Aktuelle Filmbücher 2005
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Julia Bochnig
"Von der großen Sehnsucht zu fliehen"
Die Filme von Julio Medem
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Gardez! Verlag 2005, 112 Seiten, sw Fotos
Wenn sich ein europäischer Autorenfilmer neben
Francois Ozon in den letzten Jahren einen Kultruf in den Programmkinos
erarbeitet hat, dann der Spanier Julio Medem, dessen LIEBENDE DES POLARKREISES,
TIERRA und LUCIA UND DER SEX aus dem publikumswirksamen Repertoire nicht
mehr wegzudenken sind. Längst überfällig erscheint es also,
eine Monografie zu diesem Künstler herauszubringen. Die von dem Mainzer
Filmwissenschaftler Thomas Koebner herausgegebene Reihe ist für einige
Überraschungen gut, und auch dieser kleine Band über Medem erreicht
unvermittelt aber wie bestellt den Buchmarkt.
Knapp und verständlich umreißt die Autorin Julia
Bochnig hier die Situation des spanischen Autorenfilms, beschreibt Medems
Werdegang und widmet sich schließlich ausführlich einer Analyse
seiner formalen und inhaltlichen Motive. Die verschachtelten Erzählstrukturen
werden ebenso gewürdigt wie die enge Verknüpfung von Mensch
und Raum, von Landschaft und Individuun. Vor allem in seinen populären
Filmen verschmelzen Phantasie und Realität, Vergangenheit und Gegenwart
und münden in einen im gegenwärtigen Kino seltenen 'magischen
Realismus' - geprägt von unzeitgemäßen Animismen und Mystizismen.
Gelungen isolierte Filmfotos illustrieren die nachvollziehbaren Analyse
und belegen einmal mehr, wie wichtig solche Abbildungen für Filmliteratur
sind - fallen sie doch häufig weg aufgrund finanzieller Belastungen.
Für Fans des europäischen Kunstkinos sowie
des Regisseurs ist dieses Buch eine gelungene und schwer verzichtbare
Annäherung. Filmtheoretisch ambitionierteren LeserInnen wird die
bewusst konservative hermeneutische Herangehensweise der Autorin etwas
einfach vorkommen. Strukturalistische und andere theoretische Seitenblicke
werden hier nicht vorgenommen. Statt dessen überlebt in solchen Büchern
der klassische Geniekult - mit dem Wort des Künstlers selbst als
letzte Instanz.
Marcus Stiglegger
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Petra Rehling
Schöner Schmerz
Das Hongkong-Kino zwischen Traditionen, Identitätssuche
und 1997-Syndrom
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Mainz: Bender Verlag 2002/2005 (2. überarb.
Aufl..
Petra Rehling widmet sich mit den wundervoll betitelten
Buch Schöner Schmerz einem nicht gerade unpopulären Thema der
jüngeren Filmpublizistik: dem Hongkong-Kino. Immerhin gibt es schon
Umrads Film ohne Grenzen, das wohl auch weiterhin als Referenz dienen
muss, doch die Sinologin und Kulturwissenschaftlerin gewinnt dem Komplex
neue Aspekte ab.
Sie leitet die Produktionsbedingungen und Filmtraditionen
der Stadt aus der Soziologie und Geschichte her, wobei sie ein profundes
Wissen in Bezug auf historische aber auch filmgeschichtliche Fakten beweist.
Die Autorin muss wochenlang durch die Videotheken gestreift sein, wovon
die massive Palette der thematisierten Filme zeugt. Auch vor drastischer
Expolitationware schreckte sie nicht zurück, sondern nutzt vergleichbare
Filme (z.B. THE BEASTS, CLOSE ENCOUNTERS), um auf die Moralität und
die Tradition der Kultur Rückschlüsse zu ziehen. Auch die Geschlechterverhältnisse
werden im letzten Teil einer eingehenden Betrachtung unterzogen, wobei
eine auffällige Doppelmoral im Hongkong-Kino durchschimmert.
Natürlich kommen die bekannten Stars der Region
nicht zu kurz: John Woo, Tsui Hark, Wong Kar-Wai, Jackie Chan uva. tauchen
immer wieder auf. 2005 ist dieses bereits
etablierte Filmbuch in einer erheblich verbesserten Neuauflage erschienen.
Fotoqualität und Layout wurden auf den neusten Stand gebracht - und
im Anhang finden wir nun farblich abgesetzt eine Hongkong-Chronologie.
Das inhaltlich ohnehin kompetente Werk glänzt nun umso mehr in der
immer ärmer werdenden deutschsprachigen Filmliteraturlandschaft,
die zwar nicht quantitativ, aber doch qualitativ deutlich abbaut...Fazit:
Für den Fan des Hongkong-Kinos schwer verzichtbar.
Marcus Stiglegger
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