Chris Ware: Jimmy Corrigan, the smartest kid on earth

ist erschienen bei Fantagraphics (www.fantagraphics.com); dort ist auch die neueste Ausgabe (#16) von Wares Zeitschrift „ACME Novelty Library“ erschienen

Jimmy Corrigan, der „worst-case-scenario everyman“ des amerikanischen Independent Comics, schlägt Kritikerwellen: „...arguably the best achievement of the form, ever.“ verkündete die New York Times Book Review, die seit der Respektabilitätswende von Art Spiegelman’s Holocaust-Comic Maus auch ab und an das-Medium-das-zwischen-den-Stühlen-sitzt bespricht.
Jimmy Corrigan, the smartest kid on earth ist der Titel der in diversen Episoden seit 1993 erschienenen, und in England, zu einem Buch zusammengefasst, 2001 erschienenen Loser-Saga aus der Feder Chris Ware’s. Ware erhebt das Defizitäre zum Charakterisierungsprinzip: Jimmy Corrigan wäre froh, Mittelmaß zu sein, er ist ein unbeholfen, unterentwickelt, eine physisch unansehnliche, emotional nackte und vereinsamte, immer etwas peinliche Leidensgestalt – Munchs ‚Schreihals‘ als stummer Suburbia-Stümper, dem es zu unangenehm ist, den Mund aufzumachen. Beschrieben wird Jimmy’s von Regressionsphantasien gesäumte Reise zu seinem ihm bis Dato unbekannten Vater. In einem trostlosen Reisekosmos trister Flugzeughallen, trauriger Diner und unangenehmer Schweigeminuten entfaltet sich eine imaginierte Zweitwelt, die mitnichten Trost spendet.
Die Lakonie der Erzählstrategie wird, und das dürfte viel zu der Feuilletonbegeisterung beigetragen haben, mit einer zeitauflösenden Montage und monomanisch stilisierten Zeichenkunst ergänzt, die tatsächlich in diesem Medium ihresgleichen sucht. Layout und Buchdesign orientieren sich, die omnipräsenten Regressionssehnsüchte explizierend, an Zeitschriften der zwanziger Jahre, inklusive des naiv-jovialen Anpreisungstonfalls, der sich damals gerade fest etablierenden Kommerzialisierung. Zwischen den Episoden sind ganze, diese Vermarktung persiflierende Textseiten eingestreut, sowie ausschneidbare Papier-Bastelseiten, die nach komplexen Faltungen eigentlich abstrakte „Waren“ wie „Ironie“ abbilden sollen.
In diesem Spannungsfeld von Armseligkeit und Sehnsucht (schon der Titel: Jimmy Corrigan ist weder ein Kind noch besonders „smart“) und, auf einer anderen Ebene, zwischen der Armseligkeit des Lebens und der Perfektion der formalen Mittel, die Ware einsetzt, könnte nun reinster Zynismus regieren. Das authentisch nachvollziehbarer Schmerz in und an Welt und Selbst, deren Trennung hier fast aufgehoben ist, daraus wird, ist Wares, man muß es wohl sagen, Genie zu verdanken.

Alexander Zahlten