GENTLEMAN 3,5 / 5 Sterne Deutschland 1995 Oscar Roehler ist heute Synonym für ein spezielle Form des kompromisslosen Qualitätsfilm, wie er ihn in DER ALTE AFFE ANGST und DIE UNBERÜHRBARE besipielhaft inszeniert hat. Viele halten bis heute SYLVESTER COUNTDOWN für sein Regiedebüt, und aus einer gewissen Perspektive ist das auch zutreffend. Doch in einem frühen Interview (hier dokumentiert) verweist der Filmauteur bereits auf diesen lange verschollenen frühen Film, eine freie Berliner Adaption von Bret Easton Ellis' AMERICAN PSYCHO, und es ist der neuen Reihe "Filmdebüts" der Filmgalerie 451 zu verdanken, dass man endlich die Chance bekommt, diese Lücke zu schließen. Frank Seltsam (dargestellt von Kurt Leiner alias QRT) steht auf schnelle Autos, schöne Frauen und teure Drogen. Aber in der letzten Zeit klappt gar nichts mehr: Der Wagen wird abgeschleppt, im Kaufhaus gibt’s keinen Wonderbra, und Germaine, auf die er scharf ist, erscheint in männlicher Begleitung zu seiner Party, zu der zusätzlich eine Prostituierte geladen hat. Sein Frust entlädt sich in einer Orgie aus Blut, Champagner und Heroin, der alle drei zum Opfer fallen. Doch Franks Leichensammlung ist noch nicht komplett. Wieder tritt er zwei Freundinnen, die er in die tödliche alle lockt. GENTLEMAN ist zunächst einmal aus einem speziellen Grund interessant: Er zeigt den an einer Überdosis Heroin verstorbenen Berliner Freistilphilosophen Kurt Leiner, bekannt als QRT (Autor bei Merve), in der Hauptrolle. Dieser ohnehin nur schwach konturierten Rolle ist Leiner in keiner Weise gewachsen, doch es ist erstaunlich, diesen Selbstdarsteller bei der mühsamen Arbeit zu beobachten. Ähnlich affektiert, wenn auch kontrollierter, erscheint Inga Busch in einer frühen Rolle. Was als wirklich wilder und bösartiger deutscher Splatterfilm durchgehen könnte, entpuppt sich als in sich kreisendes Obsession-Kaleidoskop einer Berliner Clique von Filmverrückten. Dieser Eindruck wird im interessanten Interview mit Roehler noch bestätigt. Wer sich also mit dem Werk des Regisseur beschäftigt, wird um GENTLEMAN nicht herum kommen, denn vieles ist hier bereits zu finden - wenn auch lange nicht so ausgereift und pointiert wie in späteren Filmen. Diese sind zumindest als Trailer auf dieser DVD vertreten. Qualitativ ist dieser auf Video gedrehte Film erstaunlich überzeugend: die fahlen Farben, extremes Ciaroscuro und knarziger Gitarrensoundtrack garantieren einen verstörenden Filmabend. das Bonusmaterial ist gelungen und rundet die Veröffentlichung ab. Ein verlorenes Meisterwerk ist der Film indes nicht, und das liegt garantiert nicht an seinen Sex- und Gewalteszessen - diese bedienen keinesfalls den Exploitationsektor (reichten aber dennoch für "keine Jugendfreigabe"). Vielmehr ahnt man, was beabsichtigt war - scheitern musste er an den diletantischen Umständen der Dreharbeiten, die man dem Film deutlich anmerkt. Als DVD-Veröffentlichung aber bleibt GENTLEMAN großartig und ist ein weiterer Grund, nach den anderen Filmen der Debüt-Reihe Ausschau zu halten: STILLES LAND von Andreas Dresen DU MICH AUCH von Dani Levy und DIE HÄUPTER MEINER LIEBEN von Hermine Hundgeburth. Marcus Stiglegger http://www.filmgalerie451.de |
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