Various Artists

Secret Lords

(Heidenvolk / Tesco 2003) CD 10 Tracks

Compilations aus dem Bereich von Industrial und Neofolkmusik sind nicht selten eine kleine Überraschung, denn: Wo sonst entstehen exklusive Zusammenstellungen im Rahmen klar definierter Konzepte? Hier geht es nicht um eine Blütenlese oder gar eine Werbeaktion, hier geht es um eine kollektiv formulierte, vielschichtige Aussage zu einem bestimmten Thema. Heidenvolk, das Label der deutschen Band Darkwood, hat befreundete und ähnlich gesinnte MusikerInnen versammelt, um der Kunstform der Architektur zu huldigen. Getreu dem Goethe-Wort "Architektur sei verstummte Tonkunst" machen sich die Mitwirkenden daran, den Prozess umzukehren und Bauwerke Klang werden zu lassen. "Namenloses Leben" (Jünger) wird Klangraum - ob elektronisch, rituell oder akustisch...

Den Anfang bestreiten die neuen Sterne des Neofolk, In Gowan Ring, mit je einem atmosphärischen und einem balladesken Stück ("Orb Weavers"), das allerdings schon von einer letzten Veröffentlichung bekannt ist. Darkwood selbst haben sich Ian Read, den legendären Sänger von Fire + Ice, ans Mikro geholt ("Valley of dark Memories"), der mit gewohnt pastoralem Gesang einen intensiven Höhepunkt dieser eher zurückhaltenden CD bietet. Darkwood selbst spielen dann gewohntes, aber angenehmes und eingängiges Akustikmaterial.

Die belgische Gruppe A Challenge of Honor wendet ihren üblichen Trick an: Sie nehmen sich ein an sich bereits gänsehauttreibendes Instrumentalstück als Grundlage, loopen die besten Stellen und legen einen neuen Text darüber. Das funktioniert auch hier ästhetisch gesehen sehr gut, man muss sich nur fragen, ob ein solches Vorgehen nicht etwas weit geht, zumal das grundlegende Sample nicht einmal speziell verarbeitet wurde. Die orchestrale Melodie klingt sehr nach Jerry Goldsmith oder Basil Poledouris, vermutlich aus DER 13. KRIEGER oder CONAN DER BARBAR... Kreativ gesehen kommt eine solche Technik eher einer 'Kapitulation' gleich. Wer die Technik beherrscht, könnte es Challenge bald gleich tun...

Agnivolok sind Newcomer mit einer eindringlichen Frauenstimme (vermutlich polnisch). Auch hier hat Henryk Vogel von Darkwood an der Gitarre ausgeholfen. Diese Band lohnt es sich im Auge zu behalten, wenn man sich für puristische Folklore interessiert.

Die israelische Ambientgruppe Chaos As Shelter hat sich längst etabliert und überzeugt durch finstere Atmosphären: "Stoned Spirits".

Ebenfalls relativ neu ist das Projekt VE Europa (bislang zwei Singleveröffentlichungen): Hier wird der Sound deutlich ritueller. Nach atmosphärischem Intro intoniert ein Knabenchor "Tausend Sterne sind ein Dom", wozu ein langsamer Rhythmus getrommelt wird. Voxus Imp., ein länger etabliertes Ritualprojekt, steht am Ende mit düster hallenden Drumpassagen und an Gjörgy Ligeti erinnernden Dissonanzen. So hinterlässt gerade der Ausklang des Samplers bleibenden Eindruck.

Mit "Secret Lords" kann das Label mühelos an thematische Compilations im Stile von "The Pact" oder "Lamp of the Invisible Light" anschließen, die in der Neofolk/Industrialszene längst Kultstatus genießen - eine spannende und faszinierende Zusammenstellung mit nur leichten qualitativen Schwankungen, die das fragile Spektrum zwischen Ambient-, Ritual- und Neofolkmusik souverän auslotet.

cd