Neues aus dem Hause Drone (Juli 2006)
Das seit Jahren etablierte Bremer Label Drone veröffentlicht seit einigen Wochen eine neue Vinyl-Reihe von düsterambienten 10“-Schallplatten. Hier wird weniger auf das Konzept der bereits legendären Drone-Singles zurückgegriffen, statt dessen bietet die extended-play-Laufzeit von ca. 4 Tracks andere konzeptionelle Möglichkeiten: Der Hörgenuss ist zumindest erheblich befriedigender. Die Reihe heißt „Substantia Innominata“ und hat die Auseinandersetzung mit unbekannten Welten zum Thema. Asianova ist eine mehrköpfige Ambientformation, an der u.a. Ure Thrall beteiligt ist. Mit „Magnamnemonicon“ legen die vier Musiker eine hallend-sphärische Space-Symphonie vor, die themengemäß in unbekannte Bereiche vordringen soll: das Unbenennbare, das Undenkbare, schlicht das Unbekannte sollen hier Programm sein. Die erste Seite löst sich von flächigen Sphären schließlich in verhaltene rituelle Rhythmen auf („March of the Anemone“), zu denen sich eine geheimnisvolle Frauenstimme mischt. Seite zwei bietet dann dichte Darkambientstrukturen, insgesamt ein Reise von halluzinatorischer Qualität. Die Covergestaltung beschwört das finstere Glimmen archaischer Gottheiten. In monochromem Türkis präsentiert sich Noise-Maker’s Fifes, ein Projekt von Geert Feytons, der auf dieser düster-experimentellen Collage „Zona incerta“ den Soundtrack der neomythologischen Performance „Dyonisos’ Last Days“ remixt hat und mit Fieldrecordings aus Kenia kombiniert. Ein atmosphärisch bestechendes und einnehmendes Erlebnis, düstere Klangkunst vom Feinsten, die sich gegen Ende gar in noisige Gefilde hinein entwickelt. Daniel Menches „Radiant Blood“ schließlich bedient sich unmittelbar lärmiger Grundsounds, die sich sägend in die Gehörgänge graben und nur minimale Modulation aufweisen. Erst nach einer gewissen Zeit meint man, melodiöse Klangstrukturen durchzuhören, doch hier könnte sich auch die halluzinogene Qualität von Noise beweisen. Seite 2 mischt dann Digitalnoise mit düsteren Klavierakkorden. Insgesamt ist diese die anstrengendste Platte der neuen Reihe und richtet sich eher an das industrial-gestählte Publikum. Auch die klassische Drone-Serie hat eine Fortsetzung gefunden: Lunar Abyss Deum Organum aus St. Persburg entfaltet auf „Brusnika“ einen aus conrete-Sounds bestehenden organischen Ambientklang, der Stimmen, Naturgeräusche und Drones zu einer holistischen Weltvision vereint. Eine schöne und ästhetisch gestaltete Scheibe... Die Mainzer Ambient-Formation Tho-So-Aa wurde in :Ikonen: des öfteren geehrt (siehe Link). Die 7" "The Dying Reveal" kann als kleine, prägnante Einführung in den düster-rituellen Stil des Projekt verstanden werden. Etwas noisiger als bislang gewohnt, entfaltet eine Seite ein eher minimalistisches Szenario, während die andere (The Undefined) sogar melodiöse Schellack-Elemente aufweist. Unheimliche Stimmen flüstern von ewiger Finsternis - es ist eine apokalypische Welt, die Tho-So-Aa auf dieser ersten Vinylveröffentlichung beschwört. Mit der liebevollen Cover-Kunst (bekannt aus den aktuellen Liveauftritten, etwas WGT 2006) ein Kleinod der Darkambient-Musik. Das Nordlicht (Aurea Borealis) ist ein bekanntes Sehnsuchtsbild, und dieses geheimnisvolle Phönomen hat vielfach seinen Weg in die Gestaltung von Ambientreleases gefunden. Closing the Eternity machen folglich „Northern Light Ambient“ selbst zum Thema und bieten uns eine reizvolle, wunderschöne und geheimnisvolle Klanglandschaft, die wiederum auf einer CD besser aufgehoben wäre, wo sich dieses komplexe Geflecht noch länger entwickeln könnte: schwebende Flächen, dezentes Fiepen taucht auf und verschwindet, saugende und knatternde Akzente spielen hinein, es dominiert jedoch die Drone-Sphäre. Dem Cover ist ein metallenes Bandsymbol beigefügt. Die Engländer R.Y.N. veröffentlichen ihre Single in dunkellila Vinyl. Hier wurden Fieldrecordings mit Massen von Delay und Hall verschmolzen und stehen in der musique concrete-Tradition neuer Raison d’être-Werke: improvisiert, sphärisch, abwechslungsreich und etwas unberechenbar entfaltet sich die Dronelandschaft mit bestechender Ästhetik, wenn auch ein beklemmender Grundton nicht bestritten werden kann. Die deutsche Klangkunstformation Aalfang mit Pferdekopf hat mit einigen CD-Rs von sich reden gemacht und erfüllt weiterhin die Erwartungen, die man vor allem aus dem Auf Abwegen-Umfeld an dieses Genre heranträgt. Bei “Fragment 36” verweist bereits der improvisierte Titel auf ein Gesamtwerk, das als ständiger Progress betrachtet werden soll. Insofern ist es auch wichtig, möglichst viel 'Fragmente’ zu veröffentlichen, um die Welt am eigenen Progress teilnehmen zu lassen. Und so wird Aalfang nun mit einer Drone-Single legitimiert. Dass es sich dabei eher um einen Nachhall der 90er Experimentalhochphase handelt, wird immer wieder deutlich. Heute ist es eben einfach, Wavelab-Collagen herzustellen, die nach klassischen Experimentalelektronik-Klangkunstinstallation klingen. Die Grenzen verwischen sich zusehends... Auf ein Fragment mehr oder weniger scheint es im Grunde kaum noch anzukommen. Ungeachtet aller Polemik entwickelt sich die vorliegende - auf einem Ausspruch von Heraklit basierende - Single sehr subtil und spannend. Eintümliche Sounds, Elektrogeblubber und verhalltes Glockenspiel, lassen ein geheimnisvolles Bild entstehen. Während eine Seite sehr zurückhaltend bleibt, mutiert die andere zusehends zur experimentierfreudigen Minimalcollage. Die Ukrainer Mare Internum kommen aus dem Umfeld von Oda Relicta und präsentieren „In Meditarivm“ auf weiß-marmoriertem Vinyl und mit mystischer Symbolik. Ihre dezente Ambientmusik entfaltet nahezu organisch anmutende Sphären, die sich langsam im Raum ausbreiten. Langsame Entwicklung und gelungener Einsatz von Subbass-Strukturen zeichnen diese prototypische Musik aus und erinnern an Robert Rich und das Cyclic Law Label. Marcus Stiglegger |
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