JORIS J

Ochrana Birth

3“ CDR, 3 Tracks, in einer Mini-Alphahülle TOSOM

Ochrana war im spätzaristischen Rußland eine inoffizielle Bezeichnung für die Geheimpolizei. Vermutlich hat die Ochrana die antisemitischen Protokolle der Weisen von Zion verfasst und verbreitet. Trotz ihrer offiziellen Auflösung durch die neuen, kommunistischen Machthaber lebt ihr bereits damals recht sinistrer Ruf bis heute in verschiedensten Verschwörungstheorien weiter, mit und ohne Illuminaten.
Joris J aus Berlin nutzt dieses Sujet, um mit der medialen und geistigen Gleichschaltung unserer Gesellschaft abzurechnen. Was nun wie die Einleitung zu so mancher (über-)ambitionierten CD aus dem Post-Industrialbereich klingt, wird von Herrn J. aber mit viel Sarkasmus und Wahnsinn vermischt. Auf der 3“ CD befinden sich drei Stücke zwischen drei und elf Minuten, die Titel wirken auf den ersten Blick sehr abgefahren und wenig aussagekräftig. Es bedarf eines genaueren Hinhörens und und auch eines bisschen Denkarbeit, um zu erkennen , dass der Wahnsinn unserer Gesellschaft vermutlich kaum treffender zu formulieren ist. „Kordial Korrupt Luzid“, „Versorgungsbehörden meldet Kriegsgewinnler“ und „Häretisch feixend kabeln“ wirken nach dem Anhören der dazu gehörigen Musik fast klar und greifbar. Musikalisch zeigt sich Joris J. wesentlich defekter und bisweilen auch brutaler, als zum Beispiel auf der noch etwas unausgegorenen „Split“ mit N.Strahl.N. Es kommen Assoziationen zu frühen „Aalfang mit Pferdekopf“ Alben auf, allerdings klingt dieser Tonträger ungleich kälter und schärfer. Im Gegensatz zu „Aalfang“ handelt es sich auch nicht um eine surreale Reise in das Unterbewusste, sondern um eine Abrechnung mit einer pathologischen Gesellschaftsstruktur. So wird der Hörer immer wieder mit ruhigen Passagen geködert, um dann wieder das auditive Äquivalent zu einem Blizzard im Gehörgang losbrechen zu lassen. Im Vergleich zur letzten Veröffentlichung wirkt diese CD auch homogen und wird ihrem eigenen Anspruch gerecht. Auch die Verpackung wirkt ansprechend und tröstet darüber hinweg, dass es sich nur um eine CDR handelt. Eine überdurchschnittlich gute Veröffentlichung, die Lust auf mehr macht.

Daniel Novak