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BÜBCHEN / DER KLEINE VAMPIR
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"Die bürgerliche Gesellschaft duldet nicht,
daß das Grauen möglich ist, es findet statt, es bricht ein.
Der einzige, der menschlich damit umgeht, ist der Vater, aber auch er
beseitigt es, aber was soll er auch machen, um seinen Sohn zu retten?
Und am Ende wird so getan, als sei nichts, und was bleibt ist: »Nimm
die Serviette!« Wir leben ja andauernd in einer Welt des Grauens
– und warum? Weil der Bürger sie nicht zur Kenntnis nimmt.
Er kehrt sie unter den Teppich und kehrt zur Norm zurück, meist zur
kleinbürgerlichen Norm, die nur aus Formalitäten besteht."
Roland Klick im Interview (DVD Bonusmaterial)
Vor Michael Haneke war Roland Klick. In seinem Debütfilm
BÜBCHEN, der auch als DER KLEINE VAMPIR gezeigt wurde, zeigt er ein
ungeheuerliches kindliches Verbrechen und die Unfähigkeit der Gesellschaft,
sich diesem zu stellen. Was Haneke in BENNYS VIDEO (1992) als Basis einer
gnadenlosen Analyse eines emotional vergletscherten Bürgertums nutzt,
erzählt Klick mit verstörender Wertungsfreiheit:
Monika, die halbwüchsige Tochter der Nachbarn setzt
sich mit ihrem Freund ab, und der zurückgelassene Schützling
Achim tötet seine kleine Schwester mit einer Plastiktüte. Ob
aus Absicht, Neugier, Eifersucht, Unachtsamkeit oder nur Langeweile wird
nie geklärt. Mit ungerührter Sorgfalt beseitigt er die Leiche
auf einem Schrottplatz und sammelt noch Beweismaterial gegen die Babysitterin,
die er zufällig mit ihrem Freund entdeckt. Als Achims Eltern von
einem Samstagnachmittagbesäufnis zurückkehren, beginnt eine
fieberhafte Suche nach dem Kind. Zunächst streiten Monika und Achium
alles ab, doch der Vater beginnt ahnt die Zusammenhänge und beseitigt
die Leiche des Kindes endgültig. Selbst als die Wahrheit herauskommt,
fehlt der Beweis. Man kehrt wieder zum Tagesgeschäft zurück...
Rob Houwer, Paul Verhoevens Hausproduzent, der auch einige
Werke des Neuen deutschen Films ermöglichte, stellte sich von beginn
an hinter das Vorhaben, denn er erkannte Klicks Potential. Im Interview
betont Klick mehrfach, dass er seine eigenen Erfahrungen in BÜBCHEN
aufarbeitete: "Ich hab immer geschrieben, geschrieben und zu dem
Rob Houwer gesagt: »Robbie, ich seh das nur in meinem Elternhaus«,
denn wir haben Motive gesucht aber einfach kein Haus gefunden. Ich hatte
wohl bewußt oder unbewußt mein Elternhaus zum Vorbild genommen.
Und dann sagte der Robbie etwas, und das zeichnet ihn auch aus als Produzent.
Er sagte: »Roland, wenn Du das Elternhaus haben willst, dann kriegst
du dein Elternhaus«, und dann hat er den Produktionsleiter hingeschickt
zu meinen Eltern und hat denen ne Weltreise bezahlt...ja, da waren sie
erstmal weg und wurden bezahlt, 20.000 Mark, und dafür hatten wir
dieses Haus." (Roland Klick im Interview mit Frieder Schlaich) Das
verbindet ihn mit Wolfgang Beckers vielzitiertem Kindheitsdrama KINDERSPIELE
(1992), in dem der von den Eltern verratene Junge eher aus Versehen seinen
tyrannisch-tragischen Vater tötet. Doch das kleinbürgerliche
Milieu ist da, die Bildheit und Abstumpfung, die Ingnoranz gegenüber
dem seelischen Leid der Kinder ist bei Klick wie bei Becker präsent.
BÜBCHEN ist der fünfte Film in der mit dem
Magazin SCHNITT herausgegebenen Reihe der Filmgalerie 451. Wie stets bei
diesem Sammlerlabel hat man sich Mühe gegeben, eine möglichst
umfassende Edition bereitzustellen, doch leider sieht das in diesem Fall
eher dürftig aus. Bemerkenswert ist natürlich das Interview
im Bonusmaterial, aus dem die Zitate stammen. Bild und Ton des Hauptfilms
sind jedoch auf einer Heimkinoanlage nahezu ungenießbar, da vermutlich
nur ein altes Fernsehmaster zur Verfügung stand. Das Bild ist körnig
und rauh, Farben flimmern, die Konturen neigen zum Zerfasern. Das Originalformat
ist in 4:3 mit kleinen Streifen bewahrt worden. Der Film selbst aber dürfte
wohl auch künftig nicht in einer besseren Qualität zu erwarten
sein und lohnt die Anschaffung für Klick-Sammler und Fans der Neuen
deutschen Films der 1960/70er Jahre.
Auch Roland Klicks andere Kinofilme sind bei Filmgalerie
451 in liebveoll ausgestatteten Edition verfügbar.
http://www.rolandklick.de/
Marcus Stiglegger
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