JORIS J

Muslim Decadence

N.Strahl.N

Bewegungen

Split-CD mit insgesamt 14 Tracks im Pappschuber -privater Vertrieb-

N.Strahl.N

Mindscreen

3“ CDR im Pappkuvert -privater Vertrieb-

Im Eigenvertrieb ist nun schon seit Ende Februar diese Split-CD erhältlich, die beiden Teile des Tonträgers stehen komplett für sich und werden daher einzeln rezensiert.

Den Anfang macht Joris J mit einer Hommage an Muslimgauze. Er beschäftigt sich auf einer fiktiven Reise durch den Serail mit der islamischen Welt und der ihr innewohnende Dekadenz.
Die einzelnen Stops dieser Reise sind in den Liedtiteln festgehalten. Diese Hilfslinie ist auch notwendig, da man von der Musik selbst leider nicht auf das Geschehen schließen kann, in dem man sich befindet. Dennoch ergeben sich - sobald man die Richtung kennt - schnell assoziative Zusammenhänge. Leider kommt während annähernd der gesamten ersten Hälfte nicht wirklich das Gefühl auf, sich in der arabischen Welt zu befinden, erst in der zweiten Hälfte wird dieses, allerdings angenehm subtil, immer wieder deutlich gemacht. Es bedarf zwar einiger Vorstellungskraft, aber man kann, sofern man sich darauf einlässt, dieses Werk tatsächlich als Geleit durch einen imaginären Serail auffassen. Manchmal muss man sich ein wenig über ein paar unnötige Längen hinweghangeln, aber im Großen und Ganzen unterhält diese CD und gibt auch ein paar kleine Denkanstöße.

Ein angenehm skurriles Machwerk, das allerdings noch nicht ganz rund wirkt, aber auf mehr von Joris J hoffen lässt.

Die zweite Hälfte lässt N.Strahl.N es dann bisweilen sehr heftig krachen, allerdings fernab irgendwelcher Power Electronics. „Bewegungen“ nennt er dieses Minialbum und der Titel ist Programm. Er verharrt nie zu lange in den gleichen Strukturen, sondern bricht immer wieder zu neuen Geräuschen auf, es rauscht, ploppt, zischt und kracht, dass es eine wahre Freude ist.
Ohne irgendwelchen aufgepfropften thematischen Ballast wird hier dem gepflegten Krach gefrönt. Viel dazu schreiben lässt sich nicht, aber dennoch sollten alle mal ein Ohr riskieren, die anregende Kakophonie zu schätzen wissen.

Als Fazit lässt sich sagen, das dieser Tonträger seine 6 (?)€ mehr als wert ist, ob der Eigenvertrieb gewollt ist oder nicht, ist nicht bekannt. Eines lässt sich aber mit Sicherheit sagen, es gibt so manchen von größeren Labels frenetisch beworbenen „Kracher“, der bei weitem nicht in dieser Liga mithalten kann.

Mindscreen Part I- VI nennt sich der einzige 24-minütige Track, der auf dieser schön schrägen Veröffentlichung zu finden ist. Man bezieht sein Inspiration direkt aus den Schriften von William S. Burroughs, der das Wort Mindscreen mehrfach in seinen in der sogenannten „Cut Up“ Technik veröffentlichten Novellen und Romanen verwendet. Es steht symbolisch für Gedankenkontrolle und Gehirnwäsche zugleich, und genau da harkt N.Strahl.N ein und nimmt auf assoziative Weise die Wirkung des Massenmediums Fernseher genauer unter die Lupe.

Auf dem im kräftigen Braun gehaltenen Kuvert ist vorne ein defektes Fernsehgerät und hinten eine Waschmaschine zu sehen, ein Schelm, wer Böses hierbei denkt.

Schlägt man das Kuvert auf, so fällt einem sofort der Text „television is systematic brainwashing- just turn it off“ ins Auge, einem Motto, dem wohl keiner ernst zunehmend widersprechen kann, der des Nachmittags hin und wieder die privaten Sender durch rauscht.

Der gesamte Tonträger ist ungewöhnlich ruhig gehalten, teils regelrecht leise, dadurch fordert er immer wieder Aufmerksamkeit und ist so ein direktes Gegenstück zur Fernsehberieselung der Massen. Auch wird man der Cut Up Technik gerecht, Burroughs pflegte seine fertigen Manuskripte komplett durch zu mischen, teils sogar mitten im Absatz zu zerschneiden, um sie dann nach einer Art intuitiven Ordnung dem Verlag zu übergeben. So ist auch die Musik hier im ständigen Wechsel, zwar wirkt sie weniger hektisch als Burroughs geschriebenes Wort, aber auch hier ist der Übergang keiner, der mit der Ratio zu fassen wäre.
Ein schönes kleines Schmuckstück, das, laut dem Musiker, auch noch zu einer Reihe ausgebaut wird.
Man darf gespannt sein.

Daniel Novak