Ritualmusik und Ambient Winter 2004/2005

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Autoaggressor

Grüne Sphäre

(demo CDr 2004/2005)

Implosion

Realitätsverlust

(CDr 2005) 4 Tracks

Aus Berlin kommen diese beiden aktuellen Demos eines anonymen Klangkunstprojektes, das mit Autoaggressor die darkambiente und rituelle Seite auslebt und mit Implosion durchaus auf die Industrialtanzflächen schielt. Das ist in beiden Fällen sehr ansprechend und ästhetisch eigenständig. Die atmosphärische und monumental lange CD "Grüne Sphäre" ist zudem dem verstorbenen Coil-Mastermind John Balance gewidmet, dessen spacig-beklemmender Sound hier durchweg Pate gestanden hat. Interessant ist diese Musik auch im Zusammenhang mit dem Autoaggressor-Mainfest, das man auf der Homepage nachlesen kann, und das eine eigenwillige , selbstzerstörerische Innensicht vorschlägt, die sich wiederum in den Strukturen der Musik reflektiert.

Implosion dagegen orientieren sich mit ihrem dumpf pulsierenden und von beängstigenden Flächen untermalten Ritualrhythmussound an den späten Espledor Geometriko, was gut funktioniert und gegen Ende hin soundtrckartigen Passagen weicht. Aber stumpfes Ant-Zen-Gehämmer muss man hier nicht befürchten. Wie auch Autoaggressor ist diese CD im bedruckten und ansprechend designtem Faltkarton verpackt. Weiterführende Informationen finden sich auf den angegebenen Homepages:

MaNic

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Zoät-Aon

Star Autopsy

(Aural Hypnox 2005) CD 9 Tracks

Wie auch die vorangehenden, liebevoll verpackten CDs des finnischen Labels Aural Hypnox ist auch dieses neue Werk der Ambientakustiker Zoät-Aon ganz der Beschwörung pantheistischer und animistischer Naturenergien verschrieben. Die Welt als Teil des Universums, der Mensch als Medium stellarer Energieflüsse... Das aufklappbare Pappcover funktioniert mit den kontrastreichen schwarzsilbernen Motiven fast wie eine Sammlung von Evokationskarten, die im Kontext der Musik die Phantasie des Hörers lenken können. "Star Autopsy" ist ein einnehmendes, leicht bedrohliches, immer aber vielschichtiges Hörerlebnis, ein erhabenes Erlebnis von weltanschaulicher Dimension, wenn man sich auf die Wechselwirkung von Klang und Bild einlässt. Bilder wie aus Filmen Kenneth Angers (LUCIFER RISING) entstehen vor dem inneren Auge. So soll Darkambient- und Ritualmusik sein: jenseits der fasslichen und weltlichen Kategorien, magisch und eigenständig. Für Fans dieses Genres ein absolutes Muss. (Erhältlich über Tesco Org.). Alex D.

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Scivias

Stong-pa-nyid

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(Eis & Licht 2004) LP 33 Min.

Die ungarische Band Scivias ist ebenso wenig musikalisch berechenbar wie sich ihre Themen und Konzepte leicht erschließen. Nach einigen Sampler-Beiträgen wurden Scivias vor allem über die Eis & Licht-CD "...and you will fear death not" definiert, auf der sie sich mit dem vergangenen japanischen Kaiserreich auseinandersetzten. Trotz der meist verwendeten ungarischen Vocals und Texte schafft die Band das Kunststück, ihr Anliegen über musikalische Strukturen, Stimmungen und klangliche Texturen zu vermitteln. Dabei bedienen sie sich sowohl folkloristischer als auch ritueller, ambienter wie auch noisiger Versatzstücke.

Die nun vorliegende LP basiert auf Texten des buddhistischen Mönch Milarepa (siehe auch den Film von Liliana Cavani) und wagt eine musikalische Annäherung mittels konventioneller Musik (Bass, Drums, Keyboards) wie auch buddhistischer Ritualinstrumente (Knochentrompete, Ritualglocke usw.). Der wesentliche Text ist auf dem Cover in Englisch und Ungarisch abgedruckt.

In letzter Zeit ist ernsthafte Ritualmusik rar gesät. Meist dient der rituelle Aspekt eher als Manierismus konventioneller Ambientwerke, doch auf dieser schön gestalteten LP fließen Intention, Textebene und Musik zu einem faszinierenden Ganzen zusammen, schaffen letztlich einen intensiven Einblick in eine zutiefst spirituelle Gedankenwelt. Der musikalische Bogen wird ähnlich weit gespannt wie auf der vorangehenden CD. Scivias bedienen sich hier zunächst tranciger, ambient-elektronischer Elemente, die von Ferne an Coil erinnern mögen, steigern sich aber über stampfende Drums und noisigen Bass zu einem Soundwall, wie man ihn allenfalls von den ekstatischen Experimenten des Constellation-Labels (u.a. Godspeed You! Black Emperor) kennt. Die sich langsam ausbreitende 'glimmende' Finsternis erinnert an bekannte Aufnahmen tibetanischer Ritualmusik, ohne diese einfach zu kopieren oder zu sampeln.

Mit "Stong-pa-nyid" präsentieren Scivias ein reifes, eindringliches und technisch vollkommen überzeugendes Werk spirituell motivierter Ritualmusik. Hervorragend!

:ms: