DER SCHWEINESTALL Filmgalerie 451 „Die Gesellschaft, jede Gesellschaft frisst
sowohl ihre ungehorsamen Kinder wie jene, die weder gehorsam noch ungehorsam
sind; Kinder haben gehorsam zu sein, punktum. Nachdem Pasolini seine Filmkarriere vor allem mit Filmen begonnen hatte, die sich am sozialrealistischen Stil des Neorealismus orientierten, begann er mit EDIPO RE schließlich seine mythische Phase, in der er sich mit modernen Lesarten klassischer Mythen beschäftigte. Der Höhepunkt dieser Phase wurde MEDEA. Das meist marginalisierte Nebenwerk ist PORCILE - Der Schweinestall. Zu Unrecht, wie man nun endlich neu beurteilen kann, denn Filmgalerie 451 hat den Film nun auf DVD veröffentlicht - in einer vollständigen italienischen Originalfssung mit deutschen Untertiteln. Sich dem Film auf der Handlungebene zu näher, erweist sich als müßig: Während ein junger Einsiedler in einer vulkanischen Wüste zum Anführer einer Kannibalenhorde wird, hegt der Sohn eines deutschen Großindustriellen im Bonn der Nachkriegszeit seine sodomitische Liebe zu Schweinen, was zum Anlass der Erpressungen zwischen dem Vater und einem Konkurrenten, einem ehemaligen Naziverbrecher, wird. Am Ende bezahlen die beiden Männer mit dem Tod. Aus dieser kurzen Andeutung wird die metaphorische Konstruktion des dualistisch angelegten Werkes bereits deutlich, und Pasolini geht hier radikaler zu Werke als in den vorangehenden Filmen: über lange Strecken herrscht Schweigen, es dominieren karge Bilder, archaisch und kraftvoll, aber auch verstörend. Was auf einer performativen Ebene hervorragend funktioniert, wurde einst vom Publikum abgelehnt. So war der Film selbst bei Pasolini-Kennern oft nur eine seltene Perle. Sieht man DER SCHWEINSTALL heute, erweist er sich als kraftvoller Abschluss der mythischen Trilogie, nah am antiken Trauerspiel - aber garniert mit radikalen Bezügen zur Zeitgeschichte und zur Gegenwart - wie auch Georg Seeßlen in seinem umfangreichen Begleitheft nachweist. Für den anspruchsvollen Cinephilen und Sammler ist die DVD von DER SCHWEINESTALL unverzichtbar, und neben dem Film in sehr guter Qualität ist das Booklet vermutlich das einzig sinnvolle Extra, denn er lenkt und schärft den Blick auf produktive Weise. Eine wichtige Veröffentlichung. Marcus Stiglegger
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