eines Kindfrauen-Images ausmachen, von den Beschreibungen der mythischen Nymphen übernommen, variiert und neu funktionalisiert worden sind.(17)

Im Jahr 1811 zeichnet Friedrich de la Motte-Fouqués mit Undine, den ersten Mythos der verführerischen Kindfrau aus dem Wasser auf. Wasser wird als literarisches Motiv, als ‚Quell des Lebens’ und zugleich in seiner Zerstörungskraft auch als ‚Flut des Todes’ eingesetzt. Schon bei der ersten Begegnung von Lolita und Humbert in Lynes Verfilmung, dem Anfangspunkt von Humberts materialisierter Obsession, liegt Lolita nass durchtränkt unter einem Rasensprenger und lächelt Humbert unschuldig und zugleich in seinen Augen verführerisch an. Um ungestört mit Lolita leben zu können, denkt Humbert daran Charlotte, die er aufgrund ihrer unbeholfenen Schwimmbewegungen „eine sehr mittelmäßige Undine“ (S. 140) nennt, im Hourglass Lake zu ertränken – Charlottes Zeit scheint sprichwörtlich abgelaufen.
Der Begriff Kindfrau wird erst im 20. Jahrhundert geprägt, doch verfestigt sich die Idee der Verbindung von Frau und Kind vor den zeitgenössischen Diskussionen um Weiblichkeit, Sexualität und der Auffassung der Kindheit im 19. Jahrhundert.(18) Fritz Wittels fasst den Begriff des „Kindweibes“ (1907) zum ersten Mal auf und positioniert diese Weiblichkeitsvorstellung diametral zum emanzipierten „Mannweib“, definiert das Kindweib aufgrund seiner ursprünglichen Schönheit weiter zum „Urweib“.(19) Wittels und u. a. André Breton schreiben die Kindfrau als real existierendes Geschöpf fest.(20) Bramberger hingegen bestimmt wie herausgearbeitet die Kindfrau als konstruierten Mythos außerhalb der binären Geschlechterordnung. Sie führt die Vorstellung des sozialen und biologischen Geschlechts [gender und sex nach Judith Butler] noch einen Schritt fort, wenn sie sagt, dass „mit der Kindfrau […] die Logik einer eindeutigen Festschreibung des Geschlechts transzendiert [wird]“.(21) Später spitzt sie diesen Gedanken noch weiter zu und sagt: „Mit der Kindfrau wird ein Riss im Geschlecht benannt, der von Bildern oder Metaphern des Kindlichen besetzt wird.“(22) Hochholdinger-Reiterer teilt die Annahme von Bramberger, dass es die Kindfrau als literarisch eindeutig definierbare Figur nicht gibt und aus dem Kontext der Zeit immer wieder neu konstruiert wird(23). Sie siedelt zudem das Bewusstsein der Kindfrau um die eigene erotische Ausstrahlung in einem Zwischenbereich an. In der Betrachtung von Lolita soll dies auch beachtet werden. Gerigk verweist darauf, dass Oscar Wildes Salome (1893) und Nabokovs Lolita den „Archetypus der Kindfrau“ ins Bewusstsein gebracht haben.(24) Er schreibt, dass die Figuren aus dem Zeitgeist des 19. Jahrhunderts in Frankreich und dem amerikanischen des 20. Jahrhunderts heraus entstanden wären. Hier ist die Kindfrau ein radikal unbürgerliches Wesen, das keinen Platz in der bürgerlichen Welt hat, die u. a. vom amerikanischen Puritanismus der 50er Jahre geprägt ist.(25) Er sieht Lolita als gezielte Provokation, den Entwurf der Kindfrau als „Pointe“, wobei der Leser die Geschichte Salomes durch Salomes Perspektive wahrnimmt im Gegensatz zur Humberts projizierten Lolita.
Im Berliner Varieté Wintergarten feiern erstmals 1894 The Five Sisters Barrison als angebliche Schwestern mit ihrer kindfrauenhaften Show große Erfolge.(26) David Wark Griffith und Charlie Chaplin etablieren in der Stummfilmära die Kindfrau zur Protagonistin. Lillian Gish spielt von 1908 bis 1912 die Hauptrollen in Griffiths Biograph-Filmen. Jackie Coogan ist in The Kid (1921) vier Jahre alt; Chaplin variiert seine Kindfrauen vom Tragischen ins Komödiantische und der Flirting Angel wird zum Stereotyp mit den wesentlichen Gestaltungsmerkmalen der Kindfrau.(27) Mary Pickford, die im Alter von 16 Jahren anfängt mit Griffith zu drehen, wird später zum Star des Starsystems. Hochholdinger-Reiterer untersucht die erfolgreiche Theater- und Filmschauspielerin Elisabeth Bergner, die 1921 ihren Durchbruch feiert. Die Autorin schreibt Bergner, die sie als inszenierte Kindfrau sieht, die großen Erfolge ihrer Karriere der Tatsache zu, dass sie eine erwachsene Frau in einem kindlichen Körper sei, die sich der „Verführungskraft der Unreife“ bewusst war.(28) In den 30er und 40er Jahren sind die Kinderstars Shirley Temple und Judy Garland die Schauspielerinnen mit der größten Publikumswirkung. Wie Elisabeth Taylor und Deanna Durbin haben sie bald einen fraulichen Körper, stehen jedoch als asexuelle Nymphen für eine ideelle Jugend, Unschuld, Mut und Fröhlichkeit in der Depressionsära. Durch die Unschuld ziehen die Kindfrauen ein breites Publikum an, ohne das familiäre System zu bedrohen.(29)
Elia Kazan dreht 1956 Baby Doll mit Carroll Baker als neuem Entwurf einer Kindfrau. Der Film wird von der Legion of Decency der katholischen Kirche verurteilt. Obwohl es in dem Film nicht explizit um Sex geht, ist die unterschwellige Stimmung durchgängig sexualisiert, der voyeuristische Blick der männlichen Figuren und der Kamera sehr präsent. Der Film löst einen Boom von Kindfrauendarstellungen in den 60er Jahren aus mit jungen Schauspielerinnen wie Tuesday Weld, Carol Lynley, Hayley Mills, Leslie Caron, Audrey Hepburn, Shirley McLaine oder Doris Day, die zum Teil älter wirken und deren ansetzende sexuelle Ausstrahlung bewusst inszeniert wird. In den Filmen der 70er und 80er Jahre werden die Kindfrauen-Darstellerinnen deutlich mit weiblichen Attributen ausgestattet, die Sexualität offen inszeniert, wie am Beispiel von Paper Moon (1973) mit Tatum O’Neal, Taxi Driver (1976) mit Jodie Foster, Pretty Baby (1978) mit Brooke Shields oder Tess (1979) mit Nastassja Kinski.(30)
Durch die verschiedenen Jahrhunderte wurde der Mythos der Kindfrau jeweils an seine Zeit angepasst und verändert. Viele konstitutive Merkmale wiederholen sich in mannigfalten Ausformungen. Wie einige kurz benannte Beispiele zeigen, wird die Darstellung der Kindfrau in Amerika im Laufe des 20. Jahrhunderts mit der Liberalisierung und dem Nachlassen der Zensur immer freizügiger. Vor allem im Amerika der 90er Jahre ist jedoch durch prüde Strömungen wieder eine Einschränkung in den Darstellungen von Kindfrauen zu beobachten.


3. Vladimir Nabokovs Lolita – Eine Definition der Kindfrau

Vladimir Nabokov schafft mit Lolita eine Kindfrau(31), die definitorisch den „Lolita-Komplex“ bestimmt. Der Komplex beschreibt die Obsession eines älteren Mannes zur einer Kindfrau. Nabokov definiert, dass der Altersunterschied mindestens zehn Jahre, oft jedoch dreißig oder vierzig Jahre beträgt. Das Streben des älteren Mannes nach naiver Vollkommenheit in der sexuellen Vereinigung mit einem jungen Mädchen (oder Jungen) bewegt sich an der Grenze des akzeptierten ‚Normalen’; die klassische familiäre Struktur wird in Lolita gänzlich unterlaufen. So bewegen sich Humbert und Lolita am Rand der Gesellschaft, sind fortwährend unterwegs und fliehen vor gesellschaftlichen Konventionen. Dabei versucht Lolita selbst dem Begehren Humberts auszuweichen, schürt durch die Subversion dieses aber, wie Bramberger aufzeigt.(32) Die sexuellen Kontakte mit Lolita sind konstante Motivation für Humbert und aus ihnen resultiert das Machtverhältnis der beiden, ein Streit um Kontrolle, Vergnügen und Bestrafung.
George Bataille verweist in seinem Vortrag „Die Erotik und die Faszination des Todes“ auf die essentielle Bestimmung der Erotik für die Lebensführung:„[…] [E]inzig die Erotik eröffnet uns die Kontinuität des Seins, sie allein eröffnet uns das blendende Spiel des Seins.“(33) Dabei unterscheidet Bataille zwischen der Erotik der Körper, der Erotik der Herzen und der spirituellen Erotik, in diesem Sinne könnte man die Obsession Humberts aus einer Vermischung der Erotik der Körper und der Erotik der Herzen betrachten. Er versucht Kontinuität in der Verschmelzung mit seiner utopischen Lolita zu erreichen, die sich jedoch nicht erfüllen kann. Zudem wird bei Erreichen die Utopie zur Realität und somit zerstört.
In den einleitenden Kapiteln des Romans beschreibt der Erzähler Humbert die Charakteristiken der Kindfrau, welche er als „dämonische Nymphe“ festschreibt:
Between the age limits of nine and fourteen there occur maidens who, to certain bewitched travellers, twice or many times older than they, reveal their true nature which is not human, but nymphic (that is, demoniac); and these chosen creatures I propose to designate as ‚nymphets’. […] Between those age limits, are all girl-children nymphets? Of course not. Otherwise, we who are in the know, we lone voyagers, we nympholepts, would have long gone insane. Neither are good looks any criterion; and vulgarity, or at least what a given community terms so, does not necessarily impair certain mysterious characteristics, the fey grace, the elusive, shifty, soul-shattering, insidious charm that separates the nymphet from such coevals of hers as are incomparably more dependent on the spatial world of synchronous phenomena than on that intangible island of entranced time where Lolita plays with her likes. (S. 15f.)

Humbert bzw. Nabokov entleiht die Naturgottheit dem griechischen Volksglauben, unterstreicht den übernatürlichen dämonischen Charakter der „Braut/Jungfrau“ und überträgt die mythischen Züge auf sein Konstrukt der Kindfrau, das mehr ist als Kind oder Frau. Er antizipiert das Unmögliche: „the great rosegray never-to-be-had“ (S. 300). Humbert konstruiert unentwegt eine mögliche objektive Existenz der Kindfrau, relativiert sie jedoch wieder und hebt sie gleichsam auf.(34) Somit beantwortet Nabokov die Frage nach einer objektiven Erkennbarkeit von Kindfrauen durch die subjektiven Fixierungen seines Erzählers, rekurrierend auf das Kindheitstrauma des Protagonisten – mit tödlichem Ausgang: „I should have understood that Lolita had already proved to be something quite different form innocent Annabel, and that the nymphean evil breathing through every pore of the fey child that I had prepared for my secret delectation, would make the secrecy impossible, and the delectation lethal.” (S. 141). 1928 schreibt Nabokov seine Version von Lilith, naturnah und „klischeehaft weiblich“(35). Die Wesenszüge von Lilith, als Dämonin mit ambivalenter Seele und emanzipiertes Gegenbild zu Eva, lassen sich auch auf seinen Kindfrauen-Entwurf Lolita übertragen, indem Humbert sich als „fairytale nurse“ oder „vampire“ bezeichnet.(36)
In den Filmen in aller Deutlichkeit ausgespart, erwähnt Humbert, dass er aufgrund seiner Nympholepsie mehrfach in einem „Sanatorium“ war. Die Zwangsjacke, die ihm nach Lolitas Verschwinden im Krankenhaus umgelegt wird, verdeutlicht die geisteskranken Züge seines Charakters. Hier bietet Nabokov ein mögliches Erklärungsmuster für Humberts Begehren an.
Bramberger weist noch einmal auf die Ambivalenz der Kindfrau hin, wenn sie sie trotz der Zuschreibung von intentionaler Verführung als „Spielball männlicher Imagination“ und „passives Opfer“(37) beschreibt, gleichzeitig diese Position aber im Roman gebrochen wird und eine eindeutige Festlegung der Figur unmöglich wird:
Er [Nabokov] nimmt den Positionen jeweils ihre schlagkräftigsten Argumente, indem einerseits Lolita als dem ‚unschuldigen Kind’ Jungfräulichkeit und sexuelle Unbedarftheit abgesprochen und sexuelles Begehren zugesprochen wird, andererseits Humbert als der 'Verführer’ sich selbst als triebhafter Verbrecher an Lolita, als Sklave seiner Begierde darstellt.(38)

So wie das Konstrukt sexuell motiviert ist, sieht Bramberger Lolita ohne moralische Motivation handelnd, nie berechnend oder begreifend.(39) Hochholdinger-Reiterer nimmt die Schaffung Lolitas durch Nabokov als prototypische Kindfrau wahr. Die Festlegung eines abstrakten Konstruktes auf einen „beliebigen Mädchennamen“(40) sei das Ende des Mythos der Kindfrau.
Vladimir Nabokovs Lolita lässt sich als Abgesang auf die Kindfrau lesen. Denn Lolita entzieht sich den Phantasien Humberts Humberts schließlich durch Flucht, dass heißt sie entzieht ihm ihren Leib, mach die Beleibung seiner Phantasien rückgängig, und sie führt darüber hinaus das Kindfrauen-Konstrukt ad absurdum, indem sie Mutter wird.(41)

Lolita scheint so plastisch als Kindfrau entworfen, dass ihr Name von nun an als Synonym für die Kindfrau gilt und vielseitig eingesetzt wird. Die Festlegung und Fassbarkeit der Figur werden durch das Medium Film noch stärker akzentuiert. Hochholdinger-Reiterer wirft die Frage auf, was aus dem sich immer wieder verändernden Konstrukt wird, wenn man es derart festlegt:
Was passiert, wenn die Kindfrau plötzlich auf der Leinwand erscheint? Wie überlebt sie, die Unfassliche, wenn sie gebannt zu werden droht, wenn sie konservierbar und beliebig reproduzierbar geworden ist? Denn der Blick auf die Kindfrau im Film ist verändert, anders gerichtet nunmehr, ist gelenkt im Vorhinein.(42)

Sinclair hält dem die Auffassung entgegen, dass die Kindfrau sich gerne als Mittelpunkt begreift und der Film ihr dies ermöglicht: „Der Film ist das Element der Lolita, ihr Medium. […] Die Nymphe hat einen angeborenen Hang zum Narzissmus und der beste Weg ihn zu befriedigen ist das Erscheinen auf der Leinwand.“(43) Bramberger sieht die „artifizielle Natürlichkeit“(44) als ein Wesensmerkmal der Kindfrau, in ihr würden Inszenierung und Authentizität verschmelzen. Dabei wirft sie die Frage auf, ob im Schauspiel der Kindfrau nicht ein Widerspruch begründet wäre und beantwortet diese mit der fiktiven Konstruktion der Kindfrau: „Lolita verkörpert als Kindfrau diese Kombination von ‚kindlichem’ und ‚weiblichen’ Spiel, indem sie, die nichts als Fiktion ist, sich selbst spielt.“(45) Und so spielt Lolita die perfekte Nymphe in Quiltys Theaterstück The Enchanted Hunters(46).


3.1 Annabel Leigh – der Ursprung von Humberts Nympholepsie

Humbert möchte mit Lolita die perfekten Momente des Glücks seiner Kindheit, die er mit seiner ersten großen Liebe Annabel, der „verhängnisvollen Ur-Elfe“ seines Lebens, verbracht hat, wiederholen. Humbert beschreibt die Liebe zur 13-jährigen Annabel und den fatalen frühen Tod von ihr als auslösendes Moment für seine Obsession mit Nymphen:
Ich bin jedoch überzeugt, dass Lolita auf eine gewisse magische und schicksalhafte Weise mit Annabel begann. Ich weiß auch, dass der Schock, den Annabels Tod mir verursachte, das darbende Verlangen jenes Alptraumsommers fixierte und es all die kalten Jahre meiner Jugend zum dauernden Hindernis für andere Liebesregungen machte. (S. 21)

Durch diese Erklärung versucht Humbert seine Nympholepsie zu rechtfertigen. In Lynes Verfilmung sagt Humbert: „I kept looking for her long after I left my own childhood behind. The poison was in the wound you see, and the wound wouldn’t heal.”
Der Name Annabel Leigh kann in direkter Referenz zu Edgar Allan Poes Gedicht Annabel Lee (1849) gelesen werden. In dem Gedicht erzählt Poe von einer jungen überirdischen Liebe, die von Neidern zerstört wird und über den Tod hinausgeht. Er beschwört die Liebe an einem besonderen Ort, dem „kingdom by the sea“, welches der Arbeitstitel von Nabokovs Lolita war. Lucy Maddox unterstreicht den traumhaften Charakter des Königreichs am Meer, die Idee der Kindfrau:
The source of Humbert’s despair is his inability to recognize that the kingdom by the sea which is the true home of the nymphets is a country of the mind, and that sanity, morality, and even love require a clear distinction between the ideal and the actual, between art and life.(47)

Poes Gedicht trägt autobiographische Züge; er war selbst in seine kindliche Cousine Virginia Clemm verliebt, die er später heiratete. Nabokov spickt seinen Roman mit weiteren direkten Anspielungen an Poe, u. a. wenn der Erzähler sich „Mr. Edgar H. Humbert“ (S. 122) oder „Dr. Edgar H. Humbert“ (S. 194, S. 306) nennt. Poes Charaktere, die meist obsessiv nach dem Idealen streben werden oft zur grotesken Figuren, wie Verrückte und Mörder; Quiltys Pavor Manor erinnert an Poes House of Usher. Die Gestaltung Lolitas durch Humberts Erzählung erinnert an die dark ladies von Poe, die meist das Objekt eines düsteren Helden sind.(48) Annabel Lee kann als femme fragile gesehen werden. Gleichzeitig nennt Humbert Lolita auch „Carmencita” oder “Litte Carmen”, was sich auf Prosper Mérimees femme fatale Carmen bezieht.(49) Hier wird die Heterogenität des Charakters der femme enfant wieder deutlich. Als Humbert, Charlotte und Lolita ins Kino gehen schauen sie sich The Curse of Frankenstein (1957) an. Hier wird ein Toter zum wiederbelebten Monster, im übertragenen Sinne lässt sich daran Lolita als wieder auferstandene Annabel sehen, die sich wie das Monster am Ende gegen seinen Erschaffer Humbert wendet.
Ein wesentlicher Unterschied zur Inszenierung von Kubrick ist der Einsatz Lynes von Humberts traumatischer Kindheitserfahrung mit Annabel Leigh. Lyne blickt zu Beginn seines Films in das Jahr 1921 zurück und stellt so die Erklärung und Rechtfertigung für Humberts Obsession der Kindfrau dar. Dieser traumähnliche Exkurs inszeniert in nostalgischen grobkörnigen Bildern die „Ur-Elfe“ in ihrer Natürlichkeit.


3.2 Die Erzählstruktur des Romans

Nabokov konzipiert seinen Roman als fiktionalisierten Erlebnisbericht Humberts. Humbert möchte den Leser, den er immer wieder direkt anspricht („Reader!“, „Gentlemen of the jury!“ S. 77) und dessen Reaktionen er antizipiert, über faktische Tatbestände informieren; dabei ist zu beachten, dass alle Figuren und Ereignisse subjektive Schilderungen von ihm sind. Teilweise bedient er sich eines magischen Märchenvokabulars wie: „a spell“, „enchanted island of time“, „fateful elf“, „demon child“ und schafft dadurch eine surreale, (alp)traumhafte Atmosphäre, die die märchenähnlichen Namen The Enchanted Hunters des Hotels und des Theaterstücks Quiltys sowie Pavor Manor, Quiltys Villa des Schreckens, unterstützen.(50) Das Vorwort von „Dr. phil. John Ray jun.“ informiert den Leser darüber, dass der Erzähler Humbert während seiner Untersuchungshaft an einem Herzinfarkt verstorben ist und es wird der Eindruck einer Verteidigungsschrift und Erklärung Humberts für seine Taten, potenziell an die Geschworenen – Stellvertreter der Gesellschaft – den Leser gerichtet geweckt. Zunächst wird durch Nennung von Daten und Orten der Eindruck des Faktischen evoziert, bei genauem Lesen wird die Parodie auf den Deutungsversuch des Romans durch John Ray deutlich und der Leser rückt in eine distanzierte Position. Nabokov konzipiert seinen Erzähler eindeutig als unreliable narrator, er ist Handelnder und Vermittelnder zugleich. Humbert betont in seiner Selbstdarstellung immer wieder, dass er Künstler sei. Durch den Transfer seiner Geschichte in den Bereich der Kunst versucht der Erzähler seine Schuldgefühle zu sublimieren. Humbert verbindet in seinen Beschreibungen immer wieder die Bereiche der Kunst mit den Bereichen des Lebens. Nabokov legt die Figur so an, dass sie oft nicht in der Lage ist zwischen beiden Ebenen zu unterscheiden. Die kunstvolle Sprache Nabokovs reflektiert Humberts wiederholtes Schreiben über den Schaffungsprozess, es entsteht eine eigene imaginierte Welt aus einer verfremdeten Perspektive, die als Angriff auf die reale Gesellschaft betrachtet werden kann: „I [Humbert] do not know if these tragic notes I have sufficiently stressed the peculiar ‚sending’ effect that the writer’s good looks – pseudo-Celtic, attractively simian, boyishly manly – had on women of every age and environment.“ (S. 116f.).
Humbert äußert gegen Ende des Romans Reue für seine Misshandlung Lolitas: „Hätte ich mir selbst den Prozess zu machen, so verurteilte ich Humbert wegen Vergewaltigung zu mindestens fünfunddreißig Jahren und ließe den Rest der Anklage fallen.“ (S. 503) Doch auch dieses Zitat offenbart Humberts gestörte Selbstwahrnehmung, da er den Mord an Quilty negiert. An vielen Stellen scheint Humbert sich selbst für eine moralische Person zu halten, dann wieder persifliert er gesellschaftliche Moralvorstellungen. Nabokov nimmt keine eindeutige Positionierung vor und er Leser kann zwischen verschiedenen Lesarten wählen. Maria-Regina Kecht sieht die menschliche Seite Humberts durch die Erzählkonstruktion Nabokovs affektiv so abgebildet, dass der Leser ihn nicht nach moralischen Maßstäben verurteilen kann:
Unser gewohntes Wertesystem wird außer Kraft gesetzt, und obwohl wir wissen, dass Humbert Humbert an Lolita ein Verbrechen begangen und auch noch einen Mord verübt hat, gelingt es uns nicht, ihn zu verurteilen. Seine Erzählweise lässt unter der Oberfläche von Witz und Humor genügend menschliche Tragik erahnen, um unsere Distanz zu Humbert wieder aufzulösen und Mitleid hervorzurufen.(51)

Durch lyrische Beschreibungen schwächt Humbert seine Perversion ab. Er bricht die antizipierte moralische Reaktion des Publikums, in dem er an vielen Stellen selbst die Absurdität seiner Gefühle unterstreicht und die Erzählperspektive wechselt, wie nach dem ersten Geschlechtsakt mit Lolita: „More and more uncomfortable did Humbert feel. It was something quite special, that feeling: an oppressive, hideous constraint as if I were sitting with the small ghost of somebody I had just killed.” (S. 158)
Humbert formt und verändert die Welt nach seinen (Traum)Vorstellungen. Zum Teil scheint ihm dies bewusst zu sein, an der Existenz seiner naturgegebenen Nymphe hält er jedoch fest. Über weite Teile scheint der konstruierte Erzähler nichts Verwerfliches am Sex mit der jungen Lolita wahrzunehmen. Nabokov spielt mit dem Leser, wenn er Humbert immer wieder offen sich selbst, seine Unzulänglichkeiten und sein Vorgehen betonen lässt: „Instead of basking in the beams of smiling Chance, I was obsessed by all sorts of purely ethical doubts and fears.“ (S. 118). Renate Hof differenziert zwischen dem ironischen und dem unglaubwürdigen Erzähler, wobei Humbert Züge von beiden trägt.
Nabokov setzt ironische und parodistische Stilmittel wie die Generalisierung angeblich allgemeingültiger Fakten, das Herauslösen von Merkmalen aus bekannten Zusammenhängen, Impersonalisierungen, Dehumanisierungen, Dissoziationen, den Wechsel der Erzählperspektive von der ersten zur dritten Person, Wortspiele wie Alliterationen und Neologismen zu Nonsense-Konstruktionen, ein, um Humberts chaotisches Innenleben abzubilden. Humberts Umgebung und andere Charaktere des Romans erscheinen grotesk (sexuell abartig oder missgestaltet), da er sie projiziert. Nabokov forciert groteske Wendungen in der Geschichte indem er Humbert unvermittelt „McFate“ begegnen lässt und Unmögliches möglich wird, wie z. B. der Tod Charlottes. Durch die Vermischung von künstlerischer Sprache, lyrischen und französischen Einschüben mit Lolitas Teenager-Sprache und seiner Bemühung um amerikanische Idiomatik erzeugt Nabokov eine groteske Spannung durch die Erzählkonstruktion, die durch die Diskrepanz zwischen der ironisch-komischen Darstellungsweise und dem tragischen Handlungsverlauf verstärkt wird.(52)
Nabokov durchzieht die Erzählstruktur seines Romans mit literaturhistorischen Anspielungen auf den Mythos der Kindfrau und etabliert so durchgängig einen ironischen Grundton. Kann der Leser den Text aufschlüsseln, solidarisiert er sich mit Humbert und kann über die angeblichen Geschichten lachen. Humbert wird dann als Erzähler unglaubwürdig, wenn er selbst das Objekt der Ironie Nabokovs wird: „Imagine me [Humbert]; I shall not exist if you do not imagine me […].“ (S. 146). Zwar scheint Humbert die Reaktionen des Rezipienten immer zu kennen, ist aber selbst als Figur teil der Erzählung und somit der Willkür des Autors ausgesetzt, der die Manöver Humberts im Laufe der Geschichte durchschaubar macht.(53) Am Ende erfüllt er seine Rolle, erst wird er zum Mörder und stirbt dann selbst. Seeßlen unterstreicht die Wichtigkeit der Täuschungsmanöver des Romans, die Nabokov benutzt, um den Leser in die Irre zu führen: „Im Roman wissen wir weniger als der Erzähler, er täuscht noch mehr als sich selbst auch seinen Leser; im Film wissen wir dagegen mehr als er.“(54) Die komplexe Erzählstruktur mit ihren sprachlichen Verformungen lässt sich nicht exakt in Filmsprachen umwandeln. Abweichungen und Entsprechungen sollen bei der Filmanalyse betrachtet werden.

4. Verfilmung des Romans

Lolita, from book to film, was a wet dream that got dry-cleaned into a daydream. The novel was about lust that ascended into love; the movie is about love, unrequited and unrepentant.(55)

Rezensionen bezüglich der Verfilmungen von Lolita durch Stanley Kubrick und Adrian Lyne unterscheiden sich stark. Teilweise sehen die Kritiker Kubricks Ansatz als gelungene Interpretation an, teilweise als gescheiterten Entwurf von Nabokovs Idee. Ulrich Behrens beschreibt Kubricks Verfilmung als gelungene Übersetzung des Romans:
Die – wenn auch im Film nicht gezeigten, so doch immer wieder angedeutete – (sexuelle) Freizügigkeit, die ja auch Nabokovs Roman kennzeichnet, arbeitet Kubrick als das heraus, was sie hier ist: als Teil eines sozialen Geflechts, das ausschließlich aus Abhängigkeiten besteht, aus instrumentellen Beziehungen, in denen die inzestähnliche Situation nur ein Moment neben anderen darstellt.(56)

Ebenso wird zum Teil Lynes Ansatz als romannahe Verfilmung bezeichnet, so Thomas Koebner: „Lynes Film erzählt also dem Roman Nabokovs nahe, ohne ihn platt abzubilden, von dem Wahnsinn und der Narrerei einer übergroßen und unerwiderten Liebeswahl eines älteren Mannes […].“(57) Andreas Kilb hingegen sieht die Komplexität durch Lyne nicht entsprechend abgebildet:
So wird Nabokovs böse Ironie in fette Gefühligkeit verkehrt. Wo im Roman noch hinter den tollsten rhetorischen Finessen des Erzählers immer die Ahnung aufblitzt, dass seine Version nicht die ganze Wahrheit ist, da wirft sich Lyne bewusstlos in die Arme seiner Hauptfigur.(58)

Im Roman scheint nie ganz klar wie weit Täuschung und Selbsttäuschung gehen, in den Verfilmungen scheint dies übersetzt durch den Ansatz der wechselnden Erzählperspektive bzw. durch die Blicke der Kamera: zum Teil sieht der Zuschauer Quilty durch die Perspektive Humberts, dann scheint diese Sicht umgekehrt zu sein und Lolita tritt im Schnittpunkt der Blicke der beiden männlichen Protagonisten auf.
Bei der zufälligen Betrachtung von Verbrecherfotos sagt Humbert im Roman ironisch: “If you want to make a movie out of my book, have one of these faces gently melt into my own, while I look.” (252)
Gerigk geht in seiner Analyse soweit, die Adaptionen nur als Sprachrohr für den Roman Nabokovs zu sehen:
Wenn diese Verfilmungen dafür gesorgt haben, das Interesse an Nabokovs Kindfrau weltweit wach zu halten, so haben sie jedoch gegenüber der Romanvorlage kein eigenes Recht gewonnen, ja, jede von ihnen hat das Interesse an Nabokovs Roman noch intensiver werden lassen.(59)

Anhand von exemplarischen Szenen sollen die Interpretationen von Kubrick und Lyne unter Berücksichtigung des Wandels der Zensur untersucht werden.


4.1 Figurenbetrachtung

I am not going very far for my pseudonyms (S. 305)

Vor der Figurenbetrachtung soll noch einmal kurz auf die doppeldeutige und ironische Namensgebung von Nabokov eingegangen werden. Die alliterative Wiederholung des Namens von Humbert Humbert, in dem schon das Doppelgängermotiv und die gespaltene Identität angelegt sind, erinnert an Charlie Chaplin, der sich ebenfalls in ein zwölfjähriges amerikanisches Mädchen verliebt: Lillita McMurray, wobei Lillita der Namensgeberin des Romans Lolita ähnelt.(60) Dolores, Lolitas richtiger Name bedeutet Schmerz und die Abkürzung Dolly unterstreicht ihr puppenhaftes Aussehen. Der Nachname von Humberts dunklem Alter Ego Clare Quilty reimt sich auf „guilty“ und impliziert gleichzeitig „quill“, was eine Anspielung auf den Schriftstellerberuf ist. Die Ähnlichkeit mit „quilt“ verweist zudem auf eine künstlich-synthetische Konstruktion. Der Vorname Clare hat einen weiblichen Klang und deutet Klarheit an, Clare ist der dunkle, eindeutig seine perversen Neigungen lebende Doppelgänger ohne Scham. Die Alliterationen Nabokovs nimmt Kubrick auf, wenn Quilty Charlotte bei dem Tanzabend fragt: „Didn’t you have a girl with a lovely, lyrical, lilting name?“ Immer wieder erwähnt Humbert seinen Onkel Gustave Trapp (u.a. S. 270) und verweist somit auf Gustave Flauberts Madame Bovary und die idealtypische Schweizer Trapp Familie. Charlottes und Lolitas Nachname Haze, versinnbildlich den Nebel und die Benommenheit, in die Humbert sich mit Betreten des Haze-Hauses begibt, in dem Charlotte versucht die dominante, maßregelnde Herrin zu sein.
Kubricks Figuren wirken oft surreal, verhalten sich nicht leicht nachvollziehbar für den Zuschauer; der Regisseur legt so eine distanzierte Betrachtungsweise in der Figurenentwicklung an. Behrens spricht von einem grundlegenden, „strukturellen“ scheitern menschlicher Beziehungen. Er analysiert die Interaktion der Charaktere Kubricks und Nabokovs folgendermaßen: „Die Beziehungen sämtlicher Personen sind geprägt von egozentrischer Funktionalisierung der anderen, Betrug und Selbstbetrug.“(61) Lyne betont von Beginn an den Aspekt der Liebe zwischen Humbert und Lolita und antizipiert so die unausweichlich tragische Ausformung der Beziehung der Charaktere im Sinn der klassischen Liebestragödie. Lyne sagt dazu in einem Interview der amerikanischen Filmzeitschrift Premiere: „so seltsam und schrecklich die Geschichte auch ist, es bleibt eine Liebesgeschichte“.(62) Seeßlen sieht einen signifikanten Unterschied in der Behandlung des Kindfrauenmythos durch die Regisseure: Kubricks Humbert würde die kindlichen Verhaltensweisen von Lolita begehren und sich nach dem Kind in der Frau sehnen (und somit in größerer Nähe zum Roman stehen), Lynes Humbert fühle sich von Lolitas Kindlichkeit provoziert und sehne sich nach der Frau im Kind.(63)


4.1.1 Humbert Humbert

Humbert is a true obsessional Kubrick hero.(64)

Nabokovs Erzähler Humbert ist ein obsessiver Charakter, der auf der Flucht vor der Trivialität des bürgerlichen Lebens ist.(65) Er wird als selbstbezogen und –verachtend, als arrogant und entschuldigend dargestellt. Er sieht sich selbst als „Spielzeug des Teufels“ (S. 90) und als „ancient beast“ (S. 306), evoziert die Dunkelheit seines Charakters durch seine Selbstbeschreibungen „das umbrafarbene und schwarze Humberland“ (S. 268), gleichzeitig unterstreicht er seine gespaltene Identität durch die vielen Epitheta, „Humbert der Schreckliche“ und „Humbert der Kleine“ (S. 45), mit denen er sich beschreibt. Lolita ist seine Muse, durch sie wird Humbert zum Dichter, so präsentiert er sich eher als Künstler denn als Perverser.(66) Er imaginiert Lolita so, dass er seine Lust mit ihr teilen kann, sie zur aktiven Verführerin wird. Humbert lebt unter einer bürgerlichen Fassade, die seine Neigungen nach außen verbirgt, er ist trauernder Ehemann, Stiefvater und Liebhaber in einer Person. Gleichzeitig hat er Angst für sein Handeln bestraft zu werden und gibt diese Angst an Lolita weiter, in dem er droht sie in ein Erziehungsheim zu bringen. Die fatale Geschichte zeigt, dass Humbert gerade durch die Verwirklichung seiner Obsession zum Gefangenen wird, dass er und Lolita selbst in Momenten der Nähe einsam und isoliert bleiben.(67) Fortwährend nimmt Humbert sich vor eindringenden Beobachtungen in Acht, Quilty scheint allgegenwärtig und seine Eifersucht verdeutlicht die gefängnisähnliche Position, in der er sich befindet. Diese wird verstärkt durch die klaustrophischen Orte des Romans und des Films, wie das Haus Haze, das Haus in Beardsley, die Hotelzimmer oder das Krankenhaus. Seeßlen fasst dies in Bezug auf Kubricks Verfilmung zusammen: „Es sind also die Räume der Gefangenschaft und die Bewegung, sich aus ihnen zu befreien, die Kubricks Filmen ihre innere Struktur geben.“(68) Dabei ist zu beachten, dass alle Figuren glauben, das „Spiel der Befreiungen“(69) aus dem Gefängnis der gesellschaftlichen Zwänge zu kontrollieren. Masons Humbert erscheint deutlich als Spielball von zunächst Charlotte, dann Lolita und Quilty. Richard Corliss, Kilb und Mario Falsetto beschreiben Humbert in Kubricks Verfilmung als das unschuldige Opfer Lolitas, die Teil einer ‚Verschwörung des Unglücks’ sei.(70) Er verändere Humberts Charakter vom Monster und Vergewaltiger zum bemitleidenswerten, schwachen Stiefvater, der die hausfraulichen Pflichten erfülle.
James Berardinelli unterstreicht, dass Jeremy Irons den Charakter Humbert als „pathetic, needy and strangely likeable“ anlegt und der Zuschauer sich seine Rehabilitation wünsche.(71) In einem Interview sagt Irons über seine Interpretation der Rolle:
Er ist ja nicht mal im Roman ein Monster. Adrian Lyne wollte auch nicht, dass ich ihn als eins spiele. Nette Menschen tun furchtbare Dinge. Es ist ein schwieriges Thema, aber ich war immer sicher, dass der Film trotz der Kontroversen, die es um ihn gab, ein langes Leben haben wird. Das Bewegende an Humbert ist, dass er weiß: Es ist falsch, was er tut. Er kann also kein Monster sein, ist eigentlich ein guter Mann mit einer riesigen Charakterschwäche. Und um ihn zu verstehen, muss das Publikum ihn mögen, er muss das Publikum verwirren. Ich mag kein Schwarz und kein Weiß, meine Figuren sind grau. Filme sollten Untersuchungen sein – sollten herauszufinden versuchen, warum wir bestimmte Regeln in der Gesellschaft haben.(72)


4.1.2 Lolita

Wie erwähnt wird die sprachlose Kindfrau Lolita durch Humberts Imagination generiert und besitzt kein eigenes Bewusstsein. In dem Humbert oft einzelne Körperteile von Lolita übertrieben beschreibt oder sieht, die zusammen gesetzt keine realistische Entsprechung ergeben würden, schafft er eine irreale Traumvorstellung. Als Charakter ist Lolita zunächst Kind, wird dann sexuelles Lustobjekt, und obwohl eine Entwicklung der Kindfrau ausgeschlossen ist, wird sie am Ende als schwangere Ehefrau gezeigt. Humbert sieht in ihr den „[…] Körper eines unsterblichen Dämons, verkleidet als weibliches Kind.“ (S. 226). Obwohl Lolita Humbert immer wieder zu necken scheint, ist sie nicht an einer Beziehung mit ihm interessiert und scheint auch in ihrer kurzen Lebenszeit nicht fähig zu sein jemanden zu lieben. Die Fremdbestimmung schreibt Lolita ein Interesse an Sex und Erfahrungen mit Männern zu. Bramberger beschreibt das Reibungsfeld der Kindfrau: „Die Kindfrau existiert nur in ihrer Funktion als Sexualwesen. Darin liegt die Dramatik und der Sinn ihrer Existenz.“(73)
Koebner unterstreicht bei Lynes Verfilmung die Umsetzung der Lebendigkeit und Vitalität von Lolita mit kindlichen Attributen wie Zöpfen, einem Mittelscheitel, einer Zahnspange und braunen Beinen in kindlich kurzen Hosen. Lolita besteche durch „körperliche Zudringlichkeit“, wobei nicht klar wäre, ob sie „arglos experimentiert“ oder „kundig stimuliert“, fährt er fort.(74) In einer Tanzszene Lolitas sehen wir ihre impulsive „eigene Art zu tanzen“, wie Lyne es nennt, die stark an Josephine Baker erinnert. Rolf-Rüdiger Hamacher kritisiert im Filmdienst, dass Dominique Swain mit der „im Roman angelegten Mischung aus Kindlichkeit und Vulgarität“ der Figur Lolita überfordert wäre.(75) Koebner fasst die beiden Verfilmungen zusammen: „Während Kubrick aus Lolita eine träge und antriebslose, narzisstisch selbstgefällige Puppe macht, verleiht Lyne ihr impulsiven Charakter, sprühende Lebendigkeit, differenzierte Persönlichkeit.“(76)


4.1.2.1 Das Ende der Kindfrau Lolita

Nach einem Zeitsprung in der Geschichte sieht Humbert eine 17-jährige Lolita wieder, die hochschwanger und verheiratet ist. Die ‚erwachsene’ rauchende bzw. biertrinkende Lolita wird in Ähnlichkeit zu Charlotte inszeniert, um den Tod der Kindfrau durch ihr Älterwerden zu verdeutlichen. Nach einer für den Protagonisten endlos langen Zeit des Verzehrens ist er davon überzeugt, Lolita über alles zu lieben: „You see, I loved her. It was love at first sight, at last sight, at ever and ever sight.” (S. 307). Humbert erkennt in diesem Moment die Vergänglichkeit seiner Kindfrau nicht an und will dem Leser mit größtem Nachdruck versichern, dass er diese, erwachsene Lolita liebt: “I insist the world know how much I loved my Lolita, this Lolita, pale and polluted, and big with another’s child, but still gray-eyed, still sooty-lashed, still auburn and almond, still Carmencita, still mine […].” (S. 317). Seeßlen sieht die Entsprechung dazu in Kubricks Verfilmung: „Am Ende, als Lolita ganz und gar aus ihrem Mythos getreten ist, ist Humbert endgültig davon überzeugt, dass er sie liebt. Wenn der Film ihm dabei glaubt, überlässt er diesen lächerlichen Mann der Tragödie.“(77) Kecht beobachtet im Gegensatz dazu, dass das Groteske an dieser Stelle in den Hintergrund treten würde und die Menschlichkeit zurückkehren würde.(78)
Gegen Ende des Romans reflektiert der Erzähler seine Beziehung zu Lolita unter dem Aspekt des Schadens, den er der Kindfrau verursacht hat: „[…] yet I insist that had not something within her been broken by me – not that I realized it then! […]“ (S. 264) nur um später seinem behaupteten Nichterkennen zu widersprechen:
I loved you. I was a pentapod monster, but I loved you. I was despicable and brutal, and turpid, and everything, mais je t’aimais, je t’aimais! And there were times when I knew how you felt, and it was hell to know it, my little one. Lolita girl, brave Dolly Schiller. (S. 324)

Wieder beteuert Humbert hier seine Liebe zu Lolita im Gegensatz zur zunächst im Bekenntnis akzentuierten obsessiven Leidenschaft als Motivation für sein Handeln. Grundsätzlich nimmt der Leser die Aussagen Lolitas durch Humberts Perspektive in indirekter Rede wahr und so ist sie eher Teil der komplexen Erzählstruktur als handelnde Figur. Humbert berichtet: „’Good by-aye!’ she chanted, my American sweet immortal dead love; for she is dead and immortal if you are reading this. I mean, such is the formal agreement with the so-called authorities.” (S. 320).
Kubrick zeigt Lolita mit einer dicken Hornbrille, welche sie aber nicht überzeugend älter aussehen lässt oder ihr Schauspiel überzeugender macht. In Bezug auf Quilty nimmt sie seine titulierte „Normalität“ auf und sagt: „He was a normal person, he was a genius.“ Sie wirkt sehr kühl und emotional unbeteiligt gegenüber Humbert. Im Roman, sowie in den Filmen gezeigt, beschreibt Humbert ihre Gefühle: "He [Quilty] was the only man she had ever been crazy about.” (S. 310) Beide Inszenierungen unterstreichen, dass Humbert am Ende an Lolita zerbricht. Dass er ihr Leben zerstört hat ist unterschwellig spürbar, jedoch fallen bei der Wiederbegegnung sowohl Mason als auch Irons dramatisch weinend in sich Zusammen nach der Zurückweisung Lolitas. In Kubricks Version versucht sie ihn zu trösten: „I’m sorry, try to understand. I’m really sorry that I cheated so much – but I guess that’s just the way things are.“ Swains Veränderung wirkt etwas glaubhafter als zerrissene, ambivalente 17-Jährige Kindfrau. Sie erscheint abgeklärt und doch etwas zugänglicher zu Humbert. Auf seine Frage ob er ihr je vergeben könnte weicht sie aus und antwortet: “Say goodbye Molly [ihr Hund] – to my dad.” Sie wirkt geistig etwas langsam und scheint die Vergangenheit verdrängen zu wollen. Der Film endet nach der Mordszene und Humberts Flucht im Auto mit einem Schnitt auf Lolitas Gesicht, wie sie sich am Abend des ersten Geschlechtsaktes ins Bett legt. Somit endet Lyne mit einem Bild der romantischen Verklärung von der Kindfrau Lolita. Seine Inszenierung ist durchdrungen von Humberts Obsession und entsprechend emotional inszeniert. Kubricks implizite und ironische Darstellungsweise ermöglicht jedoch immer auch eine distanzierte Betrachtung aus einer sicheren Position.
Die Konstruktion Lolita kann nicht überleben; sie stirbt bei der Geburt ihres Kindes. Dass auch alle anderen Charaktere sterben verdeutlicht die Unmöglichkeit der dargestellten Beziehungsstruktur. Lyne erwähnt ihren Tod im Epilog, während Kubrick Lolita dieses pessimistische Ende erspart. Nach der Zerstörung der Idee einer gemeinsamen Kontinuität durch Lolita, ermordet Humbert aus Rache- und verletzten Ehrgefühlen Quilty. Bataille sieht in der Erotik der Herzen neben dem Bild von der Kontinuität des Seins auch den Mordgedanken angelegt:
Die Möglichkeit der Verschmelzung der Herzen enthüllt sich vor allem durch das Leiden, unter Verhältnissen, die sie schwierig, ja mitunter unmöglich machen; so ist die Faszination des Todes bis an den Rand des Mordes und Selbstmordes, bei der allerheftigsten Erotik, die die Herzen zerreißt, stets mit einbegriffen.(79)


4.1.3 Quilty

It’s not really who wins, it’s how you play.(80)

Wie bereits beschrieben handelt sich bei Clare Quilty um Humberts amoralisches dunkles Alter Ego, das im gleichen Alter wie Humbert ist sowie die künstlerischen und perversen Neigungen mit ihm teilt. Kay Kirchmann betont noch einmal diese Aufsplittung:
Der Konflikt zwischen Prota- und Antagonisten ist stets auch der Konflikt zwischen dem gesellschaftlich legitimierten und dem gesellschaftlich dämonisierten Anteil des Ichs […]. Allerdings reduziert Kubrick die Thematik nicht auf eine simple Trennung zwischen guten und bösen Persönlichkeitsanteilen. Der Feind des Kubrickschen Protagonisten ist zugleich Verdopplung wie Negation des eigenen Ichs, wobei die klare Trennung zwischen dem ‚Original’ und dem ‚Double’ kaum noch möglich ist.(81)

Das literarische Motiv des Doppelgängers dienst auch hier als Vorbote des Todes, Humbert selbst durchschaut die Figur Quilty nie und wird sinnbildlich zum Gejagten seiner selbst. Quilty ist als Künstler und Verführer erfolgreicher, da er nicht von moralischen Skrupeln geplagt ist. Quilty charakterisiert den Konflikt Humberts zwischen seiner Obsession und den gesellschaftlichen Grenzen bzw. der Menschlichkeit, wobei Quilty durch sein freies Ausleben der Sexualität mit jungen Mädchen Humberts Abgründe unterstreicht und Lolitas Trivialität offenbart. Die Figur wirkt dämonisch, dekadent und zuhälterisch. Die Verfilmungen visualisieren den Konflikt der beiden Seiten durch ein Spiel aus Licht und Schatten. Die meiste Zeit über hält Quilty sich in der Dunkelheit auf, ist kaum zu sehen und doch immer präsent, wie z. B. bei einer Grossaufnahme auf sein Foto in Lolitas Zimmer in Kubricks Version. Lyne verfremdet die Figur Quilty noch stärker, indem er konsequent bis zum Ende des Films nicht die ganze Person zeigt, sondern z. B. nur seine Finger, seine Schuhe oder sein undeutliches Gesicht hinter einer Rauchwolke. Lyne sagt zu Quiltys nebulösen Auftritten: „I thought it was very important, as in the novel, that we barely know whether Quilty actually exists or not“. Humbert merkt erst zum Schluss, dass Lolita ein Doppelspiel geführt hat, im Roman sagt Humbert am Ende: „This, I said to myself, was the end of the ingenious play staged for me by Quilty.“ (S. 348).
Immer wieder taucht Kubricks Quilty als Person auf, die Angst und Schuldgefühle auslöst(82), wie ein Psychologe, ein Polizist, ein Beamter oder eine geheimnisvoll drohende Stimme am Telefon und wird so zu einer erzählerischen Instanz.(83) Auf den ersten Blick wirkt Quilty hier eher bizarr und komisch als bedrohlich. Nabokov zeichnet die Figur eindeutig verwerflich und könnte so als Verurteilung der Beziehung eines Älteren zu einem jungen Menschen gelesen werden. Die Ermordung des Doppelgängers kommt einem Schuldbekenntnis gleich und Humbert zerstört gleichzeitig einen Teil seines eigenen Ichs. Masons Humbert erschießt Quilty durch das Ölporträt der kindlichen Lady Hamilton: er hat sich im wahrsten Sinne des Wortes ein Bild von seiner Kindfrau geschaffen, durch das hindurch er sein dunkles Alter Ego erschießen muss.(84)


5. Stanley Kubrick – die Veränderung Lolitas durch die Zensur der Zeit

Naturally I regret that the film could not be more erotic. The eroticism of the story served a very important purpose in the book: it obscured any hint that Humbert loved Lolita. […] It was very important to delay an awareness of his love until the end of the story. I’m afraid that this was all too obvious in the film.(85)

Über die Zensurbedingungen der 60er Jahre sagt Kubrick 1972 in der Newsweek: “Had I realised how severe the [censorship] limitations were going to be […] I probably wouldn’t have made the film.“(86) Um dem strikten Production Code und der Zensurbehörde Legion of Decency in Amerika zu entgehen, dreht Kubrick den Film in England in den Elstree Studios. Kubrick kürzt und schreibt Nabokovs Drehbuch für den Film substantiell um; Peter Sellers bekommt die Freiheit die meisten Dialoge Quiltys zu improvisieren.(87) Kubrick erhöht Lolitas Alter von zwölf auf vierzehn Jahre, Sue Lyons Interpretation darf keine deutlich kindlichen Züge tragen. Sinclair analysiert das Spannungsfeld der Kindfrauendarstellung und geht auf die zeitgenössische Kritik ein:
Das eigentliche Problem lag nicht daran, dass Sue Lyon zu alt gewesen wäre für die Rolle der Lolita, sondern darin, dass die Leute fanden, dass sie sich zu alt kleidete und spielte. Sie wirkte zu cool und erfahren in ihren hochhackigen Schuhen und ihrem sorgfältig eingedrehten Haar. Zu fraulich und wissend in ihren Hüfthaltern und knielangen Röcken.(88)

Lolitas Status als Sexobjekt wird akzentuiert, sie scheint sich ihrer Ausstrahlung auf Männer bewusst zu sein und spielt damit. Trotzdem verschiebt Kubrick so augenscheinlich den Schwerpunkt der Geschichte auf den Liebesaspekt der Beziehung statt auf die Sexualität. Corliss geht auf die ambivalenten Folgen der zeitlichen Anpassungen durch Kubrick ein:
Harris and Kubrick had good reasons to make a Lola out of Lolita. […] The film would then be released. Humbert’s love for her would be an obsession but not a perversion. The audience could share his appreciation for her. […] But any girl who could pass for the later Lolita could not be convincing as the true Lolita.(89)

Zudem rückt der Regisseur Quiltys surreale Präsenz und seine Verfolgung von Humbert und Lolita in den Vordergrund und betont so seine Gesellschaftskritik; die klaustrophobische ‚Detektivgeschichte’ versinnbildlicht in surrealer Art und Weise die abseitige Geschichte der sexuellen Obsession.(90) Dazu gehört, dass er die Ermordung Quiltys zu Beginn des Films zeigt; dabei legt er den Schwerpunkt auf eine surreale, märchenhafte Inszenierung, die von der Realität distanziert zu sein scheint um leichter von der Zensurbehörde akzeptiert zu werden. Quilty betont in seinen versteckten Zusammentreffen mit Humbert in unterschiedlichsten Akzenten immer wieder ironisch: „We are perfectly normal people.“ Der Film wird zu Beginn aus keiner spezifischen Perspektive erzählt, die Handlung erfolgt als Rückblick: „4 years earlier“.
Kubrick arbeitet mit Andeutungen, Verweisen und Fragmenten, er lässt die abgeschliffenen Charaktere die Dinge nicht explizit aussprechen. Dabei ist wichtig, was er nicht zeigt und was zu einem Flüstern wird. Zum Beispiel substituiert er eine Sexszene mit Lolitas Nuckeln an einer Colaflasche(91) oder einem fragmentierten Körperteil: dem lustvollen Lackieren der Fußnägel Lolitas durch Humbert in der Anfangssequenz, die seine unterwürfige Position schon vorweg nimmt. Ebenso zeigt er schon zu Beginn, wie Humbert Lolita im wahrsten Sinne des Wortes ‚aus der Hand frisst’, als sie ihn mit seinem Frühstück füttert und ihm keck zugesteht: „You can have one little bite.“ Bei einem Schachspiel mit Charlotte sagt diese unbewusst vieldeutig: „You are going to take my queen?“, worauf Humbert antwortet, „That was my intention, certainly.“
Kilb gibt in der Zeit zu bedenken, dass Kubrick “die Fratze dessen, der begehrt” nicht zeigt und Humbert zu wenig aussätzig wirke.(92) Alexander Walker hingegen unterstreicht, dass Kubricks Inszenierung trotz aller Abschwächung pointiert und ironisch ist: „Once the film proper got under way, Kubrick and Nabokov turned eroticism into visual comedy that never for an instant lost its undertones of irony or pity.”(93) Kubrick spitzt seinen schwarzen Humor zu, wenn Humbert ein Bad im Badewasser der gerade verstorbenen Charlotte nimmt und der Vater des Unfallwagenfahrers in diese private Atmosphäre eindringt um Humbert die Übernahme der Bestattungskosten anzubieten. Kurz vor der Übermittlung der schlechten Nachricht sehen Lolita und Humbert aus ihrem Auto eine überfahrene Katze und Lolita kommentiert diese sinnbildliche Szene makaber: „A squashed cat – I hate things like that.“ Kirchmann unterstützt die These der zugespitzten Inszenierung und sieht Kubricks Interesse von einer Darstellung des Sexuellen auf ein Gesellschaftsporträt verschoben. Er interpretiert, dass Kubrick die Freiheit des Individuums verneint und Abbilder von Figuren schafft, die „einen modellhaften Gegenentwurf zum herrschenden Menschenbild verkörpern“.(94) Dabei ist zu beachten, dass der Dekonstruktion des Ichs kein konstruktiver Entwurf entgegengesetzt wird.


5.1 Die impersonale Kamera des Spiels zwischen schwarz und weiß

Falsetto weist darauf hin, dass trotz Humberts subjektiver Voice-over-Narration dieser die Erzählung nicht kontrolliert sondern ein Element der narrativen Struktur sei(95); Humbert wird als Protagonist und nicht als Erzähler inszeniert. Oft zeigt die Kamera nicht Humberts Perspektive sondern zeigt wie beschrieben explizit und implizit Quilty, dessen Gegenwart Humbert sich nicht bewusst ist und die für den Zuschauer inszeniert ist. Corliss sieht die Kamera als „prying eye“(96), Seeßlen unterstreicht die impersonale Kameraführung: „Die Kamera verrät es [den Blickwinkel] uns nicht; sie ist […] weder das Blickende noch das Erblickte in der Geschichte, sie registriert vielmehr Blicke und Bilder von einem dritten (oder vierten) Standpunkt aus.“(97) Selten fängt die Kamera Lolita in Großaufnahmen ein wie bei Lyne. Da die Kamera an diesen entscheidenden Stellen Humberts Blick impliziert, wirkt dieser nicht so bedrohlich. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass Humbert in Lolita dasselbe sieht wie der Zuschauer, manchmal ist sie sichtbar und manchmal nicht.(98) Kubrick arbeitet mit langen Einstellungen und gibt den Figuren so extensiven Raum zur Entwicklung. Zu Beginn sind die Szenen zwischen Humbert und Lolita hell ausgeleuchtet und Kubrick erweckt so den Eindruck der Respektabilität. Je mehr Einfluss Quilty gewinnt, desto dunkler wird der Film. Die klassische Bedeutungszuschreibung von hell und dunkel durchzieht den gesamten Film. In der Mordszene vertauscht der Regisseur die Farbzuteilung wenn Humbert schwarz trägt und Quilty in einer weißen Toga auftritt: die Figuren, ihre Charakterzüge und die Zuschreibungen sind endgültig verschmolzen.

 


6. Adrian Lynes Lolita – die romantreuere Adaption?

Lyne erzählt die Geschichte nach dem Vorbild des Romans aus dem Blickwinkel Humberts. Mittels einer Voice-over-Narration vermittelt Humbert viele Passagen des Buches teilweise wortgenau. Der Film zeigt zu Beginn Humberts Auto, das sich wellenförmig über eine Landstraße bewegt. Dazwischen geschnitten ist immer wieder der am Steuer sitzende blutverschmierte Protagonist zu sehen. Das melancholische Thema Morricones und die Beschwörung Lolitas durch Humberts Stimme aus dem Beginn des Romans untermalen die Szene. Humbert hat zuvor den Mord an Quilty begangen, doch anders als in Kubricks Inszenierung, sehen wir dies bei Lyne erst am Ende der Adaption. Hier erfolgen zunächst die Rückblende mit Annabel und dann der Schnitt auf Beardsley im Jahr 1947.
Der Zuschauer nimmt Lolita mittels verschiedener Kameraeinstellungen, wie z. B. extremen Closeups von Lolitas Körperteilen, in vielen Szenen durch die subjektive Blick Humberts, wahr. Koebner beschreibt die Kameraführung Lynes: „Lyne sorgt durchaus subtil dafür, dass Humberts Leidenschaft verständlich werde.“(99) Ilma Rakusa unterstreicht die gelungene Inszenierung von Humberts Blicken: der Blick von Irons, als er Lolita nach fünf Jahren wieder sehe, spiegele die ganze Tragödie der Figur wider, ebenso wie der erste Blick auf Lolita im Garten von Charlotte im wahrsten Sinne des Wortes Liebe auf den ersten Blick sei.(100)
Als Lolita ins Camp fährt und sich von Humbert verabschiedet, springt sie an ihm hoch und gibt ihm ihren ersten Kuss auf den Mund. Lyne zeigt diesen „lyrical moment“, wie er ihn im Audiokommentar bezeichnet, in Slowmotion und romantischer Musikuntermalung um Humberts erfüllende Stimmung zu unterstreichen. Als Lolita sich losreißt greift Humbert zunächst ins Leere und dann an seinen Magen, die emotionale Tiefe wird anhand seiner Gesten deutlich. Lyne stellt die Beziehung zwischen Humbert und Lolita in den Mittelpunkt des Films. Anders als bei Kubrick erhalten Quilty, der kaum physisch präsent ist, und Charlotte weniger Raum, die Farlows werden nicht porträtiert. Kilb unterstreicht, dass Quilty bei Kubrick zu einer Witzfigur verkommen sei und Lyne ihn nach Nabokovs Intention als Humberts Spiegelbild inszeniert habe.
Koebner beschreibt in seiner Studie zum Lolita-Komplex drei Gründe, die Lynes Verfilmung auszeichnen: „die Ausformung der Rollen“, „die Anschaulichkeit, der hier nicht nur behaupteten Erotik“ und die „Betonung der Liebestragödie“.(101) Lyne zeigt sehr deutlich, wie Lolita Humberts sexuelle Abhängigkeit ausnutzt um ihn zu manipulieren. Um ihre Teilnahme im Theaterstück zu erwirken brauchte Kubricks Kindfrau Quilty, der versteckt für sie eintritt, hier verhandelt sie selbst mit Hilfe von sexuellen Gefälligkeiten. Dass Humbert sie nach dem Sex bezahlt, zeigt Lyne anschaulich, als die beiden nackt auf einem Bett um Geldmünzen kämpfen.(102) Die beiden Figuren berühren sich anders als bei Kubrick häufig, was oft auch gewalttätig konnotiert ist um den gewalttätigen Aspekt der Beziehung zu unterstreichen. Mehrfach schlägt Lolita Humbert spaßhaft ins Gesicht und er gibt ihr ebenfalls in Streitsituationen zweimal eine Ohrfeige. Während ihrer Rundreise veranschaulicht Lyne an einer Stelle den traumatischen Charakter der Verbindung. Humbert wird in einem Alptraum von Männern mit Masken heimgesucht und bedroht, die Szene ist durch „attachments on the lense“ in einer verzerrten Perspektive gefilmt und mit Jumpcuts montiert. Humberts Verfolgungswahn gipfelt in großer Verzweiflung im Krankenhaus, welche teilweise durch eine wackelige Handkamera übermittelt wird.
Philip Martin unterstreicht ebenfalls die Romantreue von Lynes Version: „From a marketer’s point of view, the chief flaw of Lyne’s Lolita might be that if fails to misrepresent Nabokov’s Lolita to the degree that might have made it a commercial success.”(103) Er attestiert Lolita kein Blockbusterappeal, da nicht genug Sexszenen zu sehen wären. Die Mordszene an Quilty hingegen inszeniert er explizit gewalttätig, der Betrachter sieht die treffenden Schüsse und den verblutenden Quilty. Kilb hingegen schlussfolgert, dass Lyne durch die Deutlichkeit der Figuren, Kulissen und Kostüme die „abgründige Ungewissheit des Romans übertüncht“ und dadurch „verfehlt er ihn ganz“.(104) Er sieht die unwirkliche Stimmung des Romans essenziell nur bei der Szene zwischen Humbert und Lolita in der Wüste umgesetzt, wo Humbert glaubt, Lolita verloren zu haben.
Selten bricht Lyne Humberts Perspektive und entfremdet sich so von der Stimmung des Romans.


7. Vergleichende Betrachtung exemplarischer Szenen

Am Beispiel von zwei ausgewählten Szenen soll das Verhältnis von Humbert und der Kindfrau Lolita im Vergleich zum Ausgangstext des Romans näher untersucht werden. Dabei erscheint der erste Blick Humberts auf seine Nymphe und die erste sexuelle Vereinigung der beiden von besonderer Bedeutung.


7.1 Der erste Blick auf Lolita

Seeßlen beschreibt das Sinnbild des Gartens: „Der Garten ist der Ort, an dem sich Unschuld und Sünde wie nirgendwo sonst berühren, der Ort, den Humbert für seine Liebe sucht und genauso wenig erhalten kann wie er das Objekt seiner Liebe erhalten kann.“(105) Die erste Begegnung, den ersten direkten Blick Humberts und des Lesers auf Lolita im Garten des Haze Hauses in Ramsdale erzählt Nabokov folgendermaßen:
I [Humbert] was still walking behind Mrs. Haze through the dining room when, beyond it, there came a sudden burst of greenery – ‘the piazza,’ sang out my leader, and then, without the least warning, a blue sea-wave swelled under my heart and, from a mat in a pool of sun, half-naked, kneeling, turning about on her knees, there was my Riviera love peering at me over dark glasses. […] ‘That was my Lo,’ she [Charlotte] said, ‘and these are my lilies.’ ‘Yes,’ I said, ‘yes. They are beautiful, beautiful, beautiful!’ (S. 41ff.)

Im Roman verkündet der Erzähler nichts über Lolitas Reaktion sondern berichtet exkursiv von seinen jugendlichen Eindrücken mit Annabel als dessen Reinkarnation Lolita erscheint.
Sowohl Kubrick als auch Lyne nehmen die subjektive Sicht Humberts auf und inszenieren Lolita durch seinen männlichen Blick. In Kubricks Version liegt Lolita auf der Seite, die Beine wie für ein Modefoto drapiert. Mit einem Bikini bekleidet und einem überdimensionierten Sonnenhut und einer Sonnenbrille als Accessoire, wirkt sie sehr weiblich. Für Humbert scheint bei diesem Anblick die Zeit still zu stehen, um dies zu verdeutlichen sieht der Betrachter Lolita in einer längeren Einstellung stark weich gezeichnet. Der Moment wirkt surrealistisch durch die zeitliche und visuelle Verfremdung des Bildes. Lolita scheint amüsiert darüber, dass Humbert sie anstarrt und erwidert selbstbewusst seinen Blick. Der Blick wirkt herausfordernd und Lolita scheint sich ihrer Wirkung auf Männer bewusst zu sein. Neben der swingenden kindlichen Musik, die sie im Radio hört, wirkt sie nicht kindlich sondern sehr fraulich. Die gesamte Inszenierung der Kindfrau bei Kubrick unterstreicht ihre weiblichen Attribute durch ihre Kleidung, ihren Habitus und ihren Gestus. Immer wieder fordert sie Humbert heraus, spielt mit ihm und dominiert ihn auf eine weibliche Art. Charlotte bedrängt Humbert sehr deutlich bei der Hausführung, die verführerischen Lilien werden zu „Cherry Pies“ als Metapher für Lolitas sexuelle Ausstrahlung und Humberts Begehren – dem Grund seines Bleibens im Hause Haze. Kubrick beendet sie Szene durch einen harten pointierten Schnitt auf Frankensteins Monster aus dem erwähnten Filmbesuch.
In seinem Audiokommentar berichtet Lyne, dass er die Zeit der ersten Begegnung ausdehnt, da er Lolitas „Impact“ auf Humbert deutlicher inszenieren wollte als Kubrick und Nabokov an dieser Stelle. Statt kindlich verspielten Musiktönen umrahmt Ennio Morricones romantisches Thema die Szene und verleiht ihr so mehr Ernsthaftigkeit als bei Kubrick. Lyne setzt keinen Weichzeichner ein, stattdessen liegt Lolita, wie beschrieben, in einem weißen Sommerkleid nass durchtränkt unter einem Rasensprenger und betrachtet ein Foto von Burt Lancaster in einer Filmzeitschrift, durch einen Schnitt überträgt sich die Bewunderung für den Schauspieler auf Humbert. Die Kamera fängt zunächst Lolitas ganzen Körper ein, dann ihre Füße und ihr Gesicht in Großaufnahme und erzeugt somit eine erotische Spannung. Humbert sieht sie entrückt an worauf ihn die Kindfrau mit Zahnspange breit anlacht. Trotz der expliziteren und erotischeren Inszenierung von Lolitas Körper verleiht Lyne Lolitas Erscheinung etwas Kindliches, wie in der Figurenbetrachtung beschrieben, und die ambivalente Erscheinung der Kindfrau wird so glaubhaft. Humbert lässt sich von den „lillies“ verführen und beobachtet Lolita nach seinem Einzug beim Wäscheabhängen (in Kubricks Version spielt Lolita steif mit einem Hoolahoop-Reifen) wobei Humbert und der Zuschauer ihre kindlichen Bewegungen silhouettenhaft hinter einem Bettlaken wahrnehmen. Als sie mit dem Wäschekorb an Humbert vorbeigeht berührt ihr Fuß sein Bein zum ersten Mal. Dabei ist nicht klar, ob sie dies mit Absicht tut oder es zufällig geschieht. Lyne hält so den Umgang Lolitas mit ihren Reizen und das Spiel mit Humbert offen. Im Gegensatz zu Kubricks Lolita, die meist absichtsvoll und scheinbar erwachsen agiert.

 


7.2 Die erste sexuelle Vereinigung

Als Humbert Lolita aus dem Camp abholt, in das Charlotte sie geschickt hatte, gesteht sie ihm sofort „Fact I’ve been revoltingly unfaithful to you […].” Sie wirft ihm spielerisch vor, dass er sie nicht mehr mögen würde, da er sie noch nicht geküsst hätte. Humbert geht auf die Aufforderung ein und hält den Wagen an. Beide Verfilmungen übernehmen diese Szene wortgetreu. Die darauf folgende Unterscheidung ist exemplarisch für die beiden Ansätze. Im Roman erzählt Humbert „Lolita positively flowed into my arms. […], “ dann geben sie sich einen Zungenkuss, den Humbert eindeutig als “innocent game on her part” (S. 127) einordnet. Kubrick hingegen schneidet direkt danach auf das Hotel Enchanted Hunters, welches dem Zuschauer Raum für Imagination gibt ohne explizit etwas zu zeigen. Lynes Lolita ist in dieser Szene sehr freizügig; sie wechselt ihre Kleidung wobei man ihren nackten Oberkörper von hinten sieht. Danach setzt sie sich kindlich forsch auf Humberts Schoß und gibt ihm einen Zungenkuss. Zunächst wirkt sie dabei etwas unbeholfen, durch die Dauer des Kusses gewinnt dieser an Intensität und Ernsthaftigkeit. Hier wird Lolita wieder in ihrer affektvollen 'Lebendigkeit’ gezeigt, Sue Lyon wirkt im Gegensatz dazu durch ihre gestärkte Kleidung sehr erwachsen und durch den gelangweilten Blick erhaben. Beide Lolitas dominieren die Szene, in der Lyne ohne strenge Zensur die Aktionen der Kindfrau des Romans lebendig werden lassen kann.
Durch ‚das Schicksal’ begünstigt, müssen sich Humbert und Lolita ein Zimmer des Hotels teilen. Sofort erkennt Lolita im Roman und in den Filmen die prekäre Situation und antwortet auf Humberts Erklärungsversuche trocken: „The word is incest.“ (S. 135) Lyon liegt dabei verführerisch auf dem Bauch und reibt ihre gekreuzten Beine aneinander. Ihre Frisur und ihre leise erotische Stimme erinnern dabei an Marilyn Monroe. Mit gesenktem Blick streift sie sich sinnlich die High Heels von den Füßen um Humbert dann aufzufordern zum Essen hinunter in das Restaurant zu gehen. Irons zieht Swain in der Szene zärtlich und fürsorglich die weißen kindlichen Socken aus und streichelt ihren Fuß. Lyne sagt, dass er in dieser Szene Humberts Konflikt als Vater und Liebhaber deutlich machen wollte. Skrupellos gibt Humbert im Roman Lolita ein Schlafmittel, um sich ihr ungehindert nähern zu können. Beide Filme sparen dieses Detail aus. Nabokovs Humbert beschreibt den Anblick Lolitas im gemeinsamen Bett: „Clothed in one of her old nightgowns, my Lolita lay on her side with her back to me, in the middle of the bed. Her lightly veiled body and bare limbs formed a Z.” (S. 144). Lyne lässt etwas Humor in die angespannte Szene einfließen in dem er Humbert in einem Pyjama zeigt, der streng bis zum obersten Knopf zugeknöpft ist. Bei der weiteren Beschreibung der Nacht hält er sich detailgenau an die Vorlage. Die Kamera bildet Lolitas leicht bekleideten Körper unter der dünnen Decke ab und folgt dabei Humberts Augen. Mit morgendlichem Sonnenschein wacht Lolita auf, schaut Humbert an und küsst ihn. Dabei wirkt sie selbstbewusst und erwachsen und gleich darauf kindlich, als sich Humberts Kopf hektisch zur Seite dreht um ihm ins Ohr zu flüstern was sie für 'Spiele’ mit Charlie im Camp gespielt hat. Im Roman erzählt Humbert:
[…] [F]or quite a while my mind could not separate into two words the hot thunder of her whisper, and she laughed, and brushed the hair off her face, and tried again, and gradually the odd sense of living in a brand new, mad new dream world, where everything was permissible, came over me as I realized what she was suggesting. (S. 150)

Auf seinen erstaunten Blick ergreift Lolita die Initiative, nimmt ihre Zahnspange aus dem Mund und zeigt ihm ihr ‚Spiel’. Dabei lacht Humbert vor Vorfreude auf das Kommende. Direkt darauf folgen eine Weißblende auf einen See und schließlich ein Schnitt auf das Auto des Paares im Regen, der die Traurigkeit nach der großen Vereinigung andeutet.(106) Überspitzt fasst Humbert mit seinen pointierten Wortspielen den ersten Geschlechtsakt von ihm und Lolita in der Vorlage zusammen:
Frigid gentlewomen of the jury! I had thought that months, perhaps years, would elapse before I dared to reveal myself to Dolores Haze; but by six she was wide awake, and by six fifteen we were technically lovers. I am going to tell you something very strange: it was she who seduced me. […] Sensitive gentlewomen of the jury, I was not even her first lover. (S. 149f. u. S. 153)

Kubrick bricht die Anspannung und potenziell sexuelle Stimmung der Nacht mit dem slapstickhaften Errichten des Klappbettes durch Humbert und den alten Portier. Beide fallen beim Aufbauen ungeschickt übereinander bis der Portier nach scheinbar getaner Arbeit am Ende sagt: „We did it sir!“. Davon unbeeindruckt liegt Lolita in einem hochgeschlossenen Nachthemd im Bett und schläft. Als Humbert sich jedoch zu ihr legen will, wacht sie auf und verweist ihn auf das Klappbett, das prompt unter ihm zusammenbricht. Am Morgen geht Lolita an das Kopfende von Humberts kollabiertem Bett und beugt sich über ihn. Aus ihrer erhabenen Position weckt sie ihn mit einem kindlichen Scherz und nutzt eine Frage nach der Uhrzeit um ihn am Arm zu berühren. Darauf hin greift auch Humbert nach ihren Händen und die beiden halten sich fest. Selten sieht der Zuschauer eine Berührung von Lolita und Humbert. Wenn ein Kuss zu sehen ist, dann auf die Wange. Lolita fragt verführerisch: „What shall we do know?“ Als Humbert antwortet, dass sie Frühstück bestellen können, offeriert sie: „Why don’t we play a game?“ An dieser Stelle nähert sich Kubrick dem Roman wieder an und Lolita flüstert Humbert ihre Erlebnisse ins Ohr, dabei krault sie seinen Haaransatz. Auf Humberts schockierten Blick folgt eine Großaufnahme von Lolitas aufforderndem Gesicht und sie geht mit den Worten „Allrighty then“ zu Humbert ans Bett. Auch hierauf erfolgt direkt ein Schnitt auf das Auto des Paares.
Durch den Blick Humberts nimmt der Zuschauer jeweils Lolita als Verführerin wahr. Aufgrund der Erzählperspektive und Nabokovs irreführenden Konstruktionen muss dies kritisch hinterfragt werden. Zudem scheint Lolita bisher nur sexuelle Erfahrungen im Sommercamp gesammelt zu haben, die sie kaum zu einer so großen fatalen Verführerin werden lassen können. Die bisherigen Analysen unterstützen die Einschätzung Nadja Kronemeyers und Koebners, dass Lolita „halb spielerische, halb gekonnte Verführungsversuche“ unternimmt.(107) Bramberger sieht die Verführung als Ausdruck und Metapher der „Sexualisiertheit der Kindfrau“(108). Weiter schreibt sie: zudem ist die Kindfrau „stets Ausdruck einer Grenzüberschreitung im Bereich der Sexualität. Ihre Sexualität irritiert, wobei nie klar, nie eindeutig artikuliert ist, was denn die Irritation ausmacht, wo genau welche Grenze überschritten wird, wer wen verführt.“(109) Für Jean Baudrillard sind Liebe und Sexualität austauschbar und als Druckmittel einsetzbar, was sich auch auf Lolita beziehen lässt. Die Verführung hingegen schaffe eine Beziehung, die dem Duell ähnlich sei, deren Antrieb Leidenschaft sei, sagt Baudrillard.(110) Auch Humbert sehnt sich nach Erfüllung in der Verbindung mit seiner imaginierten Utopie der absoluten Glückseligkeit in der Kindfrau. Seine und Lolitas Liebe erscheinen individuell und egoistisch. Der Zuschauer und Leser folgt dem Duell der Verführungen des Paares bei seiner Reise mit einem sinnbildhaften Quilty als dunklem Verfolger.

 


8. 36 Fillette – Emanzipation der Kindfrau

Catherine Breillat entwirft 1988 in ihrem Film eine Kindfrau aus einer weiblichen Sicht: Lili. Der Filmtitel bezieht sich auf die Kleidergröße der 14-Jährigen Protagonistin. Lili trägt meistens eine Latzhose, ist aufmüpfig und schlagfertig, wirkt kindlich aufgrund ihres Habitus und weiblichen aufgrund ihres entwickelten Körpers. Sei vereint wesentliche Merkmale des Konstruktes Kindfrau in sich. Lili hat mit den typischen Problemen der Adoleszenz zu kämpfen, sie ist mit der Welt, die sie umgibt unzufrieden. Während eines Sommerurlaubs knüpft sie erste Kontakte zur Männerwelt. Zunächst ist sie frustriert von männlichen Avancen, die auf ihre beginnende Sexualität ansprechen; sie möchte sich lieber unterhalten als Sex zu haben. Der sehr viel ältere Maurice möchte mit ihr intim werden. Sie geht mit ihm auf sein Hotelzimmer, fügt sich aber nicht seinen Vorstellungen. Währen des Films begleitet der Zuschauer den Kampf der beiden, bei dem sie die Regeln bestimmt. Obwohl sie entjungfert werden möchte, bringt sie es nicht übers Herz mit Maurice zu schlafen. Bryant Frazer schreibt über 36 Fillette in Anlehnung an Romance über die Filme Breillats: „men […] seem congenitally incapable of satisfying a woman sexually or emotionally“.(111) Lily verstößt den alten Liebhaber und hat zum ersten Mal Sex mit einem gleichaltrigen Jungen. Mit ihm kommt keine Beziehung zu Stande, es ist deutlich, dass sie ihn nur benutzt hat um ihre Jungfräulichkeit zu verlieren. Lili agiert als emanzipierte Kindfrau, kann die Handlungsweisen der Männer nach ihren Wünschen manipulieren. Sie ist kein projizierter männlicher Entwurf, sondern eine aktive 14-jährige Protagonistin in der jugendlichen Übergangsphase, geprägt durch die emanzipierte weibliche Sicht der Regisseurin. Lili kann somit als weiblicher Gegenentwurf des männlichen Konstruktes Lolita gesehen werden.


9. Schlussbemerkung

Trotz der restriktiven Bedingungen der 50er Jahre entwirft Nabokov in dieser Zeit eine Kindfrau, die ihre sexuelle Beziehung zu einem älteren Mann frei ausagiert. Aufgrund der Thematik verzögert sich die Publikation im mehreren Ländern um viele Jahre. Dabei wirkt Lolita niemals pornographisch oder obszön. Mittels komplexer Erzählstruktur und unzähligen Anspielungen schafft der Schriftsteller eine Beziehung zwischen Humbert und Lolita, die die amerikanische Gesellschaft vielschichtig porträtiert. Detailreiche Beschreibungen der sexuellen Obsession spart Kubrick aus und überträgt statt einer werkgetreuen Adaption des Mythos der Kindfrau die ironische Reflexion über die amerikanische Gesellschaft und den erotischen Film auf seine Verfilmung. Kubricks Protagonist Humbert wirkt im Gegensatz zu Nabokvos Entwurf und Lynes Umsetzung meist wenig aktiv, er ist als Erzähler kaum spürbar und lässt sich von den Personen, die ihn umgeben, dominieren – er versucht vergeblich vor ihnen zu fliehen. Lolita tritt wie beschrieben durch ihre Kostüme und ihren Habitus meist sehr erwachsen auf. Wie erarbeitet liegt der Schluss nahe, dass Kubrick sie z. T. aufgrund der zeitgenössischen Zensur, als dominante reife Person zeigt und Humbert so zum Opfer ihrer Manipulation wird.
Lyne, in seiner Darstellung freier, zeigt eine ambivalente Kindfrau nach Nabokovs Vorschlag. Er folgt Humbert auf dem Weg seiner Leidenschaft und erzeugt Empathie für Humberts Verhalten. Dabei schwächt er jedoch die sexuelle Obsession zu einer Liebestragödie ab und spart, wie Kubricks Film, kompromisslose Details des Charakters aus. Aufgrund der stärker akzentuierten Kindlichkeit ist Lolita hier als Opfer des erwachsenen Mannes gezeichnet. Lyne schlussfolgert über seine Adaption von Humberts Figur: “You care about him when you don’t want to care about him, because he is a monster. That’s troubling and I think it should be troubling.” Wie im Artikel zitiert, betont Irons, dass Humbert weder als „schwarzer“ noch als „weißer“ Charakter angelegt sei. Dies trifft zu, jedoch wirkt Lynes Umsetzung im blinden Folgen von Humberts Obsession zu wenig diversifiziert. In den Filmen erhalten die fantastischen und teilweise widersprüchlichen Beschreibungen Nabokovs, erhält das 'dritte Geschlecht’ einen festen Körper in Form der Inszenierung der beiden Schauspielerinnen Lyon und Swain. Hierdurch erfolgt eine Festschreibung der Kindfrau, die Teile ihres Mythos und ihrer Unfassbarkeit einbüßt, ohne jedoch den Mythos zu zerstören. Die Filme lenken den Blick auf die Kindfrau und machen das jeweilige Konstrukt für diesen Moment aus dem zeitlichen Kontext heraus eindeutig rezipierbar.


Anmerkungen

(1) Bramberger 2000, S. 9
(2) Ebd.
(3) Ebd., S. 112
(4) Hochholdinger-Reiterer 1999, Vorwort
(5) Vgl. Bramberger 2000, S. 9 u. 49
(6) Vgl. Hochholdinger-Reiterer 1999, Vorwort
(7) Vgl. Bramberger 2000, S. 92
(8) Bramberger 2000, S. 92
(9) Ebd., S. 93
(10) Ebd., S. 47
(11) Vgl. Hochholdinger-Reiterer 1999, S. 5ff.
(12) Vgl. Bramberger 2000, S. 30
(13) Gerigk 2000, S. 184
(14) Vgl. Bramberger 2000, S. 274f.
(15) Hochholdinger-Reiterer 1999, S. 31
(16) Herder zitiert in Hochholdinger-Reiterer 1999, S. 17
(17) Hochholdinger-Reiterer 1999, S. 9f.
(18) Hochholdinger-Reiterer verweist auf literarische Figuren wie Sokrates’ Antigone (442 v. Chr.), Goethes Mignon (Wilhelm Meisters Lehrjahre 1796), Kleists Kätchen (1808) oder Wedekinds Lulu-Tragödie (Erdgeist, Die Büchse der Pandora 1892-1913), die man auch schon als Kindfrauen bezeichnen könnte. Vgl. S. 4
(19) Zitiert in Bramberger 2000, S. 81 u. 84ff.
(20) Vgl. Bramberger 2000, S. 155. 1930 befasst Wittels sich zudem mit der Kindfrau als „Modeerscheinung“, in der Frauen versuchen wie Kinder zu wirken. Vgl. Hochholdinger-Reiterer 1999, S. 152
(21) Bramberger 2000, S. 88
(22) Ebd., S. 137
(23) Vgl. Hochholdinger-Reiterer 1999, S. 33
(24) Gerigk 2000, S. 173
(25) Ebd., S. 182
(26) Vgl. Hochholdinger-Reiterer 1999, S. 48
(27) Vgl. Sinclair 1989, S. 22
(28) Hochholdinger-Reiterer 1999, S. 63ff. u. 153
(29) Vgl. Sinclair 1989, S. 80 u. 102f.
(30) Ebd., S. 171ff.
(31) In der Süddeutschen Zeitung v. 19.03.2004 wird darauf verwiesen, dass Heinz von Lichtberg schon 1916 eine Erzählung über eine Kindfrau mit dem Titel Lolita geschrieben hat. Lichtberg und Nabokov lebten 15 Jahre lang zur gleichen Zeit in Berlin.
(32) Vgl. Bramberger 2000, S. 9f.
(33) Bataille 1981, S. 14
(34) Vgl. Bramberger 2000, S. 155
(35) Bramberger 2000, S. 94
(36) Vgl. Kecht 1983, S. 136
(37) Bramberger 2000, S. 33
(38) Ebd., S. 23
(39) Vgl. Bramberger 2000, S. 251
(40) Hochholdinger-Reiterer 1999, S. 153
(41) Ebd., S. 153
(42) Hochholdinger-Reiterer 1999, S. 113
(43) Sinclair 1989, S. 9
(44) Bramberger 2000, S. 108
(45) Ebd., S. 105
(46) Bezeichnenderweise für sein eigenes Leben erkennt Humbert die Botschaft des Stückes: „[…] that mirage and reality merge in love.“ (228)
(47) Maddox 1983, S. 75f.
(48) Vgl. Seeßlen 1999, S. 131
(49) Vgl. Bramberger 2000, S. 120f.
(50) Vgl. Clancy 1984, S. 106. Kecht sieht die märchenhaften Motive wie Täuschung, Verzauberung und Verwandlung immer wieder durch Nabokov in der Beziehung der drei Protagonisten aufgenommen. Vgl. S. 136
(51) Kecht 1983, S. 151
(52) Vgl. Ebd., S. 154ff.
(53) Vgl. Hof 1984, S. 151 u. 154
(54) Seeßlen 1999, S. 127
(55) Corliss 1994, S. 85. Corliss bezieht sich hier auf die Verfilmung von Kubrick.
(56) Ulrich Behrens in seiner Kritik auf der Website „Filmstarts“
(57) Koebner 2002, S. 43
(58) Andreas Kilb in Die Zeit 2/1998
(59) Gerigk 2000, S. 189
(60) Vgl. Bramberger 2000, S. 45f.
(61) Ulrich Behrens in seiner Kritik auf der Website „Filmstarts“
(62) Andreas Kilb in Die Zeit 2/1998
(63) Vgl. Seeßlen 1999, S. 119
(64) Kagan 1972, S. 109
(65) Vgl. Seeßlen 1999, S. 130
(66) Vgl. Gerigk 2000, S. 182
(67) Vgl. Clancy 1984, S. 108 u. Kecht 1983, S. 138
(68) Seeßlen 1999, S. 132
(69) Ebd.
(70) Vgl. Corliss 1994, S. 30f.
(71) Vgl. James Berardinelli in seiner Kritik auf der Website „Reel Views“
(72) Zitiert in der Süddeutschen Zeitung v. 4.4.2005
(73) Bramberger 2000, S. 89
(74) Vgl. Koebner 2002, S. 39f.
(75) Rolf-Rüdiger Hamacher in seiner Kritik im Filmdienst Nr. 26/1997 (76) Koebner 2002, S. 40
(77) Seeßlen 1999, S. 122
(78) Vgl. Kecht 1983, S. 140
(79) Bataille 1981, S. 12f.
(80) Diesen Satz sagt Quilty zu Humbert in Kubricks Showdown nach einem Tischtennisspiel. Über das Spiel hinaus verweist dies auf die Beziehung der beiden zur Kindfrau Lolita.
(81) Kirchmann 1993, S. 81
(82) Meistens wird Quilty von seiner schwarzhaarigen Partnerin Vivian Darkbloom begleitet, die die abseitige Atmosphäre noch unterstreicht. [Bei „Vivian Darkbloom“ handelt es sich um ein Anagramm von Vladimir Nabokov]
(83) Vgl. Seeßlen 1999, S. 128 u. 137
(84) Ebd., S. 74
(85) Corliss 1994, S 76
(86) Zitiert in Corliss 1994, S. 12
(87) Vgl. Corliss 1994, S. 16 u. 47
(88) Sinclair 1989, S. 183
(89) Corliss 1994, S. 76
(90) Trotz der abgemilderten Darstellung erhält Kubricks Film in Amerika und Großbritannien das „X Rating“, in Deutschland die Altersfreigabe „ab 18 Jahre“.
(91) Lyne benutzt statt einer Flasche in mehreren Szenen eine Banane zur Veranschaulichung der sexuellen Ausstrahlung der Kindfrau.
(92) Andreas Kilb in Die Zeit 2/1998
(93) Walker 1968, S. 172
(94) Kirchmann 1993., S. 76 u. vgl. S. 69
(95) Vgl. Falsetto, S. 88
(96) Corliss 1994, S. 38f.
(97) Seeßlen 1999, S. 128
(98) Vgl. Ebd., S. 128
(99) Koebner 2002, S. 44
(100) Vgl. Rakusa 2006, S. 18
(101) Koebner 2002, S. 39. Hierzu ist anzumerken, dass in der amerikanischen Fassung alle Sexszenen herausgeschnitten wurden.
(102) Lyne erläutert, dass Swain dabei einen Bodysuit getragen habe und in Teilen von einem Bodydouble ersetzt worden wäre.
(103) Philip Martin in seiner Kritik von 1998 auf der Website „Nerve“
(104) Andreas Kilb in Die Zeit 2/1998
(105) Seeßlen 1999, S. 134
(106) Lyne zeigt in einer Szene, wie im Roman angedeutet, dass Lolita oft weint nachdem sie Sex mit Humbert hatte.
(107) Kronemeyer 2006, S. 162
(108) Bramberger 2000, S. 252
(109) Ebd., S. 162f.
(110) Vgl. Blask 1995, S. 61
(111) Bryant Frazer in seiner Kritik auf der Website “Deep Focus”


Literaturverzeichnis

Primärtexte

Nabokov, Vladimir: Lolita [deutsche Ausgabe]. Reinbek 2003

Nabokov, Vladimir: Lolita [englische Ausgabe]. London 2006


Sekundärliteratur

Bataille, Georges: Die Erotik und die Faszination des Todes. In: Claudia Gehrke/Peter Poertner (Hrsg.): Konkursbuch Nummer Sechs: Erotik. Tübingen 1981, S. 11-14

Blask, Falko: Die Lehre von der Verführung. In: Falko Blask: Baudrillard zur Einführung. Hamburg 1995, S. 57-65

Bramberger, Andrea: Die Kindfrau. Lust – Provokation – Spiel. München 2000

Clancy, Laurie: The Novels of Vladimir Nabokov. London, Basingstoke 1984

Corliss, Richard. Lolita. London 1994

Falsetto, Mario: Stanley Kubrick. A Narrative and Stylistic Analysis. Westport 1994

Gerigk, Horst-Jürgen: Salome und Lolita. Die „Kindfrau“ als Archetypus. In: Karin Tebben (Hrsg.): Frauen – Körper – Kunst. Literarische Inszenierungen weiblicher Sexualität. Göttingen 2000, S. 173-190

Hochholdinger-Reiterer, Beate: Vom Erschaffen der Kindfrau. Elisabeth Bergner – ein Image. Wien 1999

Hof, Renate: Das Spiel des unreliable narrator. Aspekte unglaubwürdigen Erzählens im Werk von Vladimir Nabokov. München 1984

Kagan, Norman: The Cinema of Stanley Kubrick. New York 1972

Kecht, Maria-Regina: Das Groteske im Prosawerk von Vladimir Nabokov. Bonn 1983

Kirchmann, Kay: Stanley Kubrick: das Schweigen der Bilder. Marburg 1993

Koebner, Thomas: Der Lolita-Komplex. Alter und Jugend – Tabu und Begehren im Film. In: Marcus Stiglegger (Hrsg.): Kino der Extreme. Kulturanalytische Studien. St. Augustin 2002, S. 29-52

Kronemeyer, Nadja: Lolita. In: Thomas Koebner (Hrsg.): Filmklassiker, Bd. 5. Stuttgart 2006, S. 161-165

Maddox, Lucy: Nabokov’s Novels in English. London 1983

Rakusa, Ilma: Das Begehren des Blicks. Adrian Lynes Lolita. In: Sandra Walser u. a (Hrsg.): Cinema Bd. 51: Erotik. Marburg 2006, S. 18-20

Seeßlen, Georg/Fernand Jung: Stanley Kubrick und seine Filme. Marburg 1999

Sinclair, Marianne: Hollywood Lolita. Der Nymphchen-Mythos. München 1989

Walker, Alexander: Sex in the Movies. The Celluloid Sacrifice. Harmondsworth 1968


Zitierte Internetseiten

http://www.deep-focus.com/flicker/

http://cinomat.kim-info.de/filmdb/filme.php?filmnr=507658

http://www.filmstarts.de/kritiken/38917,Lolita.html

http://www.zeit.de/1998/02/Die_Rache_einer_Projektion?page=all

http://www.nerve.com/PersonalEssays/Martin/lolita/

http://www.reelviews.net/movies/l/lolita.html

http://www.sueddeutsche.de/kultur/artikel/788/28760/

http://www.sueddeutsche.de/kultur/artikel/585/50535/