Frauen bis zum Wahnsinn gequält Label: Camera Obscura In den 1980er Jahren war Pront Video eines jener Labels, die unter reißerischen Titeln eine wilde Mischung aus vergessenen Perlen und lachhaftem Trash im Programm hatten. In die erste Kategorie fällt FRAUEN BIS ZUM WAHNSINN GEQUÄLT, dessen deutscher Titel ähnlich haarsträubend wie SCHÖN, NACKT UND LIEBESTOLL anmutet, und es verwundert wenig, dass beide Filme in sorgsam restaurierten versionen bei Camera Obscura auf DVD erschienen sind. Doch wo SCHÖN... noch die Grenze zum Bahnhofskino deutlich überschritt, hält sich der Sleaze bei FRAUEN... erstaunlich in Grenzen. Wobei hier weniger Schockierendes auf der visuellen Ebene geliefert wird, als in der kruden Psychologie, die ganz auf den 'weiblichen Masochismus' abhebt, wie ihn Freud konstatierte. "Ich würde mich gerne mal vergewaltigen lassen..." sagt hier die Freundin der Protagonistin ganz nebenbei beim Kaffeeplausch... Luciano Ercolis Thriller ist ein edel gestylter Giallo, stilistisch näher an Lucio Fulcis NACKT ÜBER LEICHEN als an den harten Etüden von Dario Argento. Hier geht es einmal mehr um die Angst, die langsam Einzug hält in die scheinbar gesicherte Welt der Schönen und Reichen: Minou (Dagmar Lassander) ist atemberaubend schön, und dennoch fühlt sich die junge Frau von ihrem überarbeitetem Ehemann Peter schlichtweg vernachlässigt. Eines Nachts wird Minou jedoch während eines Spaziergangs überfallen und von ihrem Angreifer mit einer irritierenden Offenbarung konfrontiert: Peter soll einen Mord auf dem Gewissen haben. Damit beginnt für Minou ein Alptraum, denn der Unbekannte stellt Forderungen an sie, deren Erfüllung die verzweifelte Frau an ihre Grenzen bringt. Er macht die Frau zum Spielball seiner kranken Phantasie. Wie erwähnt, arbeitet Ercoli eher psychologisch als reißerisch, was den Film jedoch nicht weniger kontrovers macht. Er erschöpft sich jedoch nie in gewalttätigen Exzessen, sondern schafft eine Atmosphäre psychosexuellen Drucks, der sich deutlich über die sorgfältige Breitwandfotografie und den loungigen Morricone-Score vermittelt - ein Edel-Giallo mit sadomasochistischen Anklängen. Wie von der Reihe "Italian Genre Cinema" bei Camera Obscura gewohnt, wird FRAUEN... in einer hervorragenden Version präsentiert. Die Digitalisierung ist detailreich, ausgewogen in der Farbigkeit und liegt in drei Sprachen vor, wobei die einst fehlenden Szenen der deutschen Fassung hier untertitelt wurden. Die beiden Interview-Beiträge mit dem Regisseur, seiner Ehefrau Susan Scott sowie dem Drehbuchautor sind gewohnt informativ und ausführlich geraten. Das Booklet mit einem persönlichen und ironischen Text von Christian Kessler fokussiert den Blick retrospektiv und betont die einst übersehenen Stärken der Inszenierung. Fans des italienschen Genrekinos sollten also dringend zugreifen. Eine schöne Veröffentlichung, bei der auch Artwork und Menügestaltung erfreuen. :ms:
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