Benjamin Moldenhauer / Christoph Spehr / Jörg Windszus
(Hrsg.)

On Rules and Monsters
Essays zu Horror, Film und Gesellschaft

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Argument-Verlag Hamburg, Juli 2008
192 Seiten

Über Horrorfilme ist in den letzten Jahren viel geschrieben worden. Sogar in Deutschland, einem Land, das lange an der Relevanz dieses Genres Zweifel hegte. Doch in den letzten jahren ist die Diskussion um das horrible Körperkino im besten Sinne salonfähig geworden. Symposien waren die Folge, Tagungen zum Splatter Film oder eben 'On Rukles and Monsters' (in Bremen). Das ist grundsätzlich eine gute Entwicklung und spiegelt zweifellos den enormen wirtschaftlichen Erfolg des Genres, das fast monatlich in den Kinoplexen Präsenz beweist.

Nun ist zu den Veranstaltungen in Bremen ein kleines Buch erschienen, das einige der dort präsentierten Beiträge versammelt, knapp illustriert mit Fotos aus Filmen von Jörg Buttgereit (der auch schon zu den Gästen zählte). Die Einleitung der Herausgber Benjamin Moldenhauer, Christoph Spehr und Jörg Windszus formuliert 10 durchaus brauchbare Thesen zum modernen Horrorfilm - kein neues Unternehmen, aber eine schöne Diskussionsgrundlage.

Udo Franke-Penski widmet sich in seinem Aufsatz "Kettensägen, Lust und Toleranz" der Konsumierbarkeit von Horrorfiktionen, wobei er weit in die Schwarze Romantik zurück greift und beim Fan-Publikum der Horror-Börse endet. Ein Rezeptionsansatz durchaus diskussionswürdig.

Zu den unvermeidbaren Themen des Horrorgenres ist inzwischen das TV-Phänomen BUFFY geworden, so entwickelt Dieter Wiene seine Thesen in "Pleasure, Pain & Puberty. Die Schmerzen und Freuden des Aufwachsens im Buffyverse", indem er den engen Bezug zwischen Coming of Age und Horror aufzeigt.

Einen ähnlichen Ansatz hat Benjamin Moldenhauer, der in "Teenage Nightmares. Jugend und Gewalt im modernen Horrorfilm" ganz explizit davon ausgeht, dass Jugendliche Horror brauchen wie Kinder Märchen. Eine These, die augenzwinkernd als Schlag ins Gesuicht des Jugendschutzes in deutschland funktioniert - sich im englischsprachigen Ausland jedoch längst etabliert hat.

Jakob Schmidt bietet in "Vom Entsetzen, einen Körper zu haben
Das bedrohte Ich in George A. Romero Zombiefilmen" einmal mehr den ideologiekritischen Ansatz zu Romeros Filmreihe (DIARY OF THE DEAD ist gerade im Anmarsch). Nicht neu, aber immer wieder zu betonen. So auch hier. Warum nicht?

Mit schwerstem theoretischem Geschütz fährt Verena Kuni in "Un-Ordnung schaffen. Das Labor als Ort der Transgression" auf. Und gemäß ihrer eigenen Vorbemerkung, die Enttäuschungen gleich mitdenkt, steht weniger Bataille als Foucaults "Ordnung der Dinge" im Fokus. Und der hat bekanntlich wenig mit Horror zu tun. Aber doch mit Regeln. Darum soll es gehen. Um den Film als Versuchsanordnung und Labor. Wie auch immer, wer Filmtheorie ohne Filme schätzt, wird sich freuene, denn hier findet nicht ein Titel Erwähnung, der das Modell belegen würde. Dafür können sich alle in die Ecke stellen, die von den zitierten Denkern noch nie gehört haben...

Tim Schomacker schließt an Dietmar Daths Briefroman "Die salzweißen Augen" an mit seinem persönlich formulierten "Im Innern ein lebhaftes Bild. Über Inszenierungen von Angst - Ein Brief". Das Konzept hat sich bewährt, aber seinen Witz etwas verloren. Da Dath leider nicht anwesend war, ist das aber ein schöner Ersatz.

Dietrich Kuhlbrodts Beitrag findet man auch in Jörg Buttgereits "Nekromantik"-Buch, und er geht auf dessen Bezüge zum 3. Reich ein: "Idealerweise Nazihorror. Blutige Exzesse im Führerbunker". Ein paar verweise auf Buttgereits Quellen, die auch die deutche DVD-Welt langam entdeckt, dielegendären "Sadiconazista", wären gar nicht schlecht gewesen...

Auch Linnie Blake stammt aus dem "Nekromantik"-Band. Man war leider zu bequem, ihren Text "'Everyone will suffer'. National identity and the spirit of subaltern vengeance in Nakata Hideo's Ringu and Gore Verbinski's The Ring" ins Deutsche zu übertragen, doch auch so erschließt sich schnell ihr präferriertes Konzept, von Generfilmen auf die Konstitution nationaler Identitäten zuschließen - eine Idee, die schon bei NEKROMANTIK nur spärlich funktioniert.

Eine bizarre Dreingabe sind auch die zwei Seiten von Uche Nduka über "Horror and the African Tradition. Two Frames", die leider wenig Erkenntnisgewinn garantieren und ca. 10 Seiten Fußnoten mit Fotos bedurft hätten. Dafür hält der abschließende Beitrag von Christoph Spehr "Honeycomb World. Gesellschaft und Utopie im zeitgenössischen Horrorfilm" einige interessante gesellschaftskrtiische Ansätze parat.

"On Rules and Monsters" ist demnach - wie erwartet - eine bunt gemischte Wundertüte mit einigen brauchbaren und inspirierenden Ansätzen, aber zugleich ein eher kursorischer Beitrag zur Genreforschung. Spielerisch statt akriebisch. Und vor allem eher pragmatisch aufgemacht. Wen man erreichen will, ist etwas fraglich, denn Horrorfans werden blutige Bildchen vermissen, die das inzwischen legendäre Theoriewerk "Splatter Movies" (Bertz & Fischer) etwa zuhauf hat. Für ein wissenschaftliches Buch lässt es etwas das stringente Konzept missen. Aber vermutlich finden sich zwischen den Stühlen noch genug Leute, und denen sei das Buch ans Herz gelegt.

Marcus Stiglegger