WILD BEASTS
Label: Camera Obscura
Genre: Tierhorror
Regionalcode: 2
Produktionsjahr: 1984
Produktionsland: Italien
Lauflänge: 88 Min.
Regie: Franco Prosperi
Bild: 1.66:1, 16:9 Anamorphic Widescreen
Ton: Italienisch, Englisch, Deutsch (Dolby Digital 2.0 Stereo)
Untertitel: Englisch, Deutsch
Extras:
Featurette „Prosperi Uncaged“ mit Franco Prosperi
Featurette „Bruschini Goes Wild“ mit Filmhistoriker Antonio
Bruschini
Italienischer Trailer
Foto-Galerie
Booklet „Nature's Revenge“ von Marcus Stiglegger
„Kann die Natur verrückt spielen?
Können aus woran auch immer erkrankten Tieren blutrünstige Mordbestien
werden? Kann die Natur Rache nehmen? Die Antwort lautet Ja.“
Mit diesen Worten beginnt ein Vortrag auf dem Kongress „100
Jahre Darwin“ in Franco Prosperis WILD BEASTS, und so trivial die
Fragen anmuten mögen, treffen sie doch den Kern von Prosperis Vision
einer Welt, die sich nach jahrhundertelanger Ausbeutung der Natur plötzlich
mit tödlichen Konsequenzen ihres arroganten Verhaltens konfrontiert
sieht: Durch PCP-verseuchtes Trinkwasser einer im Film namenlosen Großstadt
mutieren sowohl Tiere des Zoos als auch domestizierte Vierbeiner binnen
einer Nacht zu wahren Ungeheuern auf der Jagd nach Beute. Besser wäre
vielleicht zu sagen: In dieser Nacht erhalten sie ihre ursprünglichen
Verhaltensmuster und naturgegebenen Triebe zurück, die ihnen durch
Zähmung, Züchtung und Gefangenschaft genommen wurden.
Nachdem sie ihre bewachenden Wärter zerfleischt haben,
gelingt es einer Gruppe Raubtiere (Löwen, Tiger, Geparde) des städtischen
Zoos aus dem umzäunten Gelände zu entkommen und in die Innenstadt
zu gelangen. Zu ihnen gesellen sich eine Horde wild gewordener Elefanten,
Rinder, ein Eisbär und eine aggressive Schar blutdurstiger Kanalratten.
Scheinbar unaufhaltsam entfachen sie Chaos, Panik und Tod in der Metropole.
Der Veterinärmediziner Rupert Berner (John Aldrich) nimmt daraufhin
mit seinem Freund Inspektor Nat Braun (Ugo Bologna) die Verfolgung der
entflohenen Tiere auf, denn auch Berners Freundin, die Biologin Laura
Schwarz (Lorraine De Selle), befindet sich unter den potentiellen Opfern.
Prosperi ist ein Dokumentarfilmer und kann auf eine Reihe
berühmt-berüchtigter Werke zurückblicken (u.a. MONDO CANE,
AFRICA ADDIO, ADDIO ZIO TOM – alle gemeinsam mit Gualtiero Jacopetti).
Diese filmische Herkunft verschleiert er auch nicht in WILD BEASTS, dessen
Herzstück gerade die vielen naturalistischen Aufnahmen sind, mit
denen Prosperi seine fiktive Dystopie würzt. Darunter fallen ganz
besonders die Tieraufnahmen, die – On-Location gedreht – einige
denkwürdige Szenen beinhalten. Die berühmteste ist dabei wohl
die Verfolgung eines PKW's durch einen Geparden über eine nächtliche
Straße mitten in der City. Aber auch die enorme Menge Ratten, von
der die Frankfurter Kaiserstraße belagert wird, weist in ihrer Präsentation
– u.a. durch den Einsatz von Handkamera – einen unangenehmen
Realismus auf. Leider schließt der dokumentarische Rahmen auch die
für den Exploitationfilm damaliger Jahre nicht unübliche Unsitte
von Tier-Snuff-Szenen mit ein; indiskutable Aufnahmen, die größtenteils
dem niedrigen Budget geschuldet sind.
Im Gegensatz zum naturalistischen Grundtenor des Films
steht die z.T. belustigende Arbeit mit Tierkostümen und Prothesen.
Bärenpranken, Elefantenrüssel, Tatzen und Füße –
deutlich als Maskerade zu erkennen – bieten dabei durchaus unfreiwilliges
Spaßpotential für nostalgische Exploitationsanhänger.
Dennoch sind es weder diese naiv-charmanten Einlagen noch das bekannte
Thema, – durch die Missachtung seiner Umwelt richtet sich der Mensch
letztlich selbst zu Grunde –, sondern es sind die Berührungspunkte
mit Dokumentation, die WILD BEASTS in Erinnerung bleiben lässt und
die auch über das Maß ähnlicher Genrebeispiele hinausweist.
Wenn die Löwen sich beim gierigen Fressen der erlegten Beute gegenseitig
verjagen und angreifen, so ist dies echt und lässt den Zuschauer
erahnen, welch unbändige Kraft und Gefahr in diesen Tieren schlummert.
Franco Prosperis Öko-Horror WILD BEASTS ist sein letzter
Film und war in den achtziger Jahren lediglich als gekürzte VHS-Version
zu erwerben. Seine digitale Premiere als deutsche Uncut-Version feiert
er nun in der Italian Genre Cinema Collection No.7 von Camera Obscura.
Angefangen beim schönen Old-School-Covermotiv über die hervorragende
Bild- und Tonqualität bis hin zum umfangreichen Bonusmaterial liegt
der Film hier in seiner besten Veröffentlichung vor.
In einem Interview berichtet der Regisseur persönlich
vom Dreh. Seine zahlreichen Anekdoten über Schwierigkeiten bei der
Drehortsuche und nicht ungefährliche Zwischenfälle bei der Arbeit
mit den wilden Tieren wirken so frisch, als hätte er sie gestern
erst erlebt. Die wichtigsten Hintergrundinformationen werden in diesem
Eye-to-eye mit Prosperi ausführlich zur Sprache gebracht.
Daneben bietet der zweite Hauptpunkt der DVD-Extras eine Stellungnahme
des kürzlich verstorbenen Filmhistorikers Antonio Bruschini, der
einige weitere, eher objektive Hinweise über Prosperi und seinen
Film liefert.
Die besondere Beigabe dieser Veröffentlichung ist
aber das Booklet von Filmwissenschaftler Marcus Stiglegger. „Nature's
Revenge“, so der Name des Heftes, schlägt in seiner Beschäftigung
mit dem Tierhorror-Genre eine Brücke von der Literatur zum Film,
nennt die wichtigsten Eckpfeiler und eröffnet ganz nebenbei eine
längst überfällige Diskussionsgrundlage für dieses
von der Forschung bislang vernachlässigte Subgenre.
Die vorliegende Veröffentlichung dieses Klassikers
könnte nicht besser sein. Im Kontext der IGCC des Labels und für
das gesamte Genre ist WILD BEASTS ein echtes Glanzstück. Für
Fans von Tierhorror und Exploitationfilmen mit achtziger Jahre-Flair ist
diese DVD ein absoluter Pflichtkauf.
Kai Naumann
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