Empusae

Sphere From the Woods

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Label: Ant-Zen Records
Format: CD
Veröffentlichung: 25. Oktober 2013

Nicolas Van Meirhaeghe alias Empusae inszeniert die Oper im Wald: Neben elektronischen Instrumenten, Gitarren und Vocals verwendet er in seinem konzeptionell am Mythos Natur ausgerichteten Album „Sphere From the Woods“ auch Hölzer und field-recordings sowie rituelle Trommeln, Klangschalen, Glocken, Metalle oder Seile. Obgleich diese objets trouvés dem Album eine organische Tiefe verleihen, vernimmt der Hörer elektrisches Knistern in den Ästen und Wurzeln des Waldes. Bereits im ersten Stück „Ritual For Saille“ dominiert eine neo-klassisch-bombastische Synthesizerlinie, die einen Sog in das Unterholz entwickelt. In „Sphère Des Bois“, dem zweiten Track, beherrschen düstere Drones das Klangbild, die von rituellen Percussions angetrieben, und von feinen Glocken-Arpeggios umspielt werden. „Into the Abyss of the Forest“ bildet darauf folgend die ambivalent fahle Lichtung im akustischen Dickicht und ist bedrohliches Epizentrum der undurchdringlichen und vielschichtigen Kompositionen.

Der Wald, oder im englischen viel klangvoller: „the woods“, bildet seit Jahrhunderten romantische Sehnsuchts- wie beunruhigende Angstkulisse einer zutiefst verunsicherten Zivilisation. Als imaginiertes Gegenbild der Kultur veranlassten die Wälder Dichter wie Caspar David Friedrich zu elegischen Anrufungen, markieren jedoch auch eine Projektionsfläche für das Unheimliche und aus dem Alltag verdrängte. Nicht erst seit „Blair Witch Project“ hat sich auch die Populärkultur diesem Bild angenommen: Bereits 1983 besang Nick Cave mit seiner Band Birthday Party in dem verstörenden „Deep in the Woods“ den Wald als Schreckensort des Unheimlichen. Wie Sigmund Freud beschrieb, ist das 'Unheimliche’ von einer gewissen Ambivalenz gekennzeichnet, und droht immer mit seinem vermeintlichen Gegensatz, dem 'Heimlichen’ zusammenzufallen. Im Wald scheint diese Mehrdeutigkeit eine Verortung gefunden zu haben. Michel Foucault hat all jene Orte, die gewissermaßen zwischen den Orten liegen (also auch zwischen 'Heimlichem’ und 'Unheimlichem’) und jenseits der gesellschaftlich normierten Ordnung 'verortet’ sind, als „Heterotopien“ – andere Orte – bezeichnet. Gerade die Ambivalenz des Waldes, seine Zwischenräumlichkeit zwischen kultureller Vereinnahmung, zivilisatorischem Außen und widersprüchlicher Symbolik, könnte Anlass dazu geben seine Struktur heterotopisch zu denken. „Sphere From the Woods“ macht diese Spannung künstlerisch erfahrbar und ist selbst an der Grenze zwischen bedrohlicher und meditativer Atmosphäre 'verortet’. Nicht nur innerhalb des Albums, sondern auch innerhalb der einzelnen Stücke spiegelt sich die Uneindeutigkeit der kulturellen Zuschreibungen in geradezu emblematischer Form.

„Sphere From the Woods“ gewinnt bei mehrfachem Hören immer wieder aufs Neue an Tiefe und Dimensionalität. Stimmig komponiert, konzeptionell konsequent gearbeitet und klanglich passend arrangiert, wird das Album auch durch das stilvoll-dezente Artwork von Christel Morvan (Nestiart) angemessen in Szene gesetzt. Spätestens wenn im letzten Stück „Ritsu“ animalische field-recordings, düster-verzerrte Vocals auf pfeifenden Wind und ätherische Synthesizer-Flächen treffen, ist klar wo wir uns befinden ... deep in the woods.

Patrick Kilian