Mike Patton Mondo Cane Label: Ipecac Recordings Mike Patton, der Meister der musikalischen Verwandlungen, meldet sich mit seinem neuen Projektalbum 'Mondo Cane’ eindrucksvoll zurück und vollzieht einen Spagat zwischen Meisterwerk und Kitsch. Zusammen mit dem 'Filamonica Arturo Toscanini’ Orchester, einem Chor und einer Vielzahl weiterer Musiker arbeitet sich Patton durch das Dickicht der italienischen Popmusik der Sechziger Jahre. Interpretiert werden unter anderem Stücke von Mina, Ennio Morricone, Bert Kaempfert, The Blackmen und Gino Paoli, die dank der bombastischen, aber ausgewogenen Arrangements zu einer Einheit verschmelzen. Das live eingespielte und nachträglich durch Overdubs ergänzte Album steht in der langen Tradition, der von Patton veröffentlichten Konzeptalben, wie beispielsweise das ausschließlich aus Vokalaufnahmen bestehende 'Adult Themes for Voices’ (1996) oder die mit Fantômas eingespielte Horrorfilm-Hommage 'Directors Cut’ (2001). Der Titel 'Mondo Cane’ verweist hierbei auf den gleichnamigen Film von 1962, der das berüchtigte Genre des italienischen Mondo-Films begründete und synonym für eine ganze Reihe gewaltdominierter Filme mit Hang zur Ausreizung der Ekel-Belastungsgrenze steht. Patton entlehnt für sein Projekt jedoch lediglich den Namen und besetzt diesen inhaltlich vollkommen neu, wovon auch die Einbettung des Werks in ein poppiges und farbenfrohes Sixties-Gewand zeugt. Musikalisch bewegen sich die Neuinterpretationen häufig durchaus nah am Original, werden jedoch von Pattons charakteristischem Gesang vollständig vereinnahmt. In perfektem Italienisch badet Patten geradezu im Kitsch des Italo-Pops, ohne jedoch auch nur an einer einzigen Stelle lächerlich zu wirken. Gerade die gnadenlose Ausbeutung und Überbetonung der melodramatischen Arrangements durch Streichereinsätze, Chöre und Paukenschläge demonstieren den humorvollen und dennoch künstlerisch ambitionierten Ansatz des Albums. Einzig bei 'Urlo Negro’ bricht Patton mit dem Schlager-Schmalz und intoniert die Strophen in dem für ihn typischen, fast hoch-gepitcht wirkenden Schreigesang, jedoch nur um diesen im Chorus wieder ins komplette Gegenteil zu verkehren. Der besondere Reiz von 'Mondo Cane’ liegt in der durch das Album zugänglich gemachten Musikrichtung, die aus künstlerischer Perspektive eigentlich als wenig progressiv verpönt ist. Diese entpuppt sich jedoch nach mehrmaligem Hören als Ausdruck eines gewissen Zeitgeistes und ist möglicherweise ähnlich prägend, wie der eher arrivierte französische Chanson jener Zeit. Auch das schon erwähnte Artwork trägt dazu bei den Hörer in eine bunte Fantasiewelt zu entführen, die sowohl dem Mondo-Topos, als auch dem zeitgleich entstandenen italienischen Giallo-Genre unvereinbar gegenübersteht. Hieraus mag sich eine tiefe Dichotomie der italienischen Nachkriegsgesellschaft ablesen lassen, die von P.P. Pasolini oft problematisiert wurde und von Traumata und Tabuisierungen durchzogen ist. Es gelingt Patton mit 'Mondo Cane’ ein Konzeptalbum vorzulegen, das Größe und Eigenständigkeit besitzt, ohne sich in selbst überschätzender Weise zu ernst zu nehmen. Mit viel Humor und Selbstironie wird ein eigentlich aufgegebenes Genre wiederbelebt, aktualisiert und sowohl in seinen Stärken als auch seinen Schwächen bis zum Äußersten gespannt. Kein einfaches Unterfangen, dennoch großartig gemeistert und so ein weiterer Beweis für die grenzenlose Vielseitigkeit Mike Pattons. Patrick Kilian |
|