SYBERBERG-BOX DEUTSCHE TRILOGIE LUDWIG - REQUIEM FÜR EINEN JUNGFRÄULICHEN
KÖNIG KARL MAY HITLER - EIN FILM AUS DEUTSCHLAND LUDWIG ist der erste Teil von Hans Jürgen Syberbergs deutscher Trilogie, die er mit KARL MAY (1974) fortsetzte und mit HITLER– ein Film aus Deutschland (1977) abschloss. Diese Trilogie kann als einzigartiges Unterfangen im Rahmen des neuen Deutschen Films der 1970er jahre gelten, deutsche Kultur als Kulturmontagen zu fassen zu versuchen. Die Filmgalerie 451 legt nun eine lange erwartete 6-DVD-Box mit einem umfassenden Booklet vor, das diese drei Filme in authentischen und ungekürzten Versionen enthält. Wie HITLER ist auch LUDWIG - und etwa anders als der eher episodisch-spielfilmhafte KARL MAY - eine Abfolge der 'Lebenden Bilder', die zu dieser Zeit sehr en vogue waren, und die nicht das Leben des bayerischen Königs schildern, sondern das Bild, das sich dieser in seinen Träumereien - die er mit der Realität verwechselte - davon machte. "Syberbergs Montage-Ästhetik auf der Basis europäischer Kulturassoziationen und der Bild- und Tonvermischungen ist inspiriert von der Avantgarde und deren Angriff auf allen autoritär gesetzten Sinn. Sie wird jedoch selbst autoritär, ja totalitär, durch ihren affirmativen Gestus, durch das unbedingte Ja zur Preisgabe des Subjekts, zu seiner Unterwerfung. Was im Montage-Kunstwerk an Bruchstücken der Kultur und Geschichte zur Einheit eines Lebensmodells zusammentritt, das soll – so will es Syberberg – nur Vorschein sein, Vorschein des „zum Kunstwerk gewordene(n) Leben(s) des zum Staat geronnenen Volkes“. Dieser posthistorische Ästhetizismus, der sich aller Einsichten in die gefährlichen Konsequenzen eines zum Staat und im Staat „geronnenen“ Lebens entschlagen zu können meint und sich eine „dorische Welt“ (Gottfried Benn) herbeihalluziniert, funktioniert ästhetische Avantgarde in politische Anti-Moderne um und bleibt darin, gerade darin — erschreckend modern." (B. Kiefer) Zugleich kann LUDWIG von Syberberg als experimenteller Zwilling zu Luchino Viscontis düster-melancholischem Drama LUDWIG II verstanden werden, während HITLER Viscontis Nazi-Melodram DIE VERDAMMTEN entspricht und KARL MAY folglich der Thomas Mann-Verfilmung DER TOD IN VENEDIG. Alle drei DVDs präsentieren die Filme als authentische Abtastungen des körnigen 35mm-Materials. Gelegentliche Altersspuren und der klare Monoton simulieren erst gar keine falsche Aktualität, sondern entsprechen genau dem Stil, den Syberberg offenbar wollte: Die Materialität des Mediums ergänzt sich mit dem Inhalt und schafft eine zeitliche Entrücktheit, die den Filmen sehr gut bekommt. Die oft als 'unfilmisch' kritiserte Theaterhaftigkeit von HITLER etwa erstrahlt so in einer ganz eigenen, fast malerischen Ästhetik. Und die etwas monochromen Bilder des episodischen Reigens KARL MAY gewinnen eine ganz eigene Qualität des Nostalgischen. Die nun vorliegende 3er Box ist das unstreitbare Monument einer filmischen Moderne, die so nicht mehr denkbar wäre. Es ist endlich verständlich, warum Susan Sontag die Filme in ihrem wichtigen Aufsatz würdigte, warum Francis Ford Coppola HITLER nach Amerika brachte. Sie erkannten den unwiederholbaren Charakter des epischen Werkes. Sontags Text ist neben zeitgenössischen Kritiken und anderen Dokumenten im Booklet der Box wieder veröffentlicht. Syberbergs DEUTSCHE TRILOGIE sollte eben so wenig wie Viscontis Gegenstück in keiner ernstzunehmenden Filmsammlung fehlen. Marcus Stiglegger Verweise: http://www.filmgalerie451.de
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