ESSENTIAL KILLING

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Laufzeit 81 min.
PAL Farbe
Regie: Jerzy Skolimowski
Darsteller: Vincent Gallo (Buffalo 66; Arizona Dream; L.A. Without a Map; Náufragos - Stranded), Emmanuelle Seigner
Originaltitel Essential Killing
Produktionsland Polen / Norwegen / Irland / Ungarn 2010
Altersfreigabe 16
Bildformat 1.85:1 / 16:9
Extras Originaltrailer, Trailershow
Untertitel Deutsch
Ton Deutsch, DTS 5.1, Dolby Digital 5.1
Englisch, Dolby Digital 5.1

'Deliverance' heißt James Dickeys bis heute gerühmter Roman über den Überlebensinstinkt des zvilisationsgeschädigten Menschen. Auch ohne John Boormans legendäre Verfilmung wäre diesem Buch der Platz im Panetheon der Weltliteratur sicher gewesen. Doch Dickey schaffte es vor seinem Tod noch einmal, an sein Hauptwerk anzuknüpfen: 'To the White Sea' erzählt von der Flucht eines abegstürzten Amerikaners durch das Japan des Zweiten Weltkrieges. Geprägt von Verzweiflung, Skurpellosigkeit und Blutrausch räumt alle Hindernisse aus dem Weg, um am Ende das 'weiße Meer' zu erreichen...

Jerzy Skolimowski ist eine lebende Legende des europäischen Autorenfilms. Durch DEEP END (1970) wurde er über Polen hinaus berühmt, seit THE SHOUT (1978) qualifizierte er sich als Exzentriker, und mit dem Kriegsabenteuer ESSENTIAL KILLING meldet er sich nun auf der internationalen Bühne zurück. Skolimowski entstammt der Generation von Roman Polanski, und dessen Ehefrau Emmanuelle Seigner taucht in ESSENTIAL KILLING in einer Nebenrolle auf. Der über siebzigjähre Filmemacher scheint James Dickeys Überlebensphilosophie absorbiert zu haben und kreiert daraus einen Film, dessen radikale Reduktion auf das Wesentliche (die Standardsituation Flucht) allenfalls mit Joseph Loseys FIGURES IN A LANDSCAPE (Im Visier des Falken, 1970) vergleichbar ist. Das ist pures Körperkino, schmerzvoll und schön zugleich...

Das amerikanische enfant terrible Vincent Gallo spielt den vermutlichen Taliban Mohammed, der in Afghanistan drei Amerikaner tötet und als Terrorist festgenommen wird. Wie und warum er in diese Lage kam, deuten rätselhafte Rückblicke nur vage an. Mohammed wird gefoltert (durch Waterborarding), gedemütigt und nach Osteuropa verschleppt, wo er jedoch während eines Wildunfalls fliehen kann. Wieder tötet er zwei Soldaten, und flüchtet weiter mit neuer Kleidung und Waffen. Obwohl ihm die Verfolger dicht auf den Fersen bleiben, entkommt er in die Weite der verschneiten Wälder (der Film wurde in Polen und Ungarn gedreht). Hektische Handkamera-Atacken werden von ruhigen, statischen Landschaftstableaus unterbrochen, die zu rituell-mediativen Klänge die Verlorenheit des Individuums in seinem feindlichen Universum zeigen.

Zurückgeworfen auf seine elementaren Instinkte, lebt Mohammed nur noch für Essen, Wärme und Schutz. Ob er eine säugende Mutter überfällt, um sich an ihrer Brust zu sättigen oder einen Holzfäller mit der eigenen Kettensäge tötet - er rennt weiter. Eine Frau nimmt ihn auf, verpflegt ihn - doch am nächsten Morgen findet er sich auf dem Rücken eines weißen Pferdes wieder auf der Flucht...

Philosophisches Actionkino ist selten, und nach Boorman und Losey gehört Skolimowski zu den wenigen, die dieser Idee nahekommen. Nur van Refns VALHALLA RISING (2009) ging den nötigen Schritt weiter in die Apokalypse, doch ESSENTIAL KILLING dürfte genau das sein, was dem Regisseur vorgeschwebt hatte: Eine radikale, existenzielle Grenzerfahrung ohne Wertung und Erklärung. Das dürfte nicht jedem gefallen...

Auf DVD und Blu-Ray wird der Film als Kriegsaction vermarktet - bleibt abzuwarten, ob das funktioniert, denn als Genrekino ist ESSENTIAL KILLING einfach zu minimalistisch. leider bietet die Veröffentlichung in beiden Formaten nur den Originaltrailer als Bonusmaterial. Da wäre mehr zu wünschen. Dennoch: ESSENTIAL KILLING ist Essential Viewing...

Marcus Stiglegger