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Deerhunter
Halcyon Digest
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Label: 4AD Records
Format: CD / Vinyl
Veröffentlichung: 28.9.2010
Das US-amerikanische Quartett
Deerhunter aus Atlanta, Georgia präsentieren auf ihrem vierten Album
„Halcyon Digest“ die intelligente Spielart moderner Popmusik.
Hinter dem, fast morbide wirkenden, schwarz/weiß Cover, das eine
betende Kleinwüchsige in weißem Kleid vor dunklem Hintergrund
zeigt, verbirgt sich ein unerwartet positiv und verspielt ausgerichtetes
Album. Variiert werden Einflüsse aus dem Dreampop der achtziger Jahre,
aktuelle Indie-Referenzen und psychedelische Einschläge, die an Syd
Barrett erinnern lassen.
„Halcyon Digest“ beginnt mit einem elektronischen
Rhythmus-Pattern, über das sich nach und nach mehrere Gitarrenspuren
legen, die in repetitiver Gestaltung den Boden für den entrückt
wirkenden, leicht angezerrten Gesang bilden. Der dritte Track „Revival“
erinnert mehr als nur entfernt an die Beatles, verweist jedoch fast selbstironisch
durch seinen Namen auf die imitierte ‚Sixties’-Ästhetik.
Allgemein kann die CD an vielen Stellen als Neuinterpretation, beziehungsweise
Neukombination verschiedener, schon einmal da gewesener Stile verstanden
werden und bietet verhältnismäßig wenig neue Ansätze.
Dennoch bleibt der hohe Grad an Homogenität zu bemerken, der beweist,
dass es Deerhunter wirklich gelungen ist ihre Einflüsse in eine eigene
Form zu überführen. Der Sound der Platte ist extrem transparent,
lässt den einzelnen Instrumenten Raum und betont stets die Komposition.
Die in der Regel unverzerrten Gitarren werden genau wie der Gesang von
Hall-Effekten begleitet, welche der Aufnahme Tiefenwirkung und Räumlichkeit
verleihen. Leider überschreiten die tragenden Melodieläufe der
Songs zeitweise die Grenze zum Kitsch und bewegen sich in Richtung Trivialität.
Höhepunkt des Albums ist das fast siebenminütige
„Desire Lines“, das die Stärken von Deerhunter am besten
vereint und trotz seines nach vorne treibenden Rhythmus eine gewisse Traumhaftigkeit
behält, die die Ästhetik des Albums bestimmt. Genau in der Verschmelzung
von klassischer Songstruktur und dem Hang zu ausufernder Atmosphäre
setzten Deerhunter an und entwickeln so ihren speziellen Reiz.
Trotz der genannten Schwächen kann „Halcyon
Digest“ als moderne Pop-Platte durchaus überzeugen und gewinnt
nach mehrmaligem Hören durch seinen hohen Wiedererkennungswert dazu.
Auch durch die optisch gelungen Gestaltung gehört dieses Werk zu
einer der bemerkenswerteren Veröffentlichungen des Pop-Kosmos und
setzt sich an den entscheidenden Stellen von seinen Konkurrenten ab. Auf
der gekonnten Reise, durch die zahlreichen Facetten der Musikgeschichte,
scheint es „Halcyon Digest“ jedoch zu verpassen wirklich neue
Aktente zu setzten.
Patrick Kilian
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