Cabaret Desire

(Lust Films of Barcelona) DVD www.cabaretdesire.com

Das Genre Porno steckt in einer tiefen Krise. Kostenlose Angebote im Netz, die Masse an Veröffentlichungen, HD und die immer noch künstlerisch zurückgebliebene Ästhetik setzen dem Genre schwer zu. Kaum noch ein Studio wagt etwas, die meisten setzen auf Massenware, die sich jedoch die geneigte Kundschaft inzwischen auf diversen Seiten im Netz ohne große Probleme gratis besorgen kann. Was bleibt ist der Versuch, das starre Korsett der Eindimensionalität aufzubrechen und die Kundschaft mit Produkten zu locken, die Neuartiges abseits des Mainstreams versprechen und damit ein neues Klientel ansprechen wollen.

Wenn der Markt übersättigt ist, muss man eben einen neuen Kundenkreis generieren. Das magische Wort heißt „Fem-Porn“, erotische Filme für Frauen. Die These: Frauen fühlen sich von den ewig dümmlichen Geschichten und Rammelabfolgen nicht sonderlich erotisiert, sie suchen mehr Sensitivität und Anspruch. Glücklicherweise gibt es inzwischen auch Filmemacherinnen, die sich von dieser ursprünglichen, fast schon in beide Richtungen sexistischen Idee, abwenden und unter dem Begriff nunmehr pornographische Filme drehen, die eben genau das mehr an Anspruch bieten wollen, dabei aber nicht nur Frauen, sondern auch Männer erreichen wollen, die der stupiden Rein-Raus-Cumshot-Abfolge der alten Garde ebenso überdrüssig sind.

Hervorzuheben sind hier vor allem Maria Beatty mit ihren nicht immer ganz stilsicheren Fetisch-Kurzfilmen und die spanische Filmerin Erika Lust, die sich inzwischen produktionstechnisch warmläuft und in kurzer Zeit auf ein recht anständiges Oeuvre verweisen kann. Einen Stil im Sinne eines Auteurs hat sie zwar noch nicht gefunden, man merkt jedoch, dass sie auf der Suche nach einem eigenen Ausdruck, einer eigenen Bildsprache ist. Noch holpert das Ganze narrativ zuweilen und die Schauspieler sind oft nicht gerade Naturtalente, dennoch wirkt auch der neueste Film, Cabaret Desire, als anreizende Burleske. Die einzelnen kurzen Geschichten werden durch eine etwas konstruierte Rahmenhandlung zusammengehalten, bei der in einem auf sinnlichen Freuden ausgelegten Club ein paar Vorleser gegen Bares ihre Zuhörer mit kleinen Erotikanekdoten unterhalten, die dann natürlich in der Bildebene weitererzählt werden. Die Handlung dieser Kurzgeschichten ist Aufhänger für die Sexszenen, so geht es um eine Diebin, die ihre Opfer verführt, eine Dreiecksgeschichte oder ein außergewöhnliches Geburtsgeschenk. Durch den Voice-Over werden innere Beweggründe näher erläutert, was manchmal etwas forciert wirkt, der Handlung aber mehr Substanz gibt. Die Ausstattung könnte zuweilen gehobener sein, wird jedoch durch die Natürlichkeit der Schauspieler ausgeglichen. Noch ist das alles nicht leichtfüßig genug inszeniert, es fehlt die Routine und der sichere Blick eines Tinto Brass: Besonders die Einstellungen sind nicht gerade einfallsreich und so manche Sexszene bietet dann doch wieder wohlbekanntes, dennoch merkt man die Mühe und Liebe zum Detail, die in das Projekt geflossen sind.

Für einen unterhaltsamen und anregenden Abend ist Cabaret Desire somit sicher eine gute Wahl. Die schön gestaltet DVD ist mit einem Booklet ausgestattet und bietet dazu noch drei weitere Kurzfilme an, die das Programm zwar ergänzen, aber keine neuen Blickwinkel hinzufügen. Die Anschaffung lohnt sich vor allem für Freunde des expliziten Kinos, die auf der Suche nach einem frischen Wind sind. Es bleibt zu hoffen, dass der große Sturm noch kommen wird.

Marcello Luciano