HENRY - PORTRÄT EINES SERIENKILLERS Ein Film von John McNaughton "Yeah, I killed my Moma..." 1989 machte ein Film die Runde, der schnell zum Kultklassiker des Horror- und Thrillergenres avancierte: HENRY von John McNaughton war anders - roher, authentischer und amoralischer, als man das von vorangehenden Slasherfilmen kannte. Dabei ging er weniger spektakulär als MANIAC (1980) vor, aber auch weniger sexistisch als DER NEW YORK RIPPER (1982). HENRY war neu. In den folgenden Jahren, die den Film mit Verspätung nach Deutschland brachten, wurde deutlich, wie wichtig HENRY für den medialen Diskurs des Serialkillers war. Von seiner Subjektivität bis zu den metafilmischen Elementen (immerhin filmen die Täter ihre Gewaltakte mit) bot der Film aufschlussreiches Material - und doch wurde er in Deutschland zum Zensurfall. Es sollte 20 Jahre dauern, bis man den Film nun wieder problemlos zugänglich hat. Und es ist umso erfreulicher, dass ein cinephiles Label wie Bildstörung die Rechte gekauft hat, denn so ist eine angemessene Aufarbeitung dieses Genreklassikers garantiert. Die Handlung orientiert sich an Ereignissen aus dem Leben des realen Serientäters Henry Lee Lucas, der in einer Dokumentation auf dieser Special Edition porträtiert wird. Doch der Film wählt eine bewusst subjektive Erzählperspektive: Henry (Michael Rooker) teilt sich mit seinem Gefängniskumpel Otis eine kleine Wohnung in einem heruntergekommenen Viertel in Chicago. Tagsüber arbeitet er als Kammerjäger, doch nachts bringt Henry wahllos Leute um – ohne Grund, zum Zeitvertreib. Als Otis’ Schwester Becky überraschend einzieht, ist das schweigsamen Nebeneinander der beiden Männer vorbei und Henry öffnet sich zusehends. Er findet in Otis einen mehr als willigen Schüler, der fortan mit ihm auf Mordzug geht. Nur Becky ahnts von diesem Grauen, bis sich Henry verliebt und Otis die Grenzen überschreitet... Drei Jahre lang drohte John McNaughtons verstörender Debütfilm aufgrund des unkommerziellen X-Ratings unbeachtet in den Regalen zu verstauben, als der Filmemacher Errol Morris ihn 1989 zum Telluride Filmfestival einlud, wo ihn der Kultkritiker Roger Ebert sah und durch seine begeisterte Filmkritik eine Öffentlichkeit dafür gewann. Es folgten Jahre der Zensur und des Verbots, bis HENRY nun endgültig wieder in Deutschland freigegeben wurde. Die BD/DVD-Veröffentlichung, die in der Limited Edition zudem den kultigen Soundtrack mit Filmpassagen enthält, bietet den Film in seiner ursprünglich intendierten Fassung: im Format 4:3, mit 16mm-typischer Körnung. Hier wird das rohe Werk sichtbar, keine Filter oder anderen Modifikationen stören den Eindruck. Der Ton liegt auf Englisch und in der gelungenen deutschen Synchro vor - dazu kommen umfassende Dokus: Fact und Fiction, das retrospektive Making Of, kommentierte Deleted Scenes, ein Regieinterview, der Regiekommentar (kompetent und informativ), die britische Znesurgeschichte etc. Lobenswert ist der Abdruck eines analytischen Kapitels auf Stefan Höltgens Dissertation über Serialkiller, die das Filmerlebnis nachhaltig vertieft. HENRY ist bei Bildstörung in einer mustergültigen Edition verfügbar. Da die Extras nur auf DVD vorliegen und der Film eher roh anmutet, lohnt sich ggf. auch nur der Kauf der DVD-Version statt der Blu-ray. PS: Die erheblich schwächere Fortsetzung HENRY 2 liegt bereits seit einiger Zeit auf DVD vor. Marcus Stiglegger
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