Cindytalk

Hold Everything Dear

Label: Editions Mego
Format: 2LP, CD
Veröffentlichung: 2. August 2011

Mit „Hold Everything Dear“ veröffentlicht Gordon Sharp alias Cindytalk das letzte Album einer 2009 begonnenen Trilogie. Genau wie „The Crackle of My Soul“ (2009) und „Up Here in The Clouds“ (2010) steht auch das Abschlusswerk im Zeichen der klanglichen Abstraktion. Neben Drones, und schwebenden Synthesizer-Arrangements finden vor allem Field-Recordings, aber auch Piano-Fragmente haben ihren Platz in den zurückhaltend-fragilen Kompositionen. Der Titel des Albums „Hold Everything Dear“ ist dem gleichnamigen Roman von John Berger aus dem Jahre 2007 entlehnt. Gordon Sharp hat sein Album Berger und dem 2008 verstorbenen Matt Kinnison gewidmet, der selbst langjähriges Cindytalk Mitglied war und auch auf dem vorliegenden Album mitgewirkt hat.

Mit dem Track „How Soon Now...“ beginnt das Album. Zunächst sind überlagerte Aufnahmen von Kinderstimmen zu hören, deren Sprache jedoch nicht entzifferbar ist. Dann ertönen gleißende Synths, Drones und fernöstliche Glocken. In einem ruhigen, fast schleichenden Arrangement wird der Hörer so aus dem Alltag entführt und auf das Album vorbereitet. Aus dem Hintergrund tritt langsam eine Klaviermelodie hervor, die die anderen Elemente ablöst und Nick Caves Soundtracks zu den Filmen „The Proposition“ und „The Assassination of Jesse James...“ ins Gedächtnis ruft. Diese Melodie wird an einigen Stellen des Albums leitmotivisch wiederkehren, doch zunächst von einem Motorenrauschen verdrängt. Schon hier wird klar, dass es Cindytalk perfekt verstehen zwischen den Genres zu variieren und gekonnt Post-Industrial, Experimental und Ambient miteinander zu verschmelzen. Die Vielseitigkeit des Albums bleibt auch den folgenden 11 Stücken immanent und so formen die verfremdeten Field-Recordings, die noise-inspirierten Klangflächen und die vereinzelten Melodie-Versatzstücke eine homogene und in sich geschlossene Gesamtstruktur. Die Dramaturgie spannt hierbei einen albumübergreifenden Bogen und verliert sich nicht zwischen den Stücken.

In seiner Atmosphäre atmet „Hod Everything Dear“ eine gewisse Ruhe, die durch die dezenten Glockenarrangements und andere subtile Pecussions transportiert wird und mehrmals in Momenten vollkommener Stille eine fast sakrale Dimension erhält. Hinzu kommt die elegische Klaviermelodie, deren wenige Noten sich im Gedächtnis des Hörers einbrennen. Auch nach ihrem Verstummen überstrahlen sie die nächsten Minuten und wirken somit auch auf die düstern Passagen des Werkes ein, die wie in „From Rokko-San“ durch schwere Drones und Folter-Keller-Ästhetik gekennzeichnet sind. Diese Brechungen die auch im nächsten Stück durch kratzende Störgeräusche fortgeführt werden, tragen jedoch als Gegenpol dazu bei, den sakralen Charakter des Werkes und die tabuisierte Seite, die allem Heiligen immanent ist, hervorzubringen.

„Hold Everything Dear“ ist ein herausragendes Album das sich zwischen den Genre-Grenzen bewegt und deren spezifische Klischees stilsicher umschifft. Auch als Würdigung für den verstorbenen Matt Kinnison, der schon bei Cindytalks erstem Werk „Camouflage Heart“ (1984) bei einem Song mitwirkte, stellt diese Platte ein würdiges Epitaph dar. Das passende Cover vollendet dieses von Editions Mego veröffentlichte Werk angemessen. Für alle an experimenteller Musik interessierten Hörer sollte „Hold Everything Dear“ eine echte Bereicherung darstellen!

Patrick Kilian