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The Substance. Albert Hofmann’s LSD
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Regie: Martin Witz
Kamera: Pio Corradi
Musik: Marcel Vaid
Länge: 93 Min
Bildformat: 1.85:1
Ton: Mehrsprachig DD 5.1, Untertitel: Deutsch
Der Film „The Substance. Albert Hofmann’s
LSD“ ist eine turbulente Reise durch die letzten fünfzig Jahre
und zeigt die Geschichte einer Droge zwischen Psychiatrie, Kaltem Krieg
und Summer of Love. 2011 war die Doku im Kino, jetzt kommt der Streifen
über die Trips auf DVD.
„Ein Chemiker, der nicht ein Mystiker ist, ist kein
richtiger Chemiker“ – Mit diesen Worten blickt der Schweizer
LSD-Entdecker Albert Hofmann im Alter von 100 Jahren auf sein Leben zurück.
Mit der Mystik stand LSD seit je her in Verbindung, nicht zuletzt die
Entdeckung eines heiligen Pilzes in Mexiko mit chemisch ähnlichem
Wirkstoff bewirkte diese Verbindung und adelte die Wunderdroge mit der
Aura des spirituell-transzendentem. Dabei begann die Geschichte anderswo:
Im Land der Schokolade und Kräuterbonbons entdeckte Hofmann 1943
durch Zufall – wie so häufig im Labor – einen Wirkstoff
mit außergewöhnlichem Effekt. Gleich nach dem Ende des Zweiten
Weltkrieges begann die Erfolgsgeschichte der farblosen, geruchlosen und
geschmacklosen Substanz. Zunächst als Medikament in der Psychiatrie
im Einsatz, fand der neue Wirkstoff wenig später einen ungewöhnlichen
Interessentenkreis bei der CIA. Als Wahrheitsserum sollte LSD zum Einsatz
kommen, die Persönlichkeitsstruktur verändern und wurde schließlich
sogar von der Army für einen „psycho-chemical-warfare“
in Betracht gezogen, um den Gegner zu demoralisieren – ja wahnsinnig
zu machen. Wegen zu großer Sicherheitsbedenken wurde dieser Plan
jedoch schlussendlich aufgegeben. Nach seiner Zeit als medizinisches Psychopharmaka
gelangte die Droge dann in die Hände der aufkeimenden Jungend- und
Protestbewegung der 1960er Jahre und erlebte dort ein großes Comeback.
Die Hippies verehrten den auf Zuckerwürfeln oder Löschpapier
aufgebrachten Wirkstoff und feierten mit Acid Tests und dem Harvard-Psychologen
Timothy Leary als ihrem Hohepriester den Kampf gegen das Establishment.
Neben dem Rausch verbanden sie damit auch eine Art Heilkur für die
amerikanische Gesellschaft und erhoben LSD zum Medikament der gesamten
Nation – ganz hatte sich LSD von seinen medizinischen Ursprüngen
also nicht zu lösen vermocht. Und auch die Demoralisierungsphantasien
des US-Militärs erfüllten sich so auf nicht vorhergesehene Weise
und lähmten die Wut der Jugend in kaleidoskopesquen Träumen.
Der Schweizer Regisseur Martin Witz hat dem Phänomen
LSD nun einen Dokumentarfilm gewidmet. „The Substance“ lief
2011 über die Leinwände, gewann zahlreiche Preise und erscheint
nun am 16.11.2012 bei dem Kölner Dokumentar-Label Mindjazz Pictures
auf DVD. Der Film ist eine kluge kulturhistorische Montage, reich an Archiv-Bildern,
Zeitzeugen-Interviews und fundiert recherchiert. Ein unaufdringlich-atmosphärischer
Soundtrack führt den Zuschauer durch die 90minütige Collage
vom Labor eines Pharmakonzerns über die Geheimlabors der Geheimdienste
bis zu den ebenfalls geheimen Acid-Küchen der Gegenkultur. Witz nähert
sich seinem Thema chronologisch, verfolgt es durch die Zeiten und ihre
unterschiedlichen Sichtweisen auf diese vielgestaltige Molekularstruktur.
Es gelingt ihm dabei einen folgenschweren Fehler zu vermeiden: Er legt
sich nicht darauf fest, was LSD nun genau ist.
Im Ausblick zeigt der Film aktuelle Anwendungsgebiete
in Hirnforschung und Krebstherapie, die deutlich machen, dass LSD nie
nur Droge war, sondern historisch zwischen Medikament, Sakrament, Kampfstoff
und nicht zuletzt Rauschmittel hin und her schwankte. Anders als ein visueller
Trip ist der Film eine kritische Auseinandersetzung auf Distanz, und so
darf Learys LSD-Slogan: „Turn on, Tune in, Drop out!“ ohne
Angst vor Nebenwirkungen auf „The Substance“ angewandt werden
– ein echtes Doku-Highlight. Auf Extras verzichtet die Veröffentlichung
konsequent und liefert auch keine Doku über die Doku, wie dies mittlerweile
eigentlich zum guten Ton der Paratexte des Films gehören würde.
„The Substance“ steht für sich allein und hat dafür
allerdings auch ausreichend Gehalt bzw. Substanz – große Empfehlung!
Patrick Kilian
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