Neue Drones...

Drone Records haben sich als verlässliche Größe im Bereich ambienter und experimenteller Musik auf Vinyl etabliert und bieten auch im Winter 2004/05 eine ganze Palette faszinierender Klangwelten, die im Folgenden kurz vorgestellt werden sollen:

Herbst9

enenylyn

(Drone Rec. 2004) 7" EP

Ganz in weißem Vinyl gehalten ist die spannende schamanistische Ritualscheibe des deutschen Duos Herbst9, die mit ihren Loki-CDs bereits einen festen Hörerstamm erspielen konnten. Flächige, verhallte Hoch- und Tieffrequenzen (auf der einen Seite etwas an Vidna Obmana orientiert) ergänzen sich hier mit düsteren Schlägen, die an Steinschlag erinnern. Die natürliche Klangfärbung steht bei Herbst9 im Vordergrund, und in der Tat bauen sich mit mehrmaligem Hören visionäre Sequenzen auf, die den Wunsch nach einer viel viel längeren Laufzeit aufkommen lassen. Für Fans des Loki-Label ist die Single ohnehin ein Muss, sie bestätigt aber auch als eigenständiges Kunstwerk die Originalität dieses noch lange nicht ausgeschöpften Klangkunstprojekts.

Aidan Baker

Same River Twice / Some of my best friends are 3/4 water

(Drone Rec. 2004) 7" EP

Nimmt man die Dronesingle des Amerikaners Aidan Baker zur Hand, kommt angesichts des schimmernden Blaus eine schmerzliche Erinnerung an Coils Blue-Single auf, doch hier finden wir keine Experimentalelektronik, sondern eine durchweg von akustischen Instrumenten bestimmtes Klangbad, das Gitarre, Flöte und Perkussions mit bearbeiteten Sounds verschmilzt. Die an Philip K. Dick und Heraklit orientierten Titel „Same River Twice“ und „Some of my best friends are ¾ water“ gemahnen an die Surrealismen von Nurse With Wound. Baker sollte jedoch eher in der Tradition ritueller Klangwerker wie Jeff Greinke verstanden werden – als Suchender nach einer mit Worten kaum erfassbaren, pantheistischen Welt. Aidan Bakers Musik ist einfach nur magisch und schön...

Soleilkraast

Choresonic Preludes to a Dark Cycle

(Drone Rec. 2004) 7" EP

Dem rumänischen Philosophen E.M. Cioran hat das französische Projekt Soleilkraast die nun vorliegende Single „Choresonic preludes to a dark cycle“ gewidmet. Mit experimentellen Pianoklängen, bearbeiteten Sounds und Bassdrones entsteht hier eine faszinierende, vielschichtige Atmosphäre, die auch unabhängig vom intellektuellen Backgrund funktioniert. Highlight ist dabei Track 2 „Eesdaia“.

Cisfinitum

"VS"

(Drone Rec. 2004) 7" EP

Mit „Curve“ und „Curse“ präsentiert die russische Ambientformation zwei apokalyptische Soundtracks, die mit mechanischen, schweren Rhythmen und an Regen erinnernden concrètre-Sounds aufwartet. Hier atmet man den postindustriellen Geist einer Gesellschaft nah am Kollaps. Lange verhallen die klirrenden und dröhnenden Akzente, hinterlassen ein beklemmendes Gefühl. Mit Cisfinitum haben wir eine überzeugende Mischung aus Inade und Reutoff vor uns, von der man hoffentlich auch künftig noch einiges zu hören bekommt.

Dark-Ambient-Elektronik (Winter 2003)

No Xivic

untitled

(Drone Rec. 2003) 7" EP

Drone Rec. setzen ihre Reihe handgestalteter 7" EPs auf farbigem Vinyl mit dieser finnischen Debüt-Platte fort, die auf drei ungewöhnlichen Stücken halluzinogene und tranceartige Soundmalerien präsentieren. Manch einen werden diese programmatisch betitelten Stücke ("Chemicals", "Mushrooms", allerdings auf Finnisch) an die ruhigen Veröffentlichungen von Coil erinnern, die sich zweifellos auf ähnlichem Terrain bewegen. Doch No Xivic erarbeiten sich mit überraschenden Brüchen und Wendungen einen eigenen Klang. Das weiße Cover ist mit geometrischen Formen handbemalt.

Entrelacs

Cynorrodhon

(Drone Rec. 2003) 7" EP

In einem gefalteten Farbfoto der Cynorrodhon-Pflanze (bestempelt und nummeriert) präsentiert sich das Soloprojekt von Yannick Dauby und Michael Northam, die mit einer vielschichtigen Fieldrecording-Collage einen mikrokosmischen Klangraum erschaffen, der ebenso schillernd wie irritierend zurücklässt. Ausnahmsweise stehen hier eher helle Klänge im Mittelpunkt, werden nur selten von finsterem Grollen unterminiert.

C.D. (Christian Dergarabedian)

Un piano en la garganta

(Drone Rec. 2003) 7" EP

Die momentan spannendste Veröffentlichung aus dem Hause Drone Rec. bietet dieser Künstler aus Barcelona. Das Design ist schlicht und weiß, doch die EP hat es in sich: langsam, wellenartige Sounds entfalten sich hier, werden aber von Lärm-Irritationen gebrochen, was einen unberechenbaren, filmmusikartigen Effekt hat. Entwicklungen und Spannungsverhältnisse prägen das Bild, ein aufregendes Erlebnis.

Emerge

Relativity

(Drone Rec. 2003) 7" EP

Die Augsburger Emerge bieten düster-hallende Drones, die ihre musikalische Statik durch grandiose Covergestaltung wett machen: besprenkelte, beklebte und teilweise verbrannte Pappe umhüllt hier das fragile Vinyl. Für solche Veröffentlichungen wurde der Begriff Darkambient geprägt, und die Einzigartigkeit dieses Konzeptwerkes erinnert an die holistische Kunst alter Zoviet France-Scheiben.

[multer]

Schauzeichen

(Auf Abwegen 2003) 10" EP

Aus dem Umfeld der Industrial-'Handwerker' ABGS, eine Fieldrecording- und Metallschlagwerk-Band, haben sich die Elektroakustiker [multer] generiert, die auf dieser 25-minütigen 10" (in bestempelter Pappe) einen Einblick in ihr vielschichtiges Schaffen gewähren. Eine Seite bietet einen sehr langen düster-pulsierenden Track, dem man sich kaum entziehen kann: Technisch hervorragend produziert tritt hier eine bannende Klarheit ambienter Musik hervor, die in den beiden folgenden Stücken stilistisch noch erweitert wird: einmal fast in tanzbare Bereiche, dann aber auch mit hallenden, sachten Gitarrenexperimenten. Eine wirklich schöne Vinylscheibe, die in ihrer schlichten Gestaltung leicht übersehen werden könnte.

Cranioclast

Carl's On Acit

(Auf Abwegen 2003) 10" EP

Cranioclast haben bereits Ende der 80er Jahre mit konsequent gestalteten Schallplatten deutscher Ambientmusik ein prägnenates Gesicht verliehen: Fieldrecordings mit Stimmen, aber auch industrielle Klänge, Scharren, metallische Akzente flossen dort zu faszinierenden Collagen zusammen. Nach einer längeren Pause präsentiert die Gruppe, deren Titel stets aus den Buchstaben des Namens bestehen ("Carl's on Acit") einen erstaunlich rhythmischen Sound, in den sich erst allmählich die typischen Elemente eingliedern. Merkwürdige, fast dadaistische Texte klingen durch, ergänzt durch ein bizarres Coverfoto. Das wird manche alten Fans irritieren, doch die Scheibe verdient ein wiederholtes Hören. - Wer hier zweifelt, ist statt dessen mit [multer] bestens bedient...

:ms: