Die SASORI-Reihe

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Anbieter: Rapid Eye Movies

Über die exzeptionelle Stellung des populären japanischen Kinos zwischen 1971 und 1976 habe ich in der Zeitschrift „Splatting Image“ und auch an dieser Stelle (SCHOOL OF THE HOLY BEAST) bereits ausgiebig referiert. Nun liegt ein absoluter Schlüsselfilm des „Pinky Violence“-Zyklus der Produktionsfirma Toei auch auf deutscher DVD vor. SASORI 1 – SCORPION (aka FEMALE PRISONER #701: SCORPION) exemplifiziert paradigmatisch die qualitative Singularität des ero-guro eiga im Exploitation-Sektor: Ausleuchtung, Farbgestaltung und Kameraführung, aber auch Melancholie, Tragik und allegorisches Potential der Narration erinnern an eine kompromisslose Schule des radikalen Autorenfilms. Dabei bietet das Debüt des späteren Arthouse-Regisseurs Shunya Ito so viele magische Momente auf einmal, wie es sie im Kollektiv aller sonstigen Frauengefängnisfilme insgesamt nicht gibt. Etwa

- wenn alle Häftlinge zur Körperinspektion nackt über ein Gerüst getrieben werden und dabei das von der Hauptdarstellerin Meiko Kaji persönlich intonierte Titellied „Urami Bushi“ („Dies ist ihr Rachelied“) erklingt,

- wenn Matsu (Meiko Kaji) sich in einer ebenso surreal wie theatral verfremdeten Traumsequenz an den ersten Beischlaf mit ihrem verräterischen Liebhaber erinnert, während zeitgleich mit ihrer Defloration ein roter Blutfleck auf weißem Leinentuch sich zur Sonne Nippons formt,

- wenn Matsu eine auf sie angesetzte Wärterin verführt und durch manuelle wie orale Stimulation zum sexuellen Orgasmus bringt, bis diese ihr vollständig verfallen ist,

- wenn die Häftlinge aus Disziplinarzwecken ein Loch in den Boden graben müssen und sich vor artifiziell rot leuchtender Abendsonne schließlich mit Schaufeln zur Revolte gegen ihre sadistischen Wärter erheben,

- wenn man Matsu zum ersten Mal in Freiheit begegnet, sie einen schwarzen Schlapphut, einen schwarzen Mantel, schwarze Hosen, schwarze Handschuhe sowie schwarze Stiefel trägt und durch das nächtliche Tokio streift, um all die Männer umzubringen, welche sie ins Gefängnis gebracht haben,

- wenn Matsu auf dem Dach eines Hochhauses ihren ehemaligen Liebhaber mit unzähligen Stichen erdolcht und die Kamera sich dabei wie in den yakuza eiga von Kinji Fukasaku in die Vertikale verlagert,

- oder wenn Matsu nach erfolgter Racheaktion vor extremem Gegenlicht wieder ins Gefängnis eingeliefert wird und dort frontal auf die Kamera zuläuft, bis der filmische Raum plötzlich hell erleuchtet ist.

Von Rapid Eye Movies sind in der neuen „Nippon Classics“-Reihe bereits die drei restlichen Parts des SASORI-Franchise als DVD-Veröffentlichung angekündigt. Vor allem bleibt sich auf den ebenfalls von Shunja Ito inszenierten zweiten Teil SASORI 2 – JAILHOUSE 41 zu freuen, der alle Exploitation-Versatzstücke stark zurücknimmt und sich stattdessen formal dem Experimental-Film annähert, während narrativ der feministische Subtext von SASORI 1 – SCORPION prominent an die Oberfläche gelangt. SASORI 3 – DEN OF THE BEAST (Shunya Ito) und SASORI 4 – GRUDGE SONG (Yasuharu Hasebe, BLACK TIGHT KILLERS) fallen demgegenüber wieder etwas konventioneller aus, liegen aber noch immer näher bei den besten Arbeiten von Mario Bava, Dario Argento oder Jean Rollin als an den gelungeneren Werken von Jess Franco, Erwin C. Dietrich und Bruno Mattei…

Ivo Ritzer