:Golgatha:

The Horns of Joy

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(Trisol 2011) CD 13 Tracks

Obwohl es seit dem Erscheinen des letzten eigenständigen Albums 'Tales of Transgression & Sacrifice' (Cold Meat Industry) nicht unbedingt ruhig um die deutsche Ritual-Folk-Band :Golgatha: geworden war (immerhin gab es danach noch ein Split-Album 'Sang Graal' sowie die Neuveröffentlichung von 'The Waste Land'), sind nun über drei Jahre vergangen, bis man sich mit dem epischen Werk 'The Horns of Joy' schließlich zurückmeldete. Vieles ist neu: das Label Trisol, die starke persönliche Präsenz im Artwork, die Lyrics - und doch ist man dem einzigartigen Stil treu geblieben: einer Fusion aus orientalischen Perkussions, sphärischem Frauengesang, männlichen Rezitativ und treibenden Akustikgitarren.

Wie auf 'Tales' ziert eine Orchideenblüte das Cover, doch auf den ersten Blick erscheint sie befremdlich, fast martialisch. Vergleiche mit einem Spartanerhelm drängen sich auf. Das Artwork, das erneut von Birthe Klementowski stammt, fokussiert diesmal jedoch auf die Körper der Band, die ihre Instrumente wie Waffen präsentiert und mit Tattoos die heidnischen Quellen offenbart. Inhaltlich geht es um 'Nihilismus - und seine Überwindung', wie es im Innencover formuliert wird.

Mit "Enchantment" knüpfen :Golgatha: an die Struktur früherer Alben an, die ein atmosphärisches Intro voranstellen, hier jedoch fast allein getragen von der eindrucksvollen Stimme von Sorakey. Und um das gegebene Versprechen gleich einzulösen, wartet "Fertility" danach mit hämmernden Ritualbeats, Dulcimer und fast ekstatischem weiblichem Gesang auf. Dieses konsequente Stück Ritualmusik kündet von der kämpferischen Weiblichkeit (auch ein Thema auf 'Sang Graal') und fiel bereits auf Tony Wakefords Compilation "With Friends Like These" positiv auf. Namen wie Arcana oder die legendären Dead Can Dance schimmern durch, doch :Golgatha: hat einen eigenen Weg beschritten.

Mit "The Iron Rose" liegt ein Instant-Folkhit vor, der nihilistische Lyrics, hymnischen Gesang, dumpfe Trommeln und schmissige Gitarre kombiniert - eines der einprägsamsten Stücke der Band überhaupt, das mühelos an frühere Tracks wie "Crusade" oder 'Flesh of the Orchid' anknüpft. Das Titelstück "Horns of Joy" kehrt zu den orientalischen Motiven zurück: monotone Drums, rätselhafte Sounds, Kinderlachen, ätherische Harmonie - und ein surrealer Text nach George Bataille. "Hymn for the Fallen One" orientiert sich schließlich am Lucifer-Kult der 1920er Jahre, der Hohezeit des Nihilismus'. Hier betritt die Band mit harschen Sounds, verzerrtem Bass und hartem Rhythmus fast Industrial-Terrain.

Wem all das zu poetisch war, der bekommt mit den nächsten Stücken eine historisch und politisch ungewohnt konkrete Performance geboten: David Sabre von Dawn & Dusk Entwined intoniert hier den Anti-Kriegs-Klassiker "Dogs of War" von Pink Floyd, der von hämmernden Marschtrommeln und neoklassischem Pathos begleitet wird - quasi eine Antwort auf Martial-Industrial-Bands wie Arditi, die sich meist affirmativ zu ihrem Sujet verhalten. Und programmatisch covert Dev von While Angels Watch danach das tieftraurige "The Sound of War" von der unvergleichlichen Gitane Demone. Hier werden die Früchte des aktiven Nihilismus' beklagt, der in den Ersten und schließlich den Zweiten Weltkrieg geführt hatte. Als historischer Epilog folgt mit "Hammer or Anvil" (keine Coverversion des Sol-Invictus-Songs!) eine folkige Sampling-Collage, die an den eklektizistischen Stil der Labelkollegen von Rome erinnert. Doch martialisches Pathos sucht man hier vergebens, spätestens mit "Body of Wind" macht sich in poetischen Rezitationen Melancholie breit. Ambient-Folk... "Nihil" schließlich ist die programmatische Abrechnung mit dem Nihilismus, getragen vom mehrstimmigen Refrain "Nihil, Nada, Nothing, Nichts".

Es folgt eine Art Rahmung: "Rising" kehrt zur rituellen Welt von "Fertility" zurück und bietet erneut mitreißende Tribalrhythmen, Teikodrums und klagende Vocals. Und mit "Dukha" begibt man sich in die Welt des buddhistischen Nihilismus' - ein Ausweg? Die Antwort bleibt aus...

Das letzte Stück heißt "Death in Honour" und erscheint in seiner Eigenständigkeit eher als Bonustrack (ist allerings nicht als solcher gekennzeichnet, wie man es von früheren Alben kennt). Es handelt sich hier um eine treibend-tanzbare Hommage an den legendären Schriftsteller Yukio Mishima, der vor über 40 Jahren öffentlich Hara-Kiri begangen hatte. Mishima Stimme säumt das Lied, das einmal mehr männliche und weibliche Stimmen vereint.

Mit ihrem neuen Album "The Horns of Joy" bieten :Golgatha: ihr bislang komplexestes und zweifellos eingängigstes Album. Konnte man zuvor immer auf eine atmosphärische Mischung von Ambient-, Ritual- und Folkmusik hoffen, stehen diesmal durchkomponierte Songs im Zentrum. Weiterhin hat man es mit einem Konzeptalbum zu tun, das Thema wird jedoch weniger illustriert (wie auf 'Seven Pillars' z.B.), sondern aus unterschiedlichsten Perspektiven betrachtet. Dabei kommen viele bisherige Konstanten zum Vorschein: der kritische Heroismus, nihilistische Philosophie, das Fin de Siècle-Gefühl um 1900, orientalische Elemente, der Kampf der Kulturen, männliches und weibliches Prinzip, Bataille, Mishima - und natürlich eine Spiritualität, die man als bandeigene Mythologie betrachten kann. Eine reifes und schönes Werk.

MaNic