Neoklassik/Folk Winter / Frühjahr 04/05

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V.A.

Eichendorff Liedersammlung

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(Noltex 2005) CD 13 Tracks

"Es wohnt ein Lied in allen Dinge..." Vor allem für die deutschen Liedermacher der Gegenwart hat der Dichter Eichendorff eine Schlüsselposition. Auf dieser ästhetisch gediegen gestalteten Zusammenstellung widmen sich 11 deutsche Akustikformationen der zeitgemäßen Adaption bekannter Gedichte Eichendorffs. Und obwohl hier eine ganze Palette unterschiedlicher Ausdrucksformen bemüht wird, kann man der CD nicht den roten Faden absprechen: Diese Sammlung wirkt wie aus einem Guss. Filigrane Gitarrenklänge, Streicher- und Flötenakzente, warme Klavierakkorde - und harmonischer Männer- und Frauengesang. Selbst ambiente Zwischenspiele fügen sich organisch ins Gesamtkonstrukt.

Wie ein Credo präsentieren Sonnentau "Wünschelrute" als kleinen Prolog. Orplid überraschen mit einem soundtrackartigen Klavierspiel, das eher als instrumentale Reflexion auf Eichendorff Gedankenwelt funktioniert. Ein deutlicher Höhepunkt ist bereits Forsetis "Im Abendrot" - ein Text, der sich der Programmatik der Band fügt. Zugleich hat Andreas Ritter eine neue Gesangstechnik kultiviert, die seiner verhaltenen Stimme sehr gut bekommt. Barditus (s.u.) schließen an den Pathos ihrer anderen CDs an. Voller Inbrunst wird "Zweilicht" intoniert.

Äußerst gelungen sind auch die von ausgebildeten Frauenstimmen dargebotenen Stücke: Elisabeth Christiane Schönfeld, Sonnentau und Ulrike Hirsch überzeugen mit berührender Emotionalität. Vergelichsweise mitreißendere Klänge schlagen Sonne Hagal, Karl Stülpner und Waldteufel (aus den USA) an, wobei die Gesangstimmen einige schräge Kanten aufweisen. Diese Beiträge entsprechen am ehesten dem Genre des deutschsprachigen "Neofolk". Den elektronischen Abschluss bildet "Der Abend" von Edaphon, der etwas aus dem Rahmen fällt, aber gerade deshalb gut platziert wurde.

Insgesamt präsentiert sich auf "Eichendorff" eine junge Generation von deutschsprachigen Liedermachern, um mit poetischer Klarheit und musikalischem Minimalismus für eine sinnlichere und subtilere Wahrnehmung der Welt zu plädieren. Auf erfrischende und berührende Weise human und unzeitgemäß. MaNic

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Actus

Mandala

(2005) CD 4 Tracks

Es gibt Rezensenten, die würden ohne Zögern neben die ebenfalls osteuropäischen Gruppen Laibach und Autopsia einordnen. Das trifft die Sache jedoch nur bedingt: Oberflächlich gibt es Ähnlichkeiten - neoklassizistischer Stil, provokante, quasitotalitäre Credos, Verschmelzung klassisch-orchestraler und elektronischer Instrumente usw. Widmen sich Autopsia dagegen inzwischen eher düsterer Ambientmusik, haben Laibach ein eigenes slowenisches Kunstimperium kreiert, das bis heute von den inszenierten Ambivalenzen zehrt und ungeheure Popularität errungen hat. Actus sind bombastisch, gewiss. Und die vier langen Tracks des neuen Albums lassen den Anspruch des "Gesamt- und Konzeptkunstwerkes" vermuten. Aber ob sich ihr esoterisches Konzept mit einem Kunstprojekt wie NSK messen kann, bleibt dahingestellt...

Actus live WGT 2005

Wie auf dem diesjährigen Liveauftritt beim Wave-Gotik-Treffen in Leipzig werden auch auf dem Album eine ganze Reihe unterschiedlicher Instrumente, Gesangsstimmen und Stile aufgeboten, die stets im Dienste des ganzheitlich-esoterischen Konzeptes von "Mandala" stehen: Ein Manadala ist eine symbolische Form, die als Projektionsfläche im Rahmen der Meditation dient, und Actus haben sich für die programmatische CD in ihr eigenes Emblem (s.o.) versenkt. Insofern ist diese CD durchaus auch als Metareflexion des Actus-Konzeptes zu verstehen. In dem Begleittext wird angemerkt, es habe 7 Jahre gedauert, bis dieses neue Albumkonzept überhaupt in Gang gekommen sei: 7 Jahre der völligen Zelleerneuerung. Eine reizvolle Idee, eine Band in diesem Abstand jeweils neu zu erfinden...

Was wir mit "Mandala" bekommen, sind vielschichtige musikalische Variatenen auf eine spirituelle Reise: durch die vier Jahreszeiten, die vier Zeitalter, die vier Himmelrichtungen, die vier alchemistische Elemente. Esoteriker dürften durch dieses Modell bereits neugierig sein. Wer nur die Musik sucht, wird hier mit dem ganzen Fundus bedient: vom Folk über Ambient und Industrial bis hin zum Bombastrock mit sägenden E-Gitarren. Das ist vermutlich nicht jedermanns Sache, aber das Konzept bestimmt den Weg, nicht das Genre... MaNic

http://www.actus.hu/

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Nebelung

Mistelteinn

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(Eis & Licht 2005) CD 5 Tracks

Sonne Hagal feat. Ian Read

Dygel

(Eis & Licht 2005) 7"

Man mag argumentieren, dass die deutsche Gruppe Ernte mit nur zwei Songs ("Sonnenwende" und "Mithras") vor Jahren ein neues Genre begründet habe: die deutschsprache Neofolk-Musik, die sich vor allem thematisch von ihren britischen Vorläufern abhob: Gruppen wie Forseti, Orplid, Sonne Hagal und nun auch Nebelung knüpften nicht an die rätselhaften Modernismen von Ezra Pound und T.S. Eliot an, sie beschworen vielmehr den sehsuchtsvollen Geist der deutschen Romantik des 19. Jahrhunderts neu herauf. Insofern ist die Debüt-Mini-CD (28 Min.) von Nebelung auch gut auf dem Genrelabel Eis & Licht aufgehoben.

Anders als etwa Sonne Hagal zeigen sich Nebelung nicht aufgeschlossen für die Mischung elektronischer und akustischer Sounds. Ihr Klangbild wird ganz von handgespielten Instrumenten beherrscht: Vom instrumentalen Vorspiel bis in die eingängigen Lieder hinein erscheint jeder Klang hier durchkomponiert und im Dienste einer größeren Idee. Gespielt von sechs MusikerInnen erklingen Gitarre, Flöten, Drums, Chimes, Cello, Bratsche und Akkordeon. Aber auch textlich haben wir es mit Puristen zu tun: Mythische Metaphorik ("Abel und Kain", nach Baudelaire) aber vor allem Naturmystik wird wortgewaltig beschworen: "Regen in der Dämmerung" (nach Hugo von Hofmannsthal), "Heimsuchung" (nach Stefan Otto), "Heimatlos" (nach Nietzsche)... Der Geist des Wandervogels ist hier neu erwacht, irrt durch die Lieder auf der Suche nach seiner verlorenen Heimat.

Wer also die verwundenen Metaphern der britischen Folker schätzt, wird bei Nebelungs deutschsprachiger Direktheit weniger fündig. Als rein akustisches, bewusst unmodernes Liederwerk im stilvoll gestalteten Digifile mit Textheft könnte Nebelungs "mistelteinn" jedoch zahlreiche Freunde finden. Brüche und Ambivalenzen wird man hier jedoch kaum erwarten können.

Anders gehen von jeher Sonne Hagal vor, die ohnehin auch englische Texte verwenden. Ihre neue Single "Dygel" mit zwei Songs "To the Muses" und "The Horse with no Name" wartet zudem mit namhaften Gästen auf: Ian Read, Kopf von Fire and Ice, und Matt Howden (von Sieben und Sol Invictus) haben sich hier eingefunden. Sonne Hagal präsentieren sich weniger verträumt als Nebelung, sondern zielen mehr auf einen dynamischen, düsteren Gesamteindruck. Immer konterkarieren sie die Akustik mit elektronischen Atmosphären im Hintergrund. Die B-Seite, auf der Ian Read eine Coverversion von "Horse With no Name" bietet, wird jeden Genrefan befriedigen: es ist eingängig und melancholisch, getragen von Reads unvergleichlichem Timbre...

Während Nebelung nur dem geneigten Fan empfohlen werden kann, ist "Dygel" von Sonne Hagal eine deutliche Empfehlung für alle, die angesichts der alltäglichen Popinvasion eine atmosphärische Zuflucht suchen. cd

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Barditus

Die letzten Goten

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(Noltex 2004) CD 5 Tracks

Mit schicksalschweren Klängen beginnt diese vielschichtige Geschichtsaufarbeitung des deutschen Folk/Neoklassik-Projektes Barditus. Dunkle Fanfaren künden vom Untergang eines Volkes - wir erfahren vom Drama der 'letzten Goten'. Gleich das zweite Stücke stimmt ein mit einer kulturpessimistischen Klage von Eichendorffs: "O könnt ich mich niederlegen / Weit in den tiefsten Wald..." Mit finsterer, prägnanter Stimme werden diese melancholischen Zeilen vorgetragen, untermalt von orchestralen Akzenten und akustischer Melodie. Das Titelstück verarbeitet einen Text von Felix Dahn ("Kampf um Rom"), der mit fast hymnischer Besetzung vorgetragen wird: "Wir kommen her, gebt Raum dem Schritt / Aus Romas falschen Toren, / Wir tragen nur den König mit; / Die Krone ging verloren." Unter den neuen deutschen Folkprojekten wurde kaum je der beklemmende Pathos dieser Darbietung erreicht - eine eindrucksvolle Leistung. Die beiden abschließenden Lieder "Herrentod 1919" (von Brincken) und "Gehörnter Freund" (Scardanelli) bedienen sich wiederum eines erweiterten Spekturms: hier wird der Gesang teilweise schräger und aggressiver, dämonisch fast. Nr. 5 beginnt zudem mit einem nordischen Schamanengesang, für den eine vibrierende Kopfstimme spezifisch ist.

Geschichtsaufarbeitung in Form neoklassischer und folkiger Musik wird nicht jedermanns Sache sein, zeitgemäßig ist dieses Werk schon gar nicht. Auch bleibt offen, welche Assoziationsfelder sich dem geneigten Hörer angesichts des Thema erschließen: haben wir es mit einer gegenwartbezogenen Parabel zu tun, geht es um eine Klage angesichts 'verlorener Identität' - oder bietet "Die letzten Goten" eskapistische Mythisierung? Diese CD ist nicht einfach - sich ihrem rückhaltlosen Pathos zu entziehen fällt schwer. Wer also für kontroverse und unbequeme Musik offen ist, könnte hier einen Ansatz finden... MaNic

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Gae Bolg

Aucassin Et Nicolette

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(Auerbach 2005) CD 15 Tracks

Wer Sol Invictus auf der aktuellen Tour live erlebt hat, wird mit Sicherheit den jungen Mann am Sampler bzw. der Trompete bemerkt haben. Dieser französische Musiker Eric Roger hat seit Jahren eine eigene Band, die nicht nur im Heimatland einen deutlichen Kultstatus besitzt: Gae Bolg and the Church of Fand (heute nur noch: Gae Bolg). Benannt nach der magischen Lanze aus der keltischen Mythologie produziert Roger augenzwinkernde Mittelalter/Bombast-Folkmusik, die sich meist einem Thema der keltischen Mythologie widmet. Auch das vorliegende Album "Aucassin Et Nicolette" geht entsprechend vor: Basierend auf der Legende aus dem 13 Jahrhundert erzählt das Werk von der zunächst gesellschaftlich unmöglichen Liebe zwischen einem Adligen und seiner Sklavin.

Als sein persönlichstes Werk will Roger diese CD verstanden wissen, und tatsächlich blüht der Musiker hier in der vollen Palette seines Ausdrucks auf: zarte Folkakkorde, martialische Orchestersamples, mittelalterliche Melodiebögen, unheimliche Ambientpassagen und natülrich der bekannte inbrünstige Gesang bringen seine bisherigen Bemühungen auf den Punkt: einiges ist an gae Bolg gewöhnungsbedürftig, doch diese CD mischt den unverwechselbaren Stil zu einem komplexen Höhepunkt dieses Genres, das man vermutlich mit Mittelalter-Folk umschreiben könnte. Lebensbejaende Passagen (Track 5) wechseln sich mit eher beängstigenden (Track 3, 8) ab. "Aucassin Et Nicolette" ist ein rauschendes Fest der Sinne, hervoragend - wenn auch eigenwillig präsentiert - und immer mit dem doppelten Boden der Ironie bedacht (man betrachte sich u.a. das Cover, auf dem archaische Gewalt und Sexualität eine Hochzeit eingehen...). MaNic

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Tor Lundvall

Last Light

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(Strange Fortune 2005) CD 12 Tracks

Der Niedergang des legendären englischen Labels World Serpent wirkte letztlich als Energieschock für eine ganze Reihe betroffener Künstler. Auch der New Yorker Maler und Musiker Tor Lundvall hatte seine ersten Auftritt in diesem Umfeld. Er gestaltete mit seinen traumgleichen pastellenen Farbkompositionen zunächst die Cover von Sol Invictus (z.B. „In the Rain“, „In a Garden Green“) arbeitete dann auch musikalisch mit Tony Wakeford zusammen. „Autumn Calls“, der erste Tonträger, etablierte bereits eine elegisch Mischung aus Ambientsphären, Soundtrackpassagen und Melancholic-Pop. Mit „Last Light“ liegt nun die fünfte CD Lundvalls vor und knüpft mühelos an diese einmalige Stilmixtur an, die einige HörerInnen an David Sylvian oder Lycia erinnern könnte. Mit Wort und Klang werden hier zutiefst persönliche Empfindungen aus dem Frühjahr 2002 verarbeitet: „Ich erinnere mich an den blaugrauen Himmel, der draußen schimmerte, und hörte die Echos entfernter Geräusche, die langsam in Stille versanken.,“ schreibt Lundvall dazu. Während im Unterschied zu früher Lundvalls sensible Stimme im Mittelpunkt steht, gehen Klangwelt und Artwork die gewohnt gelungene Symbiose ein. Eine schöne und emotionale CD. MaNic

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Inner Glory

Remains of a Dream

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(Hau Ruck! / Tesco 2004) CD 13 Tracks

Die italienischen Szenebands sind schon eine Kategorie für sich: Kaum bekam Italien Current 93, revanchierte es sich mit Ain Soph, bekam es Sol Invictus, konterte es mit Ordo Equitum Solis. Und später kamen dann Spiritual Front, Camerata Mediolanense usw. All diese Band weisen natürlich Ähnlichkeiten mit dem eher kühlen, nichtmediterranen Neofolk auf, und doch glänzen sie durch unverwechselbaren 'animo', jenen schamlosen Pathos, der schon die italienische Oper auszeichnete. Selbst wenn der Gesang immer schräger wird, er lässt sich bis zum Ende nochmal steigern...

Inner Glory hatten mit ihrer Demo-CD technisch nicht durchweg geglänzt, und so muss man feststellen, dass sich auf dieser neuen CD beim Sound und Arrangement doch einiges getan hat: "Remains of a Dream" bietet ein gutes Dutzend kraftvoller, maskuliner Balladen, mal zu Streichern, Gitarre und/oder Piano geschmettert. Die nihilistischen Themen, die immer einen Blick ins Metaphysische wagen, erinnern in dieser Darbietung an eine Mischung aus Nick Cave, Tom Waits und natürlich Ain Sophs "Aurora"-CD, die rückblickend eine ganze Sub-Subkultur geprägt hat... Dabei erweisen sich die einfachen Melodien durchaus in ihrem Rahmen als hittauglich und die CD gewinnt deutlich mit wiederholtem Hören. Als absoluter Hit könnte sich "Domination" erweisen...

Ein kleines Problem wurde noch von der Demo-CD herübergerettet: "War is forever" wartet mit einem auf den ersten Blick etwas missverständlichen Text auf: "War is forever / Between good and evil [...] victory is for white [...] This war was right" etc. klingen aus dem Kontext gerissen wie eine ungeschickte Rechtfertigungsrede zum neuen kapitalistischen Fundamentalismus. Die Band legt allerdings großen Wert darauf, dass dieser Text sich auf Primo Levis Auschwitz-Buch "Ist das ein Mensch?" bezieht. Levis selbst hat als Auschwitz-Überlebender philosophische Überlegungen über die Hintergründe des Genozids niedergelegt und damit eines der wichtigsten Bücher zum Thema verfasst. Leider wurde dieser Kontext im Booklet der CD nicht ausreichend konkretisiert, man findet die Erklärung jedoch auf der umfassenden Homepage der Band: www.innerglory.net.

Insgesamt wird diese CD im und um den Neofolk-Kontext sicher zahlreiche Freunde finden. Die Schwarze-orangene Covergestaltung, der Pappschuber und das passende Booklet können zudem ästhetisch überzeugen... MaNic

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Changes

Orphan in the Storm

(Hauruck! / Tesco 2004) 14 Tracks

Changes, eine Band der 70er Jahre, der Endphase der Hippie-Ära, erlebte bereits Mitte der 1990er Jahre ihre Wiederauferstehung, als Michael Moynihan die apokalyptischen Folksongs von Robert N. Taylor und Nicholas Tesluk wiederentdeckte und auf CD veröffentlichte. Der Erfolg dieser CD im Neofolk-Umfeld belebte die Musiker und motivierte sie, neben einigen Samplerbeiträgen neue Tonträger einzuspielen, u.a. "Legends", "Time" und die nun vorliegende CD "Orphan in the Storm". Dabei läst sich der Stil von Changes nicht wirklich vergleichen mit dem postindustrial-geprägten Darkfolk von Death in June oder Sol Invictus. Taylor und Tesluk greifen vielmehr noch immer auf verspielte Melodielinien zurück, die den heutigen Hörer durchaus an Simon & Garfunkel erinnern dürften. Doch gerade das sichert Changes den besonderen Status innerhalb einer eher weniger variablen Szene, den sie mit ihren zivilisationskritischen Texten unterstreichen.

Mit sonorer, würdevoller Stimme intoniert Taylor seine Plädoyers für absolute Freiheit, immer im Bewusstsein, dass alles umsonst sein könnte: "The Times They Ain't a Changing". Neben düsterromantischen Elementen wie der Poe-Homage "Orphan in the Storm" stoßen wir demnach immer wieder auf pessimistische Songs: "Waiting for the Fall", "Twiligth of the West" (inspiriert von Oswald Spenglers "Untergang des Abendlandes"). Einen emblematischen Status bekommt dabei die Gleichung von Ikarus mit der modernen Welt: "Icarus your wings are melting, never will you reach the Sun!".

Mit "Orphan in the Storm" liegt eine aufregende und herausfordernde Retro-Folk-CD vor, die vor allem Fans ernsthafter Liedermacherkunst überzeugen dürfte. Die lyrische Qualität der Texte garantiert einen hohen Wiedererkennungswert - nach dem dritten Hören kommt man ums Mitsingen nicht mehr herum... cd

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In My Rosary

Greetings from the Past

(Shayo 2004) 20 Tracks

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In den späten 1980er Jahren, einer Zeit, die Begriffe wie Neofolk noch nicht verfügbar hatte, wurden Bands wie Death in June, Sol Invictus und Sixth Comm vor allem als Randbereiche der melancholischen Wavemusik rezipiert. Es mag kaum verwundern, denn wenn man heute Platten wie "Nada" oder "Content with Blood" hört, fällt auf, wie massiv elektronisch hier noch gearbeitet wurde. Die 90er Jahre erst brachten den massiven Akustiksound hier hinein. Dirk Lakomys Band In My Rosary, die 1993 mit der EP "Those Silent Years" vor allem im Darkwave-Bereich bekannt wurden, kombinierten den dichten Akustikgitarrensound von Death in June mit Keyboardambiente, elektronischen Drums und einer wavig-melodiösen Männerstimme. Dass diese CD vom Label Shayo für Fans von The Cure, Depeche Mode und Clan of Xymox empfohlen wird, ist dennoch nicht allzu abwegig. Tatsächlich finden sich all diese Einflüsse bei In My Rosary, und was 1993 noch etwas merkwürdig anmutete - Folk mit deutschen Texten - wurde mit Track 2 "Wahre Freundschaft" fast zukunftsweisend umgesetzt.

Mit der gesammelten Wiederveröffentlichung von "Those Silent Years", "Strange EP" und drei Bonustracks auf diesem schön gestalteten Tonträger liegt nun ein ansprechender Einblick in eine vergangene Ära der düster-traurigen Musik vor, in der sich Gothic, Wave und Folk noch ungestört überlagern durften. Texte und Instrumentierung sind durchweg komplex arrangiert und werden hin und wieder von einzelnen gesprochenen "Intermissions" strukturiert: "See how they fall", "Dagger and Rose" usw. Dabei kommt auch eine Frauenstimme zum tragen ("Mirage"), manchmal beschränkt man sich auf Ambientsoundtracks. Anspieltip wäre Track 8 "Why we cried", wo alle Elemente sehr ausgewogen zusammenkommen.

Neofolkpuristen dürften vom Wave-Gestus dieser CD etwas irritiert sein, doch Thematik, Grundstimmung und Melodien werden auch die Skeptiker überzeugen. MaNic