Sopor Aeternus

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Children of the Corn

(Trisol 2011) CD 7 Tracks

Sopor Aeternus - dieser Schmetterling hat viele Metamorphosen durchlaufen. Doch er ist immer eines geblieben: unwiderstehlich Gothic. Getrieben von einer traumatisch erlebten Zweigeschlechtlichkeit entfalten sich auf den singulären Werken der Künstlerin Anna-Varney zerquälte Lyrics, Motive der Butho-Ästhetik und eine melodiöse Geste von fast mittelalterlichem Pathos. Zumindest gilt das für die stärksten Werke von Sopor Aeternus, denn es gab auch Ausflüge in elektronische und rockige Gefilde, die einen eher Streitbaren Gothic-Pop kultivierten.

Das neue Album "Children of the Corn", der letzte Teil der gespenstischen Trilogie "A Triptychon of GHOSTS", gehört zum Besten, was Anna-Varney je komponiert hat, und das bedeutet durchaus eine Rückkehr zu den Anfängen und eine Neugeburt. Sopor Aeternus ist ein Kind der Gothic-Kultur der späten 1980er Jahre, als man helden wie Rozz Williams oder Carl McCoy wie Philosophen verehrte und Ironie ein Fremdwort war. Gothic war ein Ausdruck von existenziellem Schmerz, und Sopor Aeternus hat diese früh genau so kultiviert.

Es gleicht einer merkwürdigen Logik, dass Titel und Artwork des neuen Albums an diese Zeit ebenfalls anknüpfen: an Stephen Kings Horrorgeschichte über den, "der hinter den Reihen wandelt", eine destruktive Korngottheit, der Kinder Menschenopfer darbringen; an die eher trashige Filmreihe des Titels; an die Horrorcomics mit ihrer kruden Metaphorik - die Sichel ist das Symbol des allpräsenten Schnitters, und wir wissen nicht, ob sich die Künstlerin mit ihm identifiziert oder vor ihm flüchtet.

Diese Ambivalenz zwischen Bosheit und Furcht durchzieht das ganze Album, das vor allem eines bietet: herzzerreißen schöne Melodien, Spinett, Dulcimer, Glockenspiel, Streicher und eine klare androgyne Stimme, die immer wieder ins Schräge und 'Hässliche' abkippen kann. Selten ist dieses Konzept besser umgesetzt worden als in dem Titelstück, zu dem auch ein gelungener Videoclip existiert: "Children of the Corn" - einschmeichelnd, verführerisch, obszön, unheimlich.

Aller Skepsis zum Trotz: das neue Sopor Aeternus-Album, einmalig präsentiert im Jutesäckchen mit Metallsiegel und im gebundenen Buch, ist ein kleines Monument einer vergangenen Ära des Gothic, als diese Musik noch Ausdruck authentischen Leids war und ebenso gelebt wie erlitten werden musste.

Marcus Stiglegger