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DER LANGE WEG ANS LICHT
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Kinder kriegen ist eine komplizierte Sache. So einfach
der erst Schritt, die Zeugung, vielleicht scheinen mag, so schwierig und
umfangreich ist dann aber der weitere Weg. Und das hat nicht nur mit den
ganzen Anschaffungen und Vorsorgungen für den neuen Erdenbürger
zu tun, es geht vor allem auch um die Frage der richtigen Geburt. Im Zeitalter
von Angebotsüberfluss und allseitigem Mangel an Personen, um das
entsprechende Angebot wahrzunehmen, hat auch die gesundheitliche „Babybranche“
zu kämpfen. Ärzte und Hebammen buhlen um die Gunst der Schwangeren
in der Hoffnung, sie mögen sich für den nach ihrer Meinung besten
Weg der Geburt entscheiden.
Um diesen Wettkampf dreht sich Douglas Wolfspergers Dokumentarfilm
„Der lange Weg ans Licht“. Im Mittelpunkt steht die Meeraner
Hebamme Edeltraut Hertel, die eine bewegte und durchaus interessante Lebensgeschichte
aufzuweisen hat: in der DDR als Christin aufgewachsen, recht spät
zum Beruf der Hebamme gelangt und inzwischen auch in Tansania tätig.
Schnell zeigt sich, dass diese Frau einer Berufung folgt und vielmehr
in ihrer Tätigkeit sieht, als nur Kindern auf die Welt zu helfen.
Ihr gegenüber stellt Wolfsperger die Ärzte eines sächsischen
Krankenhauses. Sie versuchen, mit einer optimalen, fast luxuriösen
Ausstattung und Zusage medizinischer Sicherheit die werdenden Eltern für
sich zu gewinnen.
Der Ansatz ist vielversprechend, er thematisiert vor allem
die Ideologie, die hinter den verschiedenen Geburtsmöglichkeiten
steckt: Eine traditionelle Hausgeburt wird der überwachten Niederkunft
im Krankenhaus gegenübergestellt. Damit sind ganze Denkweisen verbunden,
die jeweils Hebamme und oder die Ärzte vertreten. Geht es in einem
Fall um eine möglichst natürliche Art, das Kind zur Welt zu
bringen und die werdenden Eltern auf dem weg dahin persönlich zu
betreuen, steht im anderen die Möglichkeit, bei Komplikationen medizinisch
einzugreifen und damit größtmögliche Sicherheit zu bieten,
im Vordergrund.
Dieser Konflikt hätte Stoff genug für einen Dokumentarfilm
hergegeben, zeigt sich hier doch ein Konflikt, der schon lange zu schwelen
scheint, aber kaum öffentlich diskutiert wird. Dem Regisseur scheint
das aber nicht auszureichen. Er fügt noch weitere Themen hinzu: Das
Problem des ost- und gesamtdeutschen Geburteneinbruchs, die Abwanderung
in die alten Bundesländer, die DDR-Vergangenheit der Ärzte,
die kulturellen Unterschiede zwischen Tansania und Deutschland. Darin
liegt auch das Problem des Films. Er macht zu viele Fässer auf, anstatt
sich auf ein oder zwei Geschichten zu konzentrieren. Dadurch wird er unübersichtlich
und zerfasert. Die Grundidee des Filmes, zu erörtern was es heißt,
ein Kind auf die Welt zu bringen, verliert Wolfsperger durch die vielen
Perspektiven irgendwann aus den Augen. Sicherlich gehören diese vielen
Aspekte auch dazu, und doch können sie nicht alle in einem Film erzählt
werden. Der Regisseur scheint vor dem Paradigma der Auswahl zurück
geschreckt zu sein, sodass er schließlich zu viele verschiedene
Geschichten in seinem Film unterbringt. Was er dem Zuschauer in seiner
Quintessenz sagen möchte, verliert sich in einer ziellosen Aneinanderreihung.
Noch schwerwiegender wirkt allerdings die Positionierung
des Regisseurs. Diese steht von Beginn an fest zu und färbt alle
Aussagen seiner Gesprächspartner entsprechend ein. An sich ist dies
eine filmische Gegebenheit; Wolfsberger aber setzt sie so offensichtlich
und unironisch ein, dass man als Zuschauer schnell den Spaß daran
verliert. Während die Hebamme viel selbst erzählt, sympathisch
und glaubwürdig präsentiert wird, erscheinen die Ärzte
durch die Art und Weise, wie sie als Hobbygärtner kauzig in Szene
gesetzt und ihre Aussagen dramaturgisch entgegenlaufend an die der Hebamme
montiert werden, als geldversessene, leicht einfältige und manchmal
peinliche Herren. Als dann noch das Gespräch auf die DDR-Vergangenheit
der beiden Doktoren hinausläuft, hat Wolfsperger der Objektivität
endgültig abgeschworen.
Ein Portrait oder ein verschmitzter Blick ist dies nicht
mehr, sondern die filmische Spiegelung einer vorgefassten Meinung. Daran
können auch die ohnehin wenigen Extras der DVD nichts ändern.
Ein paar entfallene Szenen, die zu recht nicht im Film auftauchen, hätten
diese unausgegorene Dokumentation auch nicht mehr komplettiert. Filmemachen
scheint noch komplizierter als Kinderkriegen zu sein.
Von Susan Noll, 22.11.2008
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