Arne Hoffmann Das Lexikon der Tabubrüche Berlin: Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag 2003, ISBN 3-89602-517-1, 624 Seiten Im vergangenen Jahr hat der hochproduktive Aufklärer und bekennende Sadomasochist Arne Hoffmann (siehe Interview in der ersten Ausgabe von :Ikonen:) mit seinen umfassenden Werken Lexikon des Sadomasochismus und Sind Frauen bessere Menschen? zwei maßgebliche Materialsammlungen zur Diskussion zeitgenössischer Tabus und Grenzbereichen vorgelegt. In seinem neuen Buch, dem Lexikon der Tabubrüche, zieht er nun eine kenntnisreiche Summe seiner bisherigen Forschungen. Das Lexikon folgt dabei nicht einer Gliederung nach allgemeinen Stichworten – was ebenso möglich gewesen wäre –, sondern konzentriert sich auf ganz konkrete Ereignisse, Personen und Werke. Die Einführung erläutert den Begriff des Tabus, der eigentlich der ethnologischen Forschung entstammt, und weist ihn den verschiedenen tabubelasteten Bereichen zu: Sexualität, Religion, Tod, Körper, Politik, Geld, Gefühle, (anti)soziales Verhalten und gesellschaftliches Versagen. Mit großem Gewinn kann man dieses füllige Werk immer wieder zur Hand nehmen, an irgendeiner Stelle aufschlagen und fasziniert der betont vorurteilsfreien Darstellung manchmal haarsträubender Fakten folgen: Jörg Buttgereits nekrophile Liebesgeschichten, Angela Merkels Anbiederung an die USA während des Irak-Krieges, Norman Finkelsteins Thesen zur Holocaust-Industrie, die Mechanismen 'politischer Korrektheit‘, die Strafverfolgung der Pädophilie, die Shock’n’Roll-Shows von Marilyn Manson, Nine Inch Nails und Rammstein, der Engelskrieg der Preacher-Comics, Gaspar Noés radikal nihilistische Spielfilme, all das und vieles mehr wird hier zwischen einer und mehreren Seiten behandelt. Gelegentlich finden sich auch weiterführende Hinweise auf Literatur und Websites, hier sollte man jedoch angesichts der Faktenfülle nicht auf Vollständigkeit pochen. Wie die vorangehenden Bücher von Arne Hoffmann glänzt dieses über 600 Seiten starke Werk durch eine aufrichtige humanistische Mission: die bedingungslose Forderung nach Informationszugang, Überwindung gesellschaftlicher Heuchelei und umfassender Toleranz gegenüber Minderheiten und Randgruppen – sofern diese nicht die Freiheit und Rechte ihrer Mitmenschen einschränken. So wird auch in diesem Werk stets der Respekt vor den Individuen gewahrt. Hoffmanns Position zu den destruktiven Randbereichen der erläuterten Phänomene ist transparent und spricht für ein hohes Verantwortungsbewußtsein des Autors, vor allem im Umgang mit prekären Themen wie Antisemitismus und Pädophilie. Alleine als informationsträchtiges und bewußtseinserweiterndes Leseabenteuer lohnt sich dieses Buch. Christoph Donarski |
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