Neue Filmliteratur Winter 2005/2006 *
Margrit Frölich/Reinhard Middel/Karsten Visarius Außer Kontrolle. Wut im Film Arnoldshainer Filmgespräche Bd. 22 Die Buchreihe zu den Tagungen in Arnoldshain hat sich längst etabliert als fundierte und vielseitige Textsammlung zum aktuellen und historischen Filmgeschehen, immer auch mit Blick auf soziale, ethische und philosophische Zusammenhänge. Auch der aktuelle Band "Außer Kontrolle. Wut im Film", der beste seit "No Body is perfect", schaffte eine erhellende Brücke zwischen Filmwissenschaft und anderen analytischen Disziplinen, um Film als Reflexion von Gegenwart fruchtbar zu machen. Diesmal nehmen sich einige Autoren viel Raum für eine kleine Kultgeschichte jenes sozial geächteten Affekts, der Wut. Michael Wetzel und Andreas Kraft beleuchten die Darstellung von Wut in anderen Künsten, u.a. der Literatur, wobei der klassische Laokoon-Text von Lessing zu neuer Geltung kommt. Horst-Jürgen Gerik fügt einige psychologische Betrachtungen an. Diese solide Grundlage erweist sich für die folgenden Texte für sehr hilfreich. Vielleicht sollte man sich nun erst Klaus Kreimeiers kundiger Einleitung zur Wut im Film widmen, die gleich zu Beginn kommt. Werner Schneider-Quindeau schließlich rundet den theoretischen Teil des Buches ab, indem er mit "Dies Irae" auch die christlichen Zusammenhänge erklärt, wobei er bereits auf Werner Herzogs AGUIRRE zu sprechen kommt, den Reinhard Middel am Ende noch einmal kommentiert. Den zweiten Teil der Textsammlung bilden die einzelenen Filmanalysen. Jörg Metelmann, der seit seiner Promotion über Michael Haneke offenbar als Fachmann gehandelt wird, betrachtet die frühen Filme des bedeutenden Österreichers unter dem Aspekt der Wut (vor allem 71 FRAGMENTE). Roland Wicher thematisiert an DAWN OF THE DEAD die "systematische Wut", wobei erwähnt werden sollte, dass dieser Film in Deutschland noch immer wegen Gewaltverherrlichung beschlagnahmt ist. Da er nun auch hierzulande wissenschaftlich aufgearbeitet wird, ist ernsthaft zu fordern, diese Fehlentscheidung endlich rückgängig zu machen. Weitere Einzelbetrachtungen kommen einer vielseitigen Palette von Filmen zu: BUTTERFLY KISS, FALLING DOWN, HULK, KILL BILL, und FIGHT CLUB, wobei diese aktuell orientierte Auswahl durchaus einleuchtet. Wie stets in der Reihe der Arnoldshainer Filmgespräche ist auch dieser Tagungsband eine inspirierende Bereichung der gegenwärtigen Filmliteratur und kann mit fundierten AutorInnen ausfwarten. Sehr empfehlenswert. Marcus Stiglegger
* Christian Wessely/ Franz Grabner/Gerhard Larcher (Hrsg.) Michael Haneke und seine Filme: 240 S., Pb., viele Abb. Der Österreicher Michael Haneke (siehe auch Link) , der seit 1973 im TV- und Kinofilmbereich als Regisseur und Autor tätig ist, kann als einer der bedeutendsten Filmemacher der Gegenwart gelten. Seine Arbeiten sind international hoch angesehen, wurden vielfach - vor allem in Cannes - preisgekrönt und bilden eine der vielschichtigsten Annäherungen an die Gewalt als soziales Phänomen. Filme wie BENNYS VIDEO, FUNNY GAMES, DIE KLAVIERSPIELERIN u.a. erzählen von Entfremdung, Wut, Ohnmacht, Lieblosigkeit und natülrich von der endlosen Suche nach Geborgenheit. Zahlreiche renommierte Schauspieler tauchen inzwischen in seinen Werken auf, allen voran Isabelle Huppert und Juliette Binoche. Das nun erschienene monografische Werk ist nicht die erste Auseinandersetzung mit Haneke, wohl aber die umfassendste und integrierte einige der vorangehenden Texte und Perspektiven. Die österreichischen Herausgeber haben eine Reihe namhafter Filmpublizisten (u.a. Andreas Kilb und Georg Seeßlen) hinzugewonnen, um die verschiedensten Aspekte von Hanekes Werk aufzuarbeiten. Theologie, Psychologie, Soziologie und Ethik werden als Ausgangsbasis genutzt und zeigen, dass Hanekes Filme diesen Ansprüchen gerecht werden und gesellschaftklich relevante Analysen zu bieten haben. Selbst in den Einzelfilmbetrachtungen bleibt der Blick auf intermediale und interdisziplinäre Aspekte gerichtet und charakterisiert Hanekes Filme letztlich als Teile eines erkenntnisfördernden Netzwerkes. Bis hin zu dem aktuellen Film CACHÉ reichen die Betrachtungen, die eine ebachtliche Kontinuität im Werk dieses auteurs belegen (lediglich DAS SCHLOSS mag auf den ersten Blick etwas herausfallen), und die reflektierten Äußerungen des Regisseurs im Gespräch mit Alexander Horwarth belegen diesen Eindruck zusätzlich. "Michael Haneke und seine Filme. Eine Pathologie der Konsumgesellschaft" ist ein Buch, auf das vermutlich einige sehnsüchtig gewartet haben. Es kann als vorläufiger Höhepunkt der Betrachtungen dieses Ausnahmekünstlers gesehen werden und bietet mit seinen diversen Ansätzen und Zugangsweisen ein spannendes Leseabenteuer. Wer sich für Autorenfilm, Kunstkino und gesellschaftskritische Kunst im Allgemeinen interessiert, wird nicht darum herumkommen. Beiträge von: Franz Grabner, Gerhard Larcher, Georg Seeßlen, Andreas Kilb, Harald Meindl, Karl Suppan, Christian Wessely, Bert Rebhandl, Herbert Kohlmaier, Alfred Jokesch, Monika Leisch-Kiesel und Andrea Pfandl. Marcus Stiglegger * Michael Omasta (Hsg.), Isabella Reicher (Hsg.) Claire Denis Bestellen Marcus Stiglegger |
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