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SCHÖN, NACKT UND LIEBESTOLL
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Italien 1972
Anbieter: Camera Obscura
Freigabe: ungeprüft
Laufzeit: 96:42 Min. (95:58 Min. o.A.)
Regionalcode: RC 2
DVD-Format: DVD-9 (8,5 GB)
TV-Norm: PAL
Verpackung: Digipak
Bildformat: 1,85:1 (anamorph / 16:9)
Tonformat: Deutsch (Dolby Digital 2.0 Mono)
Italienisch (Dolby Digital 2.0 Mono)
Untertitel: Deutsch
Englisch
Extras: Audiokommentar mit Marcus Stiglegger und Christian Keßler
(mit optionalen engl. Untertiteln), "Revelations of a Jazz Maniac"
- Featurette mit Komponist Giorgio Gaslini* (20:59 Min.), animierter französischer
Fotoroman* (25:12 Min.), Fotogalerie
Blicke, die töten können, darum geht es
im Giallo. Der italienische Thriller liebt es, den weiblichen Körper
zum Köder des männlichen Blicks machen. Die besseren Filme codieren
dabei den signifizierenden Phallus um, indem sie ihn und sein destruktives
Potential durch die Inszenierung exzessiv fetischisieren. Sie mobilisieren
eine Strategie, die sich beschreiben ließe als Dekonstruktion durch
Überaffirmation. Kamerabewegungen und Farbregie schaffen einen stumpfen
Sinn, der nicht „in der Sprache“ ist, ja nicht einmal „in
der der Symbole“ (Roland Barthes). Sie animieren obtuse Signifikanten,
d.h. Signifikanten, die nicht mehr signifizieren wollen.
In Gialli von Sergio Martino und von Mario Bava, von Aldo
Lado und von Paolo Cavara, von Lucio Fulci und von Dario Argento, von
Massimo Dallamano und von Tonino Valerii, da scheint der darstellende
Exzess in Bild und Ton zu bewirken, dass im Dargestellten eine affirmative
Präsentation der phallischen Gewalt undifferenzierbar in eins fällt
mit einer aus dem Exzess resultierenden Reflexion bzw. Kritik genau dieser
Präsentation. Die Formel lautet: Unterstreichen durch Übertreiben,
so dass eine Zurschaustellung von phallischer Aggression sich tendenziell
in kritische Distanz wandeln kann, wenn mit hyperbolischen Darstellungseffekten
gearbeitet wird.
Roberto Bianchi Monteros RIVELAZIONI DI UN MANIACO SESSUALE
AL CAPO DELLA SQUADRA MOBILE (1972) ist inszenatorisch deutlich zurückhaltender,
nur in einer surrealen Sequenz am Strand, gedehnt durch extreme Zeitlupe,
scheinen die Formen ihre narrative Basis zu transzendieren, nur für
sich sein zu wollen. Ansonsten wird der feminine Körper zum Fokus
der Mise-en-scène erhoben, der deutsche Titel gibt hier die Devise
vor. SCHÖN, NACKT UND LIEBESTOLL, das sind die Frauen im enklavischen
Mikrokosmos der Schönen und der Reichen, an denen die Kamera sich
delektiert. Der Film zählt zweifellos zu den am stärksten erotisierten
Gialli, sublimiert den Sexus also weniger in inszenatorische Finesse als
ihn ostentativ zu präsentieren. Die zunächst konstatierte Dichotomie
in männlichen Blick und weiblichen Körper allerdings wird sukzessive
aufgehoben im Verlauf von RIVELAZIONI DI UN MANIACO SESSUALE AL CAPO DELLA
SQUADRA MOBILE, wenn der Film plötzlich selbst zurückzublicken
scheint. Indem er den pathologischen Voyeurismus des Serienmörders
mit der sadistischen Skopophilie des Zuschauers assoziiert und kurzschließt,
ist es der rezipierende Blick auf den femininen Körper, der schließlich
Objekt des medialen Blicks wird. Das für den Giallo konstitutive
Moment der Detektion verlagert sich so von der filmimmanenten Narration
auf die Interaktion zwischen Film und Zuschauer. RIVELAZIONI DI UN MANIACO
SESSUALE AL CAPO DELLA SQUADRA MOBILE initiiert ein subtiles Spiel, begreift
den Film als ludisches Medium: ertappt den Zuschauer und lässt ihn
wieder frei, um ihn aufs Neue zu ertappen.
Wenn am Ende also die tödlichen Schüsse fallen,
dann gesteht weniger ein Sexbesessener gegenüber dem Chef des mobilen
Einsatzkommandos. Dann ist es der Zuschauer, der bekennt. Seine Liebe
zu den Frauen, den schönen, den nackten, den liebestollen.
Ivo Ritzer
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