CINEMA OF DEATH - Underground Shorts 4 / 5 Sterne
Limited Edition of 2500 numbered copies Der heutige Begriff des Undergroundkinos leitet sich vor allem von den Filmen Kenneth Angers, Maya Derens, Stan Brakhages und natürlich Andy Warhols her. Von den 1950er Jahren an zeigte sich der Undergroundfilm fasziniert vom Komplex Sex & Tod - Thanateros. Im New Yorker Cinema of Transgression (Richard Kern, Nick Zedd und Lydia Lunch) tauchten diese Kontexte wieder auf, wurden mit Elementen von Post-Punk und Industrial Culture kombiniert. Aus einer Mischung dieser Traditionen besteht die nun vorliegende Kurzfilmsammlung CINEMA OF DEATH, die fünf mehr oder weniger aktuelle Beispiele dieser Art präsentiert. Bemerkenswert ist die Verfilmung eines erschreckenden Mordfalles aus Paris: ADORATION (Olivier Smolders, Belgium/1987) zeigt einen japanischen Studenten, der sich dabei filmt, wie er eine Kommilitonin erschießt, schließlich ihre Gliedmaßen abtrennt und Teile ihres Fleisches verzehrt. Dieser Kurzfilm, der ganz aus Sicht der Standkamera des Studenten gefilmt wurde und (fast) keinen Ton sowie zahlreiche Ellipsen aufweist, gehört zu jenen neueren Filmen zum Thema Kannibalismus, die den Akt des Menschenfressens als obsessive sexuelle Handlung darstellen. Die reduzierten Stilmittel lassen den Film umso überzeugender erscheinen - eine verstörende Etüde. Etwas mühsamer erscheint DISLANDIA (Brian M. Viveros, USA/2005), in dem wir mittels unterschiedlichster Filmmaterialien das Innenleben eines isolierten kleinen Mädchens erkunden. Hier ist nicht nur die Varianz an Ausdrucksmitteln erstaunlich, sondern vor allem die komplex gestaltete - wenn auch fragile - Tonspur. Ein visionärer, langsamer Film. Direkte Bezüge zur Industrial Culture finden wir in
PIG (USA 1999). Der amerikanische Gothicrock-Sänger Rozz Williams
ist vor allem durch die Gründung der legendären Szenebands Christian
Death und Shadow Project zur Szenelegende geworden, einen zusätzlichn
musiklaischen Output lieferte er mit dem Industrial-Noise-Projekt Premature
Ejaculations. Sein tragischer Selbstmord im Jahre 1997 schien diesen Status
auf makabre Weise zu bestätigen. Zu seinem Vermächtnis zählen
auch die Aufnahmen zu diesem zutiefst persönlichen filmischen Albtraum,
den Williams zusammen mit dem holländischen Filmemacher und Cult-Epics-Labelchef
Nico B. umsetzte. Nach dem Tod seines Ko-Regisseurs und Hauptdarstellers
machte sich Nico B. daran, das vorhandene Material nach den Vorstellungen
des toten Freundes zu montieren, woraus ein beklemmender, dem harten New
Yorker Cinema of Transgression nicht unähnlicher Film entstand. Es folgt der kurze, eher experimentelle HOLLYWOOD BABYLON (Nico B, USA/2000), eine düster-körnige Hommage an Kenneth Angers gleichnamiges Buch und die begleitende Ausstellung im Los Angeles Museum of Death. Untermalt von dronigen Industrial-Klängen bekommen wir Todesbilder vergangener Hollywood-Ikonen vorgeführt. Sehr starke Nerven erfordert schließlich LE POEM (Bogdan Borkowski, France/1986): Hier können wir zu einer realen Autopsie der Leiche eines alten Mannes das impulsiv vorgetragene Gedicht 'Das trunkene Boot' von Arthur Rimbaud hören. Dieses beklemmende Spiel mit der Banalität und zugleich Poesie des Todes bildet den passenden Abschluss dieser kleinen Sammlung von 'Kino des Todes'. Das Bonusmaterial besteht aus fünf extremen Kunstpostkarten sowie einführenden Worten der Regisseure. Man hätte sich zusätzlich noch das Material der vergiffenen Single-Disc von PIG gewünscht. Aber auch so sind die Filme auf dieser DVD eine Entdeckung wert. Man wird ihnen sonst kaum begegnen... Marcus Stiglegger |
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