Extra Life
Made Flesh
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Label: LOAF Recordings
Format: CD, Vinyl
Veröffentlichung: März 2010
Hinter dem Projekt Extra Life verbirgt sich der Komponist Charlie Looker,
der sich in der Vergangenheit vor allem durch seine Zusammenarbeit mit
der No-Wave Band Zs einen Namen gemacht hat. Mit „Made Flesh“
legt er nun sein zweites Album mit seiner eigenen Gruppe vor. Im direkten
Vergleich zu den sehr noise-orientierten und abstrakten Zs Kompositionen
wirkt das Album vermeintlich klassisch und pop-affin. Nach intensivem
Hören muss dieser Eindruck allerdings empfindlich korrigiert werden.
So mischt Looker nämlich wild Neofolk mit Postpunk, mittelalterliche
Melodieführungen mit Noise-Schnipseln und fragilen Hauchgesang mit
aggressiven Bass-Einwürfen.
„Made Flesh“ beginnt sehr temporeich und lehnt
sich rhythmisch zunächst an einer, von Synthesizern getragenen, Post-Punk
Atmosphäre an, nur um diese im zweiten Stück („The Ladder“)
mit einem entrückt, verträumten Vokal-Intro zu konterkarieren.
Dieses brechen Extra Life allerdings noch im selben Song wieder durch
schräge Melodieeinwürfe, die in ihrem Arrangement am ehesten
an die Kompositionen Frank Zappas erinnern. Dieser Ritt durch die verschiedensten
Stilrichtungen des 20. Jahrhunderts gekreuzt mit mittelalterlichen Gesangspassagen
zieht sich durch das gesamte Album und könnte waghalsiger nicht sein.
Selbst lounge-jazzigen Momente, wie beispielsweise im Saxophon-Solo in
„Head Shrinker“ werden eingestreut und so Teil der postmodernen
Mixtur. Die entlehnten Versatzstücke werden allerdings nicht einfach
nur aneinandergereiht, sondern vielmehr als Zitate in die Stücke
eingewoben. Diese zeugen von homogener Soundästhetik und entwickeln
trotz der zahlreichen Brüche eine stimmige Album-Dramaturgie.
Im letzten, elf minütigen Stück „The Body
Is True“ verfallen Extra Life dann in eine hypnotische und monotone
Struktur die durch uni-sonore Bass-Schlagzeug Rhythmen begonnen wird.
Im Laufe des Stückes kommen dann weitere Klangschichten dazu, wechseln
sich ab, ohne jedoch der eigentlichen Atmosphäre entgegenzulaufen.
Auf dem Höhepunkt wird Lookers Gesang dann durch archaisch anmutende
Chöre unterbrochen, die „Made Flesh“ im Stile einer antiken
Tragödie enden lassen.
Mit der synkretistischen Verschmelzung eigentlich nicht
zusammengehörender Stile unternehmen Extra Life den gewagten Versuch
der Aktualisierung und Neuorganisierung. Ähnlich wie vielleicht nur
Xiu Xiu, gelingt es ihnen gerade in Vielfalt und Masse der Zitate einen
eigenen Stil zu entwickeln, der nicht beliebig wirkt und durch gekonnte
Kombination hervorsticht. Das Cover des stilvollen Digipacks zeigt ein
schemenhaftes Portait, das seine menschlichen Züge nur durch seine
Umrisse erhält. Ansonsten ist das Artwork in schlichtem Grau gehalten
und beschränkt sich auf die Wiedergabe der Texte. Diese minimalistische
Gestaltung steht im Gegensatz zum akustischen Stil-Mosaik und passt sich
somit durch seine Gegenläufigkeit ins Gesamtkonzept der Platte. „Made
Flesh“ ist ein bemerkenswertes Art-Pop Album mit großer Eigenständigkeit.
Auch nach mehreren Durchläufen verliert es nichts von seiner elektrisierenden
Wirkung: besondere Empfehlung!
Patrick Kilian
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