Ordo Rosarius Equilibrio Cocktails, Carnage, Crucifixion And Pornography (Cold Meat Industries, Schweden 2003) 13 Tracks Das Industrial/Neofolk-Projekt Ordo Rosarius Equilibrio ist vor nunmehr zehn Jahren von Tomas Petterson als Nachfolgeprojekt seiner okkulten Ritualband Archon Satani ins Leben gerufen worden und hat sich als eine der erfolgreichsten schwedischen Bands in diesem Sektor etablieren können. Standen zu Beginn noch schleppende Stahlschlagrhythmen und weibliche Vokals im Vordergrund, dominieren heute glasklare Akustikgitarrenharmonien und Pettersons eigene sonore Predigerstimme. Inhaltlich wird seit jeher eine eigenwillige Mischung aus Luciferischer Weltanschauung, Crowleyscher Hybris, totalitären Phantasien aber vor allem sadomasochistischen Rollenspielen geboten. So sind Laute der Lust und des Schmerzes ein kontinuierlicher Subtext aller ORE Tonträger. Auch das aktuelle Booklet wartet mit monochromen Fotos eines Lingerie-bkleideten Frauenkörpers auf, zeigt auf Digipak und Booklet jedoch auch erotische symbolistische Gemälde des Malers Adolphe William Bourgereau (1825-1905). Gerade dieser Bezug zum Symbolismus und die Verwendung der Akustikgitarre und monotoner Marschtrommeln lassen mittlerweile eine deutliche Einordnung in das die letzten Jahre zunehmend ausdifferenzierte Genre des Neofolk zu. Bei ORE steht also der Körper im Mittelpunkt des Interesses: der sexuelle, leidende und dominierende Körper, geformt und neu definiert durch Korsetts und die Lebensreformbewegung. Den Einstand liefert die Hymne "Cocktails, Carnage, Crucifixion And Pornography Anthem", ein vermutlich russischer Chor mit dezenten Lustschreien im Hintergrund. Der russische Bezug deutete sich bereits im Titel an: C.C.C.P., eine Buchstabenkombination, die sich auch auf dem Booklet wiederfindet, dort jedoch in Gestalt der Kenaz- und Pertho-Runen. Der erste Song "Sheep for a Lifetime, or Lion for a Day" beschwört bereits die persönliche Revolte: "Should we be sheep who live forever / Should we be lions for one day". Pettersons Weltbild sieht keine gesellschaftliche Umwandlung vor, sondern das heftige Aufbegehren des Individuums angesichts einer gleichförmigen Gesellschaft. Ich gestatte mir die Revolte heißt ein Buch von Bernd Mattheus und Axel Matthes, das hier Pate gestanden haben könnte... Und auch in diesem Song stehen weibliche Lustschreie einem Chorus gleich im Hintergrund. Eine regelrechte Hymne auf die Dekadenz
ist "Remember Depravity, And the Orgies of Rome", das bereits
im Titel die Ausschweifungen untergegangener Reiche beschwört. Dieses
Stück, vorgetragen als hedonistisches Gebet, bringt erstmals wieder
den weiblichen Chorus ins Spiel, der den Refrain unterstreicht. Ein grandioses
Experiment findet sich auf Track In "In the Midst of Flaming Ruins - Desire of the Few" sind die Geräusche einer infernalischen Großstadt zu vernehmen, während das Lied selbst eine gepeinigte "scarlet woman in flaming ruins" besingt. Beklemmend ist hier vor allem das Faktum, dass der Rhythmus vom Durchladen eines Gewehres begleitet wird. Diese Vision kulturpessimistisch zu nennen, wäre wohl das Mindeste. "It was the Day of Lucifer Rising" kehrt dann zu den zahlreichen Lichtbringer-Beschwörungen der Band zurück. Mit fast mittelalterlicher Melodie und prägnantem Gitarrenakkord wird der Abschied von einer Welt gefeiert, der das 'Heilige' bereits abhanden gekommen ist ("in the hopeless march of millions / for the sanctity of lies"). Wenn Lucifers Licht endlich leuchtet, werde auch die Heiligkeit des Lebens neu erkannt. Gewalt und Sexualität dienen als Bild für den Aufstand des souveränen Individuums ("we are uniformed and naked / in the rising of today"). Promotionfoto ORE (Baphomet-Motiv) Das fast destruktiv düstere Stück VII "For the Good of Humankind" entspinnt eine Kreuzigungsvision: die entsakralisierte Gesellschaft schlägt ihre erleuchteten Geister ans Kreuz, da sie die Einsicht in die Heiligkeit des Individuums nicht erkennen mag: "liberation is the crime for which we hang." Mit seinem schweren Marschrhythmus, den aggressiven Zwischenrufen und der etwas verlorenen Flötenmelodie im Hintergrund reiht sich dieses Stück nahtlos in die aktuelle Strömung militaristischer Industrialmusik ein (The Moon Lay Hidden Beneath a Cloud liegen nahe). An diese Vision des exekutierten Freiheits-Boten knüpft das nihilistische " In High Heels through Nights of Broken Glass" an: "We dance in nights of broken glass / where stars collide and dreams collapse". Eine traurige Streichermelodie beklagt den Verlust der Freiheit. Programmatisch steht erst die Bandhymne "Serpent Kisses and Serpent Smiles - Inside the Order of Roses and Equilibrium" für ein Aufatmen in Hoffnung: "The kings are tortured and the crucified crowned / a banquet of pleasure of desires unbound." Lust und Licht kehren zurück, ebnen den Weg für ein neues Zeitalter der Libertinage. Track X "Eucharist - Liturgy of 6" bietet ein kleines blasphemischer Zwischenspiel: In diesem grolled-ambienten Stück kehren auch die metallenen Klingenlaute wieder, während das repetitive Klagen an Diamanda Galas erinnert. Das Stück mag als Into der antichristlichen Polemik "Mary dances in the Shadows - The Holiest of Harlots" verstanden werden, in dem Maria als "Hure Gottes" denunziert wird: "She's a puppet turned to queen / she' the harlot of the holy / only angels hear her sing." Die Einheit von männlicher und weiblicher Stimme ist hier wieder hergestellt, getragene Klavierakkorde und ein gesummter Chorus verstärken den fatalistischen Charakter dieses Liedes, der schließlich in dem wahrhaft apokalyptischen Darkambientstück "Regression And the Return to Paradise Extinct" gipfelt, das keine Hoffnung auf Veränderung lässt: "The advent of another morning / has ever waited to befall / but all too soon they are persisted / the fallen structures of before." Der vorliegende Tonträger zeigt das schwedische Duo auf der Höhe seiner Kreativität und technischen Perfektion: mit differenzierten Klangwelten, einer Fusion aus akustischen und synthetischen Elementen sowie den verschiedensten Stilen wird hier eine zutiefst ambivalente Weltsicht beschworen. Wer inhaltslastige Liedermacherkunst und luciferische Ritualmusik sucht, ist hier hervorragend bedient. "Two is Company, Three is an orgy." Der Liedermacher, seine Muse und sein Publikum... Am Ende: ist es doch nur ein libertines Rollenspiel? Christoph Donarski Leserbrief Anmerkung: Der
russische Chor singt im CD Intro die ehemalige (?) Nationalhymmne der
CCCP und kann somit als Politsymbol identifiziert werden. Dieses Sample
wurde übrigens vor einigen Jahren bereits von Les joyaux de la princesse
verwendet in einer deren ersten Veröffentlichungen: es hieß
"XY (Name des Komponisten den ich vergessen habe) over the European
land" oder so ähnlich. Es ist dies also die Melodie, in deren
Klang der 2. Weltkrieg von den Sowjets geführt und gewonnen wurde
- hier also auch als Verweis auf die "Make Love and War" CD
von O.R.E. zu verstehen. Sex und Tod (Krieg), sowie das Aufbegehren der
individuellen Lust/Gewalt gegen die
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